Paketzustellung per Transport-Drohne
Eine Tüte Chips und ein Fire-TV-Stick: Das waren die ersten Gegenstände, die das Online-Kaufhaus Amazon einem Besteller in der Nähe der britischen Universitätsstadt Cambridge per Drohne nach Hause lieferte. Die Lieferung war nur ein Test und noch kein regulärer Lieferverkehr. Trotzdem war damit der Beweis war erbracht: Logistikdrohnen und Logistik 4.0 sind längst mehr als nur ein Gedankenexperiment. Nach einigen Verzögerungen hat Amazon Ende 2022 den regulären Lieferverkehr per Drohnenflug in zwei Kleinstädten in den US-Bundesstaaten Kalifornien und Texas aufgenommen. Die US-Flugaufsichtsbehörde FAA hatte dem Konzern hierfür die entsprechende Genehmigung erteilt.
Für die Drohnen-Entwicklung hat Amazon eine eigene Entwicklungsgesellschaft namens Prime Air gegründet, arbeitet aber auch mit anderen Drohnen-Herstellern zusammen. Die neue Amazon-Drohne des Typs MK 30 kann wie schon ihre Vorgängerin MK27-2 Lasten von mehr als zwei Kilogramm transportieren. Mit einer Flughöhe von hundert Metern über Grund soll sie Lärmemissionen für die Anwohner entlang ihrer Zustellrouten minimieren. Die Drohne erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern. Amazon verspricht beim Drohnentransport Lieferzeiten von maximal einer Stunde für ausgewählte Waren.
Auch die Alphabet-Tochter Wing hat 2019 eine Freigabe der FAA für den kommerziellen Drohnenflug erhalten und bietet in Fort Worth/Texas einen eigenen Drohnen-Lieferservice an. Wing hat hierfür eine Flotte verschieden großer Transport-Drohnen zusammengestellt und wirbt damit, weltweit bereits über 300.000 Drohnen-Lieferungen in Kundenauftrag absolviert zu haben. Zu den Wing-Kunden gehört beispielsweise die US-Apothekenkette Walgreens.
In Deutschland testete die Deutsche Post DHL ihre Paketkopter genannten Drohnen auf der letzten Meile hin zu den Endkund:innen. Die Technik kam vom deutschen Hersteller Wingcopter. DHL testete die Zustellung von Medikamenten zwischen der Unternehmens-Zentrale in Bonn und einem auf der anderen Rheinseite gelegenen Krankenhaus.
Ebenfalls Arzneimittel hat das Bonner Unternehmen im von der Festlandgemeinde Norden zu einer Apotheke auf der Nordseeinsel Juist transportiert. Das Besondere hierbei: Die Zustellung erfolgte automatisiert nach einem festen Flugplan und ohne direkte Sichtverbindung zum Drohnen-Piloten.
In Reit im Winkl probierte DHL die Kombination eines Paketkopters mit einer Packstation. Im Testbetrieb konnten Endkunden Pakete aufgeben, die auf dem Dach der Paketstation direkt von der Transportdrohne übernommen wurden.
Inzwischen wurde das Projekt Paketkopter allerdings eingestellt. Noch ist unklar, ob oder wann es eine Neuauflage geben könnte.
Auch wenn DHL keine Gründe für die Einstellung nennt: Experten schätzen, dass der gegenwärtig noch hohe administrative Aufwand für einen möglichen Regelbetrieb die Umsetzung unwirtschaftlich macht. Speziell in Reit im Winkl hatten außerdem Gleitschirmflieger vor Gefahren durch mögliche Zusammenstöße mit Drohnen in der Luft gewarnt. Bei anderen Drohnenprojekten hatten Anwohner Kritik am Fluglärm geäußert.
Zukünftige Drohnengenerationen mit leiseren Antrieben, niedrigeren Betriebskosten und besserer Kollisionserkennung könnten hier Abhilfe schaffen.
Drohnen als Labor-Kuriere
Während die Pilotprojekte bei DHL ruhen, laufen ähnliche Erprobungen bei der Schweizer Post weiter. Das Unternehmen testet derzeit in mehreren Modellregionen den Transport von Laborproben per Drohne von Krankenhäusern zu Zentrallaboren. Da dies eine zeitkritische Anwendung ist, wurden hierfür bisher Kurierfahrzeuge in Direktfahrt eingesetzt.
Die Schweizer Post verspricht sich nun eine weitere Beschleunigung durch den Einsatz von Drohnen: Eine Autofahrt von einer Dreiviertelstunde werde zu einem staufreien Flug von wenigen Minuten, erklärte das Unternehmen.
Auch Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel setzt aus denselben Grünen seit 2019 auf Logistikdrohnen für den Transport von Laborproben. Im Rahmen eines Pilotprojekts auf dem Duisburger Werksgelände bringt eine Drohne Rohstoffproben aus der Produktion direkt ins unternehmenseigene Labor. Die Transportzeit gegenüber dem PKW verkürzt sich damit von 15 auf nur noch sechs Minuten.
Projektleiter Thomas Lostak sieht Drohnen zukünftig sogar als wichtigen Baustein im Enterprise Resource Planning (ERP), der bedarfsgerechten Bereitstellung von Ressourcen in allen Produktionsbereichen: „Neben der Lieferung von dringend benötigten Teilen und anderen Gütern wird der Einsatz von Flugdrohnen und automatisierten Bodenfahrzeugen zu einer weiteren Vernetzung von Lieferketten führen. In Kombination mit einer nahtlosen Anbindung an ERP-Systeme wird man so einen weiteren Schritt in Richtung Smart Factory gehen können.“
Inventur mit Drohnen
Hochregale haben sich in der Logistik als effizientes und raumsparendes Lagersystem für eine Vielzahl von Warenarten herausgebildet. Sie kommen besonders dort zum Einsatz, wo kleine Warenmengen und große Artikelvielfalt aufeinandertreffen.
Eine besondere Herausforderung ist hier die gesetzliche Verpflichtung zur jährlichen Inventur. Anders als im Einzelhandel mit seinen meist inventurfreundlich überschaubaren Regalmaßen, erreichen die größten Hochregallager mittlerweile Höhen von bis zu 50 Metern. Auch das Auffinden falsch abgestellter Paletten ist ein wichtiges Thema für die Lagerlogistik. Inventur und Fehlerkorrektur erfordern eine regelmäßige Durchsicht und Kontrolle aller vorhandenen Palettenstellplätze über alle Ebenen.
Unabhängig voneinander haben deshalb der Gabelstapler-Hersteller Linde Material Handling (ehemals Linde plc, heute Kion-Gruppe) sowie Fiege Logistik eigene Drohnen-Lösungen hierfür entwickelt.
Beide Systeme kombinieren Drohnen mit autonomen Laser Guided Vehicles (LGV) oder Automated Guided Vehicles (AGV). Die Fahrzeuge dienen dabei auch zur Stromversorgung der Drohnen. Die Fluggeräte selbst steigen bei der langsamen Durchfahrt durch das gesamte Lager an jeder Regalposition vom Fahrzeug auf und scannen vertikal alle Palettenstellplätze bis unter die Hallendecke.
Hierbei fotografieren die kamerabestückten Drohnen Stellplätze, erfassen zeitgleich sichtbare Barcodes und lesen sie ein. Im Ergebnis kann das Lagerverwaltungssystem (LVS) oder das Warehouse Management System (WMS) alle Paletten-Positionen zwischen Soll und Ist abgleichen. Dank der Koppelung mit den autonomen Fahrzeugen ist die Energieversorgung auch im stundenlangen Betrieb kein Problem mehr. Die Drohnen können selbst große Lager an nur einem Tag oder in einer Nacht komplett abfotografieren und erfassen.
Inspektion per Drohne
Fast 30.000 Windkraftanlagen waren Ende 2022 allein in Deutschland in Betrieb – die Anlagen auf hoher See nicht mitgerechnet. Sie alle benötigen regelmäßige Inspektionen, um beispielsweise Schäden durch Witterung und Erosion, abplatzende Beschichtungen oder austretende Betriebsstoffe rechtzeitig zu erkennen. Bisher mussten Servicekräfte diese Anlagen hierfür regelmäßig besteigen und aus der Nähe inspizieren.
Inzwischen setzen Anlagenbetreiber hierfür zunehmend auf Drohnen. Entsprechende Kopter überfliegen die Anlagen, erstellen dabei HD-Filmmaterial aus jeder gewünschten Perspektive und liefern dabei Bilder auch jener Bereiche, die für Menschen kaum zu erreichen sind. Dazu gehören beispielsweise die Spitzen der Rotorblätter oder die Außenseite des Turmschaftes.
Drohnen wie die Elios 2 von Aerovision sind für Flüge im Inneren der Windkraftanlagen konzipiert. Ihre Propeller sind durch einen Kugelkäfig gegen Kollisionen geschützt, weshalb die Drohne auch die hohlen Rotorblätter von innen inspizieren kann. Die kompakte Drohne kommt dank ihres Käfigdurchmessers von nur 40 Zentimetern durch alle Standard-Mannlöcher in Industrieanlagen.