Digital Twins: Hilfe vom digitalen Zwillingsbruder
Diese Szene kennen wir aus Filmen oder vielleicht auch aus eigener Erfahrung: Der Coach schwört seine Mannschaft auf das nächste Spiel ein und zeichnet auf dem Whiteboard Pfeile und Kreise für jeden Spieler, während er verschiedene Angriffsstrategien entwirft.
Die Idee, die Welt im Kleinformat abzubilden, ist bis heute erfolgreich. Es geht darum, komplexe Systeme übersichtlich nachzubilden und dann aus verschiedenen Simulationen wertvolle Erkenntnisse für die „große“ Realität abzuleiten. Im digitalen Zeitalter greifen wir aber nicht mehr zum Filzstift, sondern erschaffen ein virtuelles Modell aus Bits und Bytes.
Von innen und außen: So entstehen digitale Zwillinge
Digital Twins werden z.B. per Drohne mithilfe von zahlreichen Einzelbildern oder per Scan-Technologie erstellt. Die Daten werden verarbeitet und im Ergebnis bildet der Digital Twin das Gebäude von außen und innen realitätsgetreu in fotorealistischer 3D-Darstellung ab – inklusive eventueller Schäden. So können Entscheider ihr Objekt bis ins Kleinste sehen und auch virtuell begehen. Der Zustand des Gebäudes lässt sich beurteilen, Schäden lassen sich ermitteln und dank vorausschauender Wartung sogar beheben, bevor sie entstehen. Zusätzlich eröffnen Digital Twins die Möglichkeit, in einer risikofreien Umgebung absichtlich Fehler zu simulieren. So lassen sich die Auswirkungen erforschen und frühzeitig Lösungsansätze für eventuelle Schadensszenarien entwickeln. Hohe Folgekosten durch Reparaturen und Ausfallzeiten können so vermieden und beispielsweise Ersatzteile rechtzeitig bestellt werden.
Das 3D-Modell und sein „digitaler Schatten“
Digital Twins sind die Verschmelzung des virtuellen Abbilds eines Objektes mit dessen „Digital Shadow“. Bei diesem digitalen Schatten handelt es sich um die Bewegtdaten der Anlage, also die Zustands- und Betriebswerte, die von Sensoren in Echtzeit gemessen und regelmäßig übermittelt werden. Zwar ist die benötigte Rechenleistung dafür enorm, aber mit den heutigen Bandbreiten in der Datenübertragung ohne Probleme möglich.
Kombiniert mit cleveren Algorithmen und sorgfältiger Datenpflege entsteht schließlich ein Tool mit großem Potenzial für die Senkung der Betriebskosten einer Immobilie. Neben den Daten aus dem Immobilienbetrieb können auch Werte aus der Umgebung mit einbezogen werden: Wie laut ist die Straße auf welchem Stockwerk? Wo sollte eine Lärmschutzverglasung eingebaut werden und welche Bauweise begünstigt einen Schalltrichter? Hier und bei der Aufspürung von Baumängeln macht der Einsatz von Drohnen Sinn, die mittels Laserscan und Photogrammetrie ein 3D-Modell des Objekts erstellen: schnell, detailliert und selbst in unzugänglichen Bereichen.
Was ein digitaler Zwilling für Sie leisten kann, hängt in hohem Maße davon ab, wie konsequent die übergreifende IoT-Plattform während des Aufbaus und im laufenden Betrieb mit Daten versorgt wird. Wenn Sie die Pflege des Digital Twins standardisiert und lückenlos sicherstellen, kann Ihnen dieses Tool einen hohen Mehrwert bieten.
Experte auf diesem Gebiet ist die ImmoTech Plattform GmbH aus Dortmund. Das Unternehmen erstellt virtuelle geometrische Gebäudemodelle, die auf viele Arten analysiert und genutzt werden können.
CEO Matthias Hartmann erklärt:
„Gerade bei älteren Gebäuden sind häufig keine, veraltete oder nur unvollständige Pläne und Informationen vorhanden. Oft wurde ohne Dokumentation um- oder angebaut. Durch die intelligente Verknüpfung einzelner Fotodaten und Punktewolken können wir den aktuellen Status des Gebäudes digital nachbilden. Mit diesem „Digital Twin“ kann man in vielerlei Hinsicht arbeiten: So können u.a. die exakten Maße der Dach- und Fassadenflächen berechnet werden, um z.B. die Energieeffizienz des Gebäudes zu ermitteln, und Leckagen wie Wärmebrücken werden über sogenannte Thermo-Scans sichtbar gemacht. Mit Dienstleistern können so beispielsweise Reparaturen oder Wartungsarbeiten besprochen werden, ohne sich gemeinsam vor Ort zu treffen.
Über die digitale Plattform werden die Daten bearbeitet und bereitgestellt. Gutachter, z.B. im Schadensfall, können direkt auf der Plattform arbeiten und effizient Gutachten erstellen, aus denen entsprechende To-do-Listen entstehen. Diese werden genutzt als Basis für Beauftragungen für Handwerker, Ausschreibungen oder die fortlaufende Instandhaltungsplanung.
Letztendlich bringt ein digitaler Zwilling die Gebäudedaten aus den Aktenordnern in eine digitale Plattform und macht sie von überall – auch aus dem Homeoffice – verfügbar. Das ist nachhaltig, spart Zeit und Ressourcen und vereinfacht die Verwaltung eines einzelnen Gebäudes oder des gesamten Portfolios enorm. Klimaneutralität 2045 wird so überhaupt erst denkbar.“
Auf die Gebäude-Digitalisierung von innen hat sich das Kölner Start-up Lumoview spezialisiert. Mit ihrem 360°-Innenraummesssystem, dem LumoScanner, können die Immobilienexperten einen Raum in nur zwei Sekunden vermessen und die Daten in eine IoT(Internet of Things)-Plattform hochladen. So entsteht nach und nach ein digitales Modell des ganzen Gebäudes. Wir haben mit Silvan Siegrist, einem der Gründer von Lumoview, gesprochen.
Herr Siegrist, wofür braucht die Immobilienwirtschaft so genaue digitale Zwillinge der Innenräume, wie Lumoview sie erstellt?
Silvan Siegrist:
„Bei unseren patentierten Scans werden in kürzester Zeit unterschiedliche Daten erfasst, z.B. auch Infrarot-Daten, Lufteigenschaften und die Feuchtigkeitsverteilung im Raum. Das sind wichtige Kennzahlen für die Überprüfung der Wärmedämmung oder zur Ortung von Leckagen. Mit der Möglichkeit, diese Daten in einem digitalen Zwilling des Gebäudeinneren exakt abzubilden, senken wir die Hürde für Energieeffizienz-Analysen im Immobiliensektor. Wir versetzen Eigentümer und Verwalter in die Lage, die Energieeffizienz ihrer Gebäude überhaupt erst einmal darzustellen, zu analysieren und dann entsprechende Sanierungsmaßnahmen zur Effizienzsteigerung zu planen. Bisher war dafür eine komplizierte, zeitaufwändige und kostspielige manuelle Energieberatung erforderlich, die Eigentümer oft davon abhielt, energieeffizient zu sanieren.
Mit unserem Lumoscan-Verfahren wollen wir der Immobilienwirtschaft helfen, CO2-neutral zu werden. Denn immerhin etwa 40 % der weltweiten Treibhausgase werden von Gebäuden verursacht. D.h. andererseits aber auch, dass hier ein enormes Potenzial besteht, durch Analysen und Optimierungen dem Pariser Abkommen näher zu kommen.
Digital Twins – messbarer Nutzen für die Immobilienwirtschaft
- Komplette Bestandsaufnahme des Objekts, bspw. um den Ist-Zustand für Simulationen zu nutzen oder für die Errichtung baugleicher Objekte
- Umfangreiche Datensätze zur Optimierung von Verwaltung, Steuerung und Berichtswesen
- Nachhaltigkeit und Klimaschutz durch den gezielten Einsatz von Ressourcen
- CO2-Vermeidung durch die Optimierung der Energieeffizienz (z.B. durch ein Thermobild, das Lücken in der Wärmedämmung sichtbar macht)
- Frühzeitige Schadenserkennung mit Hilfe von Sensoren, Vermeidung von Folgeschäden
- Proaktive Wartung und Instandhaltung (Predictive Maintenance) machen die rechtzeitige und kostengünstige Beschaffung von Ersatzteilen möglich und verhindern Mietausfälle
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