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The Irishman: Die wahre Geschichte hinter dem Netflix-Film
Martin Scorsese ist zurück: Mit The Irishman knüpft der Regisseur an seine legendären Gangsterfilme früherer Zeiten an und beruft sich dabei abermals auf reale Ereignisse. Wir erzählen dir alles über die wahre Geschichte des Thrillerdramas mit Robert De Niro und Al Pacino, das sich um Mafiabosse, kriminelle Gewerkschaften und eiskalte Killer dreht.
Wer nicht gerade eine der wenigen Kinovorstellungen von The Irishman besucht hat, wird sich wohl erst daran gewöhnen müssen, dass der neue Film von Martin Scorsese sonst nur auf Netflix zu genießen ist. Die Kooperation des Regie-Altmeisters mit dem Streaming-Giganten scheint aber äußerst schmackhafte Früchte zu tragen.
Die ersten Kritiken zum Gangsterdrama überschlagen sich vor Begeisterung und es sieht ganz danach aus, dass der Film bei den Oscars 2020 eine große Rolle spielen könnte. Kein Wunder, hat Scorsese doch mit Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci ein wahres Dreamteam vor die Kamera geholt. Besonders die Verpflichtung von De Niro und Pesci erinnert auf angenehme Weise an Scorseses ikonische Filme GoodFellas, Casino und Wie ein wilder Stier.
In The Irishman widmet sich der Regisseur erneut den mafiösen Strukturen in Amerika. Im Zentrum der Handlung steht der Kriegsveteran Frank „The Irishman” Sheeran (De Niro), der vom Mafiaboss Russell Bufalino (Pesci) als Auftragsmörder angeheuert wird.
Zudem arbeitet er als Leibwächter für den Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa (Pacino), mit dem ihn bald eine tiefe Freundschaft verbindet. Als Bufalino eines Tages die Ermordung von Hoffa in Auftrag gibt, muss Sheeran eine folgenschwere Entscheidung treffen…
The Irishman: Die realen Hintergründe des Gangsterepos
I Heard You Paint Houses ist der Titel des True Crime-Romans von Charles Brandt, auf dem The Irishman basiert. Darin kommt Frank Sheeran höchstpersönlich zu Wort und offenbart schockierende Einblicke in das Innenleben des Mafia-Apparates und seine damit verbundenen mörderischen Tätigkeiten. Doch wer war er und was hat er getan?
Frank „The Irishman” Sheeran: Wenn das Töten zum Beruf wird
Es klingt wie der wahnwitzige Report eines Boulevardmagazins, aber der 2003 verstorbene Sheeran soll tatsächlich ein entfernter Onkel des Popstars Ed Sheeran gewesen sein. Da ist dann aber auch schon Schluss mit den amüsanten Anekdoten aus dem Leben des „Irishman”.
25 bis 30 Morde gingen vermutlich auf das Konto von Frank Sheeran, dessen „Familie” eher mit kriminellen Machenschaften als mit Schmusehymnen im Radio zu tun hatte. Diese destruktive Ader wurde dem 1920 in Philadelphia geborenen Sheeran praktisch schon in die Wiege gelegt.
Der Sohn eines katholischen Iren und einer Schwedin kam durch die Armut der Familie schon früh mit Diebstahl und Gewalt in Berührung. Als 10-jähriger Spross wurde er von seinem Vater genötigt, in illegalen Schaukämpfen gegen ältere Jugendliche anzutreten.
Mit Anfang 20 wurde er zum Dienst im Zweiten Weltkrieg eingezogen, wo er nicht nur italienisch lernte, sondern auch erstmals Menschen tötete. Beides erleichterte ihm später den Eintritt in die amerikanische Cosa Nostra.
In den Fünfzigerjahren lernte er das Mafia-Mitglied Russell Bufalino kennen, der von Sheerans moralischer Flexibilität und Sprachgewandtheit beeindruckt war. Offiziell als Fahrer engagiert, erledigte der „Irishman” bald mehrere Mordaufträge für Bufalino. So war er 1972 auch am aufsehenerregenden Attentat auf den verfeindeten Mafioso Joseph „Crazy Joe” Gallo beteiligt, der in The Irishman von Sebastian Maniscalco verkörpert wird.
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Zwischen Gewissen und Loyalität: Sheerans Freundschaft zu Jimmy Hoffa
Das prägendste Ereignis in Sheerans Killer-Karriere - und damit auch zentrales Thema von The Irishman - war jedoch die Begegnung mit Jimmy Hoffa. Dieser war der einflussreiche Präsident der Teamsters-Gewerkschaft mit Verbindungen zur Mafia. Bufalino machte die beiden bekannt und prompt wurde Sheeran von Hoffa als Leibwächter und „Mann fürs Grobe” angestellt.
Im Laufe der Jahre beging Sheeran nicht nur Auftragsmorde für Hoffa, sondern entwickelte auch eine enge Freundschaft zu ihm. Hoffa selbst war nicht minder skrupellos als seine mafiösen Geschäftspartner und führte mehrere persönliche Fehden gegen verschiedene Personen, u. a. gegen Robert Kennedy, Bruder des später gewählten US-Präsidenten John F. Kennedy.
1967 wurde Hoffa schließlich wegen Betrug, Bestechung und Verschwörung zu 13 Jahren Haft verurteilt. Allerdings musste er nur vier Jahre davon absitzen, da er 1971 von Präsident Richard Nixon begnadigt wurde. Ein nur scheinbar glücklicher Umstand, da dies zugleich auch sein Todesurteil bedeutete.
Der inzwischen für Hoffa als Gewerkschaftsführer eingesetzte Frank Fitzsimmons führte nämlich ein deutlich lascheres Regiment, wovon auch die Mafia profitierte, da sie bestimmte Kredite nicht zurückzahlen musste. Da Hoffa sein Amt - entgegen der Abmachung - zurückerobern wollte, beschloss die Cosa Nostra letztendlich die Ermordung des in Ungnade Gefallenen.
Ausgerechnet sein Freund und treuer Begleiter Sheeran sollte diesen Mord ausführen…
Der Mord an Jimmy Hoffa: So tötete Frank Sheeran seinen Freund
Es war der 30. Juli 1975, als Jimmy Hoffa spurlos verschwand. Obwohl es bis heute keine eindeutigen Beweise dafür gibt, behauptete Frank Sheeran nur wenige Jahre vor seinem Tod, dass er in die Ermordung seines Freundes involviert gewesen sei. Laut seiner Aussage gegenüber Autor Charles Brandt lief diese wie folgt ab:
Hoffa wurde unter einem Vorwand in sein Stammlokal „Machus Red Fox” gelockt. Auf dessen Parkplatz wurde er gegen 14.30 Uhr das letzte Mal gesehen, nachdem er in ein Auto gestiegen war. Sheeran nach, saßen er selbst und Hoffas Ziehsohn Chucky O’Brien darin, um Hoffa zu einem Haus in der Nähe zu fahren.
Dort habe Sheeran seinem Freund zweimal in den Hinterkopf geschossen. Mit der Beseitigung der Leiche soll er jedoch nichts mehr zu tun gehabt haben. Hoffas Körper wurde laut ihm von anderen Personen verbrannt und entsorgt.
Beruht die Geschichte von The Irishman auf einer Lüge?
Bis heute kursieren aber Zweifel an Sheerans Geständnis. Auch wenn er immer zum Verdächtigenkreis in Hoffas Mordfall zählte, ist seine Aussage der einzige „Beweis”, der ihn als Täter in Frage kommen lässt. Aber warum sollte er sich sonst selbst belasten?
Ein mögliches Motiv: Der Ex-Killer war gegen Ende seines Lebens pleite und wusste, dass er bald an Krebs sterben, seiner Familie aber kein Geld hinterlassen würde. Ebenso war ihm bewusst, dass sich das Buch über seine Lebensgeschichte besser verkaufen würde, wenn er selbst der Mörder von Jimmy Hoffa wäre.
Hierbei sollte auch erwähnt werden, dass Sheeran im Jahr 1995 noch behauptete, nichts mit dem Mord zu tun gehabt zu haben und 2001 namentlich sogar Salvatore Briguglio als Täter nannte, einen Mafioso, den Sheeran wiederum 1978 tötete. Eine Theorie, der das FBI deutlich mehr Glauben schenkte.
Andererseits ist es auch schwer vorstellbar, dass ein Mensch auf dem Sterbebett sich selbst verleugnen und als Mörder eines Freundes dastehen will. Daher ist es gut möglich, dass Sheeran am Ende sein Gewissen tatsächlich „bereinigen” wollte und deshalb erst so spät die Verantwortung für seine Tat übernahm.
Noch mehr Mafia, Mord und Machtspiele findest du bei den 10 besten Gangsterserien.
Die Zeit nach dem Mord: Was geschah mit Frank Sheeran, Jimmy Hoffa und Russell Bufalino?
Ob er nun den Mord an Jimmy Hoffa wirklich beging oder nicht, Sheeran landete dennoch immerhin für kurze Zeit im Gefängnis. So wurde er wegen anderer Delikte (Nötigung und diverse illegale Geschäfte) zu 32 Jahren Haft verurteilt. Aufgrund seiner schlechten körperlichen Verfassung wurde er jedoch 1995 nach nur neun Jahren entlassen.
Am 14. Dezember 2003 starb der an Krebs erkrankte Sheeran im Alter von 83 Jahren in einem Pflegeheim, nachdem er wochenlang das Essen verweigerte.
Sein ehemaliger Mentor und Boss Russell Bufalino verbrachte ebenfalls mehrere Jahre im Gefängnis, befand sich ab 1989 jedoch wieder auf freiem Fuß. 1994 starb er an den Folgen eines Schlaganfalls mit 90 Jahren.
Jimmy Hoffa wurde sieben Jahre nach seinem Verschwinden offiziell für tot erklärt. Da seine Leiche bis heute nie gefunden wurde, ranken sich in den USA vielerlei Mythen um den Aufenthaltsort derselbigen. Es entstand ein regelrechter Hype um seinen Fall, der seitdem immer wieder Einzug in die amerikanische Popkultur erhält und in der Gesellschaft öffentlich diskutiert wird.
The Irishman: Alles zum Netflix- und Kinostart des Gangsterfilms in Deutschland
Seit dem 14. November läuft The Irishman in einigen ausgewählten Kinos in Deutschland, dies allerdings nur für eine stark begrenzte Zeit. Wer das Dreieinhalbstunden-Epos also noch auf der großen Leinwand genießen möchte, sollte sich beeilen.
Für alle, die noch etwas Geduld haben: Am 27. November startet The Irishman auf Netflix und bringt Martin Scorseses Oscar-Anwärter damit direkt zu euch nach Hause.
Hier findest du übrigens 6 weitere Gangsterfilme, die auf wahren Begebenheiten beruhen.