Ob bei der Suche nach neuen Geschäftsfeldern, bei der Entwicklung von Prototypen, in der Weiterentwicklung und Verbesserung von Serienmodellen oder in den Bereichen Customer Care und Schulung: Die Einsatzgebiete für Digitale Zwillinge ziehen sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette durch alle Abteilungen im Unternehmen und sie gehen auch darüber hinaus.
Indem Sie beispielsweise Digitale Zwillinge Ihrer Produkte auch Ihren Lieferanten und Vertriebspartnern zur Verfügung stellen, schaffen Sie sich eine gemeinsame, unternehmensübergreifende Datenbasis.
Mit dem Input Ihrer Lieferanten können Sie neue Produkte schneller und besser entwickeln. Durch die engere, datenbasierte Zusammenarbeit im Vertrieb bringen Sie Waren und Dienstleistungen schneller und einfacher in den Markt und optimieren die Kundenbindung.
Schon heute setzen viele Branchen deshalb auf digitale Zwillinge. Die Einsatzfelder sind ebenso vielfältig wie die konkreten Kosten- oder Effizienzvorteile, die im Einzelfall entstehen. Einige Anwendungsfälle:
Autoindustrie: In den digitalen Zwillingen von verkauften Fahrzeugen speichern Hersteller Informationen zur Fahrzeugnutzung und zu Werkstattaufenthalten, die von Kund:innen, den Vertragswerkstätten oder den Fahrzeugen selbst zurückgemeldet werden. Die Zwillinge liefern Antworten auf viele Fragen: Wie wirken sich bestimmte Nutzungsmuster auf die Haltbarkeit von Fahrzeugkomponenten aus? Wo können Wartungsintervalle erweitert oder verkürzt werden? Welche Erfahrungen lassen sich auf andere Fahrzeuge derselben Serie übertragen oder können in die Entwicklung des Nachfolgemodells einfließen? Aber auch für jedes einzelne Fahrzeug lassen sich Empfehlungen aus dem Profil seines individuellen Zwillings herauslesen. Automobilhersteller Daimler will seine digitalen Zwillinge deshalb auch Vertragshändlern und -werkstätten zur Verfügung stellen.
Einzelhandel: Simulationen ganzer Wertschöpfungsketten von den Rohstofflieferanten über die Hersteller bis zu den Endkund:innen erlauben das Optimieren von Warenbeständen, aber auch das rechtzeitige Nachsteuern bei möglichen Lieferproblemen. Die zusätzliche Nutzung von Big Data liefert Rückschlüsse auf den Erfolg von Marketingmaßnahmen oder erkennt Absatzchancen im After-Sales-Market. Sogenannte Smart Products speichern in ihren digitalen Zwillingen alle Informationen über ihren eigenen Herstellungsprozess und sammeln während der Fertigungs- und Nutzungsphase weitere Daten, mit denen sie ihren Digital Twin beliefern. Gesundheitswesen: Digitale Zwillinge realer Patient:innen könnten beispielsweise zeigen, welche Ernährungs- oder Verhaltensumstellungen im Alltag Einfluss auf den Heilerfolg haben. Forschende des Weizmann Institute of Science in Rehovot (Israel) statteten zu diesem Zweck 800 Personen mit Blutzuckermessgeräten aus. Diese Daten wurden in individuellen digitalen Zwillingen der Proband:innen gesammelt. Eine künstliche Intelligenz fand anschließend Muster in den Datenstrukturen und erstellte daraus individuelle Ernährungsempfehlungen. Diese wirkten sich besser auf Gesundheit und Wohlbefinden der Personen aus als Empfehlungen menschlicher Ernährungsberater:innen.
Aber auch in der Akutmedizin helfen Digital Twins. Schon heute sind viele Gesundheitseinrichtungen über 5G-Mobilfunk mit Rettungsdiensten verknüpft. So werden Informationen über Notfallpatient:innen bereits auf dem Weg ins Krankenhaus an die behandelnden Ärzt:innen weitergeleitet. Digitale Zwillinge könnten als Weiterentwicklung elektronischer Patientenakten dienen und entsprechende Hinweise an Ärzt:innen versenden. Beispielsweise könnten sie relevante Vorerkrankungen anzeigen und etwa vor Fehlmedikationen bei bestimmten Kontraindikationen warnen. Industrial Internet of Things: Der digitale Zwilling einer Fabrik simuliert alle Abläufe am jeweiligen Standort und optimiert sie fortlaufend – von der Logistik über den Personaleinsatz bis zum Energiebedarf einzelner Fertigungsanlagen. In der Simulation zeigt sich beispielsweise, welche Anlage an welchem Tag und in welcher Zeit welche Stückzahlen fertigen muss. So können Unternehmen in der weiteren Produktion sowohl Engpässe als auch Überbestände vermeiden.
Alle Anlagenzustände im Industrial Internet of Things (IIoT) werden dank entsprechender Verknüpfung der Maschinen und Geräte in Echtzeit erfasst und im digitalen Zwilling gespeichert. Der Hamburger Hersteller Nordex beispielsweise erstellt per IIoT verknüpfte Digital Twins seiner Windkraftanlagen, um Betrieb und Wartung effizienter zu gestalten. Städtebau: Stadtplaner:innen erstellen digitale Zwillinge zukünftiger Stadtteile oder ganzer Städte, um Verkehrsströme zu simulieren oder um die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs zu optimieren. Wie kann ein bestimmter Stadtteil möglichst kurze Wege garantieren? Wo sollten Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten gebaut werden? Wie wirken sich Baustellen oder die Schaffung neuer ÖPNV-Angebote auf den gesamten Stadtteil aus? Die Stadtverwaltung Eindhoven beispielsweise erstellt schon heute mit digitalen Zwillingen Vorhersagen zu Mobilität, Klima, Energiebedarf und Lärmentwicklung.
Fertigung: Digitale Zwillinge von Industrieanlagen erleichtern die Suche nach den besten Betriebsparametern für komplexe Systeme. Welche Drehzahlen oder Lastwerte mindern den Energieverbrauch oder die Abnutzung von Komponenten? Welche Parameter verbessern die Qualität der auf der Anlage gefertigten Produkte oder senken die Ausschussquote? Am digitalen Zwilling können in kurzer Zeit Millionen Anlagenkonfigurationen durchgetestet werden, um anschließend die besten für die reale Anlage auszuwählen.