Aufbauend auf den Basistechnologien entwickeln Verkehrsforscher:innen Konzepte für die Mobilität von morgen. Dabei stehen sie vor großen Herausforderungen, denn Elektromobilität, mehr Straßen oder bessere Ampelschaltungen allein reichen für eine bessere Zukunft nicht aus. Es gilt auch, andere Probleme anzugehen:
Induced Demand
In den 1960er-Jahren erkannte der britische Straßenbauingenieur John Joseph Leeming das Prinzip des Induced Demand: Der Bau zusätzlicher Straßen führt nicht notwendigerweise zu einer Entlastung des Wegenetzes. Er kann im Gegenteil sogar zusätzlichen Verkehr mit sich bringen und häufigere Staus verursachen. Der Grund ist, dass viele Menschen häufiger und weiter fahren, sobald sie ein besseres Straßennetz vorfinden.
Matthew Turner und Gilles Duranton haben 2009 eine ähnliche Entwicklung aufgezeigt: Ein Anwachsen des Straßennetzes um zehn Prozent in verschiedenen US-Städten zwischen 1980 und 2000 war mit einer Verkehrszunahme um ebenfalls zehn Prozent einhergegangen. Verkehrsnetze müssen also so ausgebaut werden, dass ihr Kapazitätsgewinn möglichst dauerhaft erhalten bleibt, ohne lediglich zu mehr Verkehr zu führen. Das gelingt nur indem viele Fahrten ganz überflüssig gemacht werden. Berufspendelverkehr wird beispielsweise durch Remote Work ersetzt, bestimmte Waren werden nicht mehr über Straße sondern über die Schiene transportiert. Leerfahrten werden durch digitales Flottenmanagement vermieden.
Elektromobilität und autonomes Fahren als Push-Faktor
Noch ist das vollautonome Fahren im öffentlichen Straßenverkehr nicht möglich, doch viele Automobilhersteller arbeiten bereits an der Umsetzung in zukünftigen E-Fahrzeugen. Zu den von Menschen gesteuerten Fahrzeugen könnte dann eine große Zahl autonomer, elektromobiler Fahrzeuge hinzukommen, beispielsweise im Lieferverkehr.
Wissenschaftler:innen konnten durch Modellrechnungen auf Basis menschlichen Fahrverhaltens nachweisen, dass ein Mischverkehr aus etwa gleich vielen autonomen und von Menschen gesteuerten Fahrzeugen den Verkehr eher verlangsamt.
Denn autonome Fahrzeuge fahren defensiv und halten sich im Unterschied zu Menschen an alle Abstands- und Temporegeln. So bremsen sie den Verkehrsfluss im Vergleich zur heutigen, realen Verkehrspraxis menschlicher Fahrer:innen aus. Zwar gäbe es dadurch voraussichtlich weniger Unfälle, aber die Modellrechnungen zeigen auch: Erst das rein autonome Fahren behebt diese Stauprobleme und führt wieder zu flüssigem Verkehr. Zukünftige Transportnetze müssen also so leistungsfähig sein, dass menschlicher und autonomer Verkehr sich nicht gegenseitig ausbremsen.
Trennung der Stadtviertel als Verkehrstreiber
Viele deutsche Städte sind noch immer nach den Prinzipien der Städtebau-Charta von Athen aus dem Jahr 1933 aufgebaut: Lebenswelten wie Wohnen, Einkaufen und Arbeiten sind räumlich strikt getrennt und durch vielspurige Haupt- oder Einfallstraßen verbunden. In einer reinen Industriegesellschaft war es durchaus sinnvoll, rauchende Fabrikschornsteine nicht neben Wohnvierteln zu bauen. Doch die Industrie 4.0 ist auf dem Weg zur emissionsarmen Manufaktur, und auch der wachsende Dienstleistungssektor braucht die Nähe zu Mitarbeiter:innen und Kund:innen. Weite Wege zwischen Wohnort und Arbeitsplatz sorgen für viele Staus und belasten die Städte in der Rushhour mit Abgasen. Zukünftige Verkehrskonzepte sollen daher auch berücksichtigen, wie sich Distanzen zwischen Freizeit, Arbeit und Wohnen sinnvoll verkürzen lassen. Städtebauer:innen müssen dafür die unterschiedlichen Funktionen innerhalb der Städte wieder näher zusammenbringen. Zusätzlich rückt das Thema New Work weiter in den Fokus, denn jede:r Mitarbeitende im Homeoffice ist eine Entlastung für ohnehin verstopfte Verkehrswege. Netzbetreiber wie Vodafone können dabei für schnelle und zuverlässige Internetverbindungen und spezielle Lösungen für Remote Work in allen Haushalten sorgen. Mit wachsendem Wohlstand einer Gesellschaft nimmt auch die individuelle Mobilität zu: Allein die Zahl der Flugreisen ist seit 1960 weltweit um den Faktor 50 angewachsen. Die Zahl der in Deutschland gefahrenen Pkw-Kilometer hat sich seit 1970 mehr als verdreifacht. Dienstreisen und der Freizeitverkehr nehmen zu. Aber auch die Fahrtstrecken zum Arbeitsplatz werden länger. Die Wohnfläche pro Kopf hat sich in den letzten Jahrzehnten verdreifacht. Daher wohnen viele Familien heute am Stadtrand oder in Vorstädten, wo die Wohnungen größer sind, und pendeln von dort zum Arbeitsplatz. Das schafft zusätzlichen Verkehr.