TV & Entertainment
„X-Men: Dark Phoenix“ im Film-Review
In der Mutantin Jean Grey schlummern verborgene Kräfte. Das macht sie zur Zielscheibe einer kosmischen Macht. Und diese droht, die Erde zu vernichten. So weit, so bekannt. Ob die zweite Adaption der ikonischen Story funktioniert, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu X-Men: Dark Phoenix.
Es gibt Comic-Geschichten, die genießen echten Kultstatus unter Fans. Die Dark-Phoenix-Saga gehört dazu. Sie taucht regelmäßig in Listen der beliebtesten Comic-Storylines auf und sie wurde bereits 2006 in X-Men: Der letzte Widerstand als Randgeschichte verarbeitet. In Dark Phoenix widmet sich Autor und Regie-Debütant Simon Kinberg dem Stoff zumindest einen ganzen Film lang. Aber mit welchem Ergebnis?
Jean Grey: Phoenix
Anfang der Neunziger werden die X-Men gefeiert wie Superhelden – und manchmal auch so genannt. Um diesen Status aufrecht zu erhalten, schickt Professor X (James McAvoy) seine Schützlinge auf immer waghalsigere Missionen. Wir begegnen dem aktuellen Team beim Versuch, die Besatzung eines Raumschiffs zu retten. Eine unbekannte kosmische Strahlung trifft dabei auf Vorzeigemutantin Jean Grey (Sophie Turner). Jeans Kräfte wachsen daraufhin ins Unermessliche. Doch nicht nur die X-Men und Magneto (Michael Fassbender) sind auf der Suche nach Jean. Eine außerirdische Rasse von Gestaltwandlern hat ebenso massives Interesse an der kosmischen Macht.
Dark Phoenix: Herr der Partikeleffekte
Superheldenfilme sind Effektkino. Und heutzutage nur allzu oft Partikeleffekt-Kino. Wir erinnern uns an die zahlreichen Zerstäubungseffekte bei Avengers: Infinity War. Ein Fingerschnippen und zack: Ascheregen. In dem Film, der ab 12 Jahren freigegeben ist, finden deutlich mehr Leute ihr Ende als in Deadpool 2 oder dem Wolverine-Film Logan, ihrerseits beide ab 16 Jahren freigegeben. Aber Blut und Körperlichkeit sind für ein niedriges Rating eben ungeeignet.
Die Story um eine außerirdische Macht und menschliche Verfehlungen ist per se eher Kost für den anspruchsvollen Science-Fiction-Fan. Und eine entsprechend körperliche oder sagen wir natürlichere Konfliktdarstellung würde dem Film gut stehen. So allerdings bleibt der Eindruck, dass Dark Phoenix sich über eine niedrige Altersfreigabe an ein möglichst breites Publikum ankuschelt. Unnötig. Denn diejenigen, die den Film sehen wollen, weil sie die Comicvorlage aus den 1970ern kennen, werden dem Kindesalter vermutlich längst entwachsen sein.
Identität: Eine unglückliche Suche
Der Einsatz von Spezialeffekten regt aber noch zu anderen Diskussionen an. Die Figuren Beast (Nicholas Hoult) und Mystique (Jennifer Lawrence) sind oft in menschlicher Erscheinungsform zu sehen. Okay, Mystique ist eine Gestaltwandlerin, soweit so gut. Aber sie ist vor allem aber stolz darauf eine Mutantin zu sein. Lawrence gab allerdings bereits 2017 in einem Interview mit Entertainment Weekly zu verstehen, dass sie auf das intensive Make-up ihres Charakters eigentlich keine Lust hat. Und eigentlich auch nicht auf die Rolle selbst. Befindlichkeiten. Schade. Gleiches gilt für die Rolle des Wissenschaftlers Hank McCoy alias Beast. In den Vorgängerfilmen wurde etabliert, dass ein Serum ihm seine menschliche Gestalt gibt. Bei Bedarf mutiert er dann zum Beast. Buh! Warum? Wir brauchen hier keinen zweiten Hulk.
Und dann ist da noch die außerirdische Rasse der Shi’Ar. In Dark Phoenix sind sie graue Alien-Stereotypen mit der Fähigkeiten ihre Gestalt zu verändern – ja, genauso wie die Skrulls jüngst in Captain Marvel. Im direkten Vergleich sind die Invasoren hier aber nur ein seelenloses Story-Vehikel. Sie sind böse, weil sie böse sind. Man erkennt sie daran, dass sie ausdruckslose Gesichter haben. Zweckdienlich, ja, aber erschreckend uninspiriert, langweilig und generisch.
Dark Phoenix: Auf der Suche nach der eigenen Identität
Es ist ironisch, dass ein Film, dessen Handlung sich in weiten Teilen um die Findung der eigenen Identität dreht, selbst keine besitzt. So erinnert Dark Phoenix stark an die Avengers-Filme, zumindest was die Figurenmuster und Gruppendynamik angeht. Die Prämisse „Außerirdische Gestaltwandler suchen nach außerirdischer Macht, die in Titelheldin schlummert“, hingegen, klingt erschreckend stark nach Captain Marvel. Und in dem Drang, den Film möglichst ernst und düster zu gestalten, bleibt der Humor auf der Strecke.
Am Ende ist X-Men: Dark Phoenix effektlastiges Popkornkino mit vielen Blitzen, Staub und Pathos. Ein hübscher Budenzauber, der ja nicht zuletzt auch die aktuelle Filmreihe zum Abschluss bringen soll. Das wirft allerdings die Frage auf, wie das anstehende Spin-off New Mutants noch ins Franchise passt. Oder die Deadpool-Filme, die im zweiten Teil ja zumindest eine Art von Brücke gebaut haben. Wir dürfen gespannt sein, was Disney mit seinen neugewonnenen Lizenzrechten am X-Men-Franchise anstellt.
Kurz: X-Men: Dark Phoenix war der zweite Versuch, die Phoenix-Saga auf die Leinwand zu bringen. Vielleicht klappt‘s beim dritten Anlauf. Wir drücken die Daumen.
X-Men: Dark Phoenix
OT: Dark Phoenix
Genre: Superhelden / Science Fiction
Bundesstart: 06.06.2019
Laufzeit: 114 Minuten
FSK: Ab 12 Jahren
Regie: Simon Kinberg
Drehbuch: Simon Kinberg
Welchen X-Men-Story wäre Dein Favorit für die Leinwand? Wir sind gespannt auf Deine Idee.