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Yara: Die wahre Geschichte hinter dem Netflix-Drama
Das neue Netflix-Drama „Yara“ schildert eindrucksvoll die Ermittlungen in einem der erschütterndsten Kriminalfälle Italiens. Die wahre Geschichte hinter dem Film findest Du hier.
Yara-Regisseur Marco Tullio Giordana gehört zu den bekanntesten Persönlichkeiten des italienischen Films. Seine Werke „100 Schritte“ und „Die besten Jahre“ fanden international viel Beachtung. Der 71-Jährige setzt auf Isabella Ragonese („Das ganze Leben liegt vor dir“) als Protagonistin in Yara. Sie verkörpert die Staatsanwältin Letizia Ruggeri, die entscheidend an der Aufklärung des grausamen Mordes beteiligt war, und trägt den Film fast im Alleingang.
Yara schildert den Mord an der 13-jährigen Yara Gambirasio und die unfassbaren Ermittlungen. Im Zentrum steht dabei die Gentechnik, mit deren Hilfe der Täter letztlich überführt werden konnte. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, der mit fehlerhaften Übersetzungen, mehreren falschen Verdächtigen und einem längst verstorbenen Mann gepflastert war.
Yara kannst Du übrigens auf Deinem Netflix-Account auch mit Vodafone GigaTV anschauen.
Das Opfer: Wer war Yara Gambirasio?
Viel ist nicht über Yara Gambirasio bekannt. Das Mädchen wurde am 21. Mai 1997 in Brembate di Sopra geboren. Die italienische Gemeinde liegt in der Provinz Bergamo in der Lombardei, sieben Kilometer nordwestlich der Stadt Bergamo und 45 Kilometer nordöstlich von Mailand. Yara war leidenschaftliche Turnerin und hatte sich auf Rhythmische Sportgymnastik spezialisiert. Im Netflix-Film spielt Chiara Bono („Figli del Destino“) das 13-jährige Mädchen.
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Am Abend des 26. November 2010 hatte Yara wie gewohnt Training im Sportzentrum von Brembate di Sopra. Um 18:44 Uhr verließ sie die Turnhalle und machte sich auf den 700 Meter langen Heimweg. Allerdings kam sie nie zu Hause an. Ihre Eltern Maura und Fulvio, im Film von Sandra Toffolatti („Welcome Venice“) und Mario Pirrello („Suburra – La serie“) verkörpert, informierten die Carabinieri, die eine groß angelegte Suchaktion starteten. Hunderte Freiwillige durchkämmten die Gegend, blieben aber erfolglos.
Mohammed Fikri: Der erste Verdächtige
Also nahmen die Behörden die Ermittlungen auf. Spürhunde wurden eingesetzt, Überwachungsvideos ausgewertet. Die Nachverfolgung führte die Ermittler auf eine Baustelle in der Gegend. Drei Spürhunde hatten die Witterung bis dorthin verfolgen können. Dann verlor sich die Spur. Auf dieser Baustelle arbeitete der damals 22-jährige marokkanische Fliesenleger Mohammed Fikri, im Film gespielt von Aiman Machhour („Karim“). Die Ermittler begannen, die Telefone der dort Beschäftigten abzuhören. Dabei stießen sie auf eine Aussage von Fikri: „Allah, vergib mir, ich habe sie nicht getötet.“
Der Fall schien klar: Fikri war nun der Hauptverdächtige und wurde am 5. Dezember 2010 an Bord eines Schiffes nach Marokko verhaftet. Die Behörden vermuteten, dass er seine Flucht spontan eingeleitet hatte. Von der verschwundenen Yara fehlte zu diesem Zeitpunkt immer noch jede Spur. Allerdings unterlief der Justiz ein folgeschwerer Irrtum: Das abgehörte Telefonat wurde auf Arabisch geführt. Die Polizei übersetzte die Aussagen falsch. Tatsächlich sagte Fikri: „Allah, lass ihn antworten“ – was nichts mit dem Mordfall zu tun hatte.
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Fikri wurde daraufhin freigelassen. Er konnte zudem nachweisen, dass er die Schifffahrt schon Monate vor dem Mord gebucht hatte. Erst 2013 konnte er mit dem Fall abschließen, nachdem auch der letzte Anklagepunkt gegen ihn fallengelassen wurde. Noch heute hat der Marokkaner mit den Folgen zu kämpfen.
Die traurige Gewissheit: Yaras Leiche wird entdeckt
Auf den Tag genau drei Monate nach ihrem Verschwinden wurde die Leiche von Yara am 26. Februar 2011 zufällig auf einem Feld etwa zehn Kilometer von ihrem Heimatort entfernt gefunden. Ein Modellflugzeugführer hatte das tote Mädchen bei der Ausübung seines Hobbys entdeckt. Die Obduktion legte zahlreiche Verletzungen offen, unter anderem sechs Stichwunden, eine tiefe Halswunde und eine großflächige Kopfverletzung, vermutlich durch einen Sturz und/oder einen Schlag mit einem schweren Gegenstand hervorgerufen. Anzeichen für eine Vergewaltigung fanden die Gerichtsmediziner aber nicht.
Yara wurde schließlich am 28. Mai 2011 beerdigt. Tausende begleiteten das Mädchen auf ihrem letzten Weg. Unter den Trauernden war auch Francesco Beschi, der damalige Bischof von Bergamo. Zudem wurde während der Zeremonie eine Botschaft von Giorgio Napolitano, dem italienischen Präsidenten, verlesen.
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Die Suche nach „Ignoto 1“ beginnt
Im Hintergrund liefen zu dieser Zeit bereits die Ermittlungen auf Hochtouren. Auf der Unterwäsche und der Leggings von Yara wurden DNA-Spuren gefunden und gesichert. Das genetische Profil des potenziellen Täters wurde unter dem Namen „Ignoto 1“ – auf Deutsch „Unbekannt 1“ – bekannt. Die Forensiker untersuchten 22.000 archivierte und bei einer Aktion neu angelegte DNA-Profile und wurden tatsächlich fündig.
Die größte genetische Teilübereinstimmung lieferte die DNA von Giuseppe Guerinoni. Das Problem: Der Mann war bereits 1999 verstorben. Doch die Forensiker gruben tiefer. Schnell stellte sich heraus, dass Guerinoni der genetische Vater von „Ignoto 1“ sein musste. Aber auch hier gab es ein Problem: Denn offiziell hatte Guerinoni gar keine Kinder.
Also ging die Suche weiter. Allerdings schleppend. Die Ermittler gerieten von einer Sackgasse in die nächste. Monate vergingen, bis es plötzlich Fortschritte gab. Denn in der DNA-Probe von „Ignoto 1“ wurde bei einer weiteren Untersuchung ein seltener DNA-Marker entdeckt. Diesen Marker fanden die Ermittler auch in einem der 22.000 DNA-Profile bei einer Frau namens Ester Arzuffi.
Der Mörder von Yara: Wer ist Massimo Bossetti?
Jetzt ging alles ganz schnell: Arzuffi hatte tatsächlich zwei Söhne. Einer davon ist Massimo Giuseppe Bossetti, ein 44-jähriger Maurer aus Mapello. In Yara spielt Roberto Zibetti („Der Kommissar und die Alpen“) den Mörder. Im Rahmen einer arrangierten Verkehrskontrolle ließ die Polizei den Verdächtigen in ein Atemalkoholgerät pusten, um die DNA aus seinem Speichel zu extrahieren. Und tatsächlich stimmte die DNA mit dem Profil von „Ignoto 1“ überein.
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Bossetti wurde am 16. Juni 2014 – mehr als drei Jahre nach dem Auffinden der Leiche von Yara – festgenommen. Er beteuerte seine Unschuld und sagte aus, dass seine DNA durch Zufall an Yaras Kleidung geraten wäre. Demnach seien ihm Werkzeuge gestohlen worden, die mit seinem Blut befleckt gewesen seien. Denn Bossetti soll nach eigener Aussage unter häufigem Nasenbluten gelitten haben. Mit den Werkzeugen soll Yara schließlich ermordet worden sein.
Entsprechend plädierte die Verteidigung auf unschuldig. Bossettis Frau sagte zudem aus, dass ihr Mann sich zum Tatzeitpunkt bei ihr befunden habe. Außerdem zweifelte die Verteidigung die Qualität der DNA-Probe an. Die Zweifel stellten sich letztlich aber als unbegründet heraus.
Eine weitere Verdächtige im Fall Yara
Doch die Unterstellungen der Verteidigung verzögerten den Prozess. Eine erneute Untersuchung von Yaras Kleidung förderte eine neue DNA-Spur zutage. Diese stimmte mit der DNA von Silvia Brena überein. Nicole Fornano („Plurals“) spielt die Frau im Netflix-Film. Brena war die Turnlehrerin von Yara. Die Ermittler fanden heraus, dass Brena parallel zu der Entführung von Yara Textnachrichten an ihren Bruder geschickt hatte. Diese waren allerdings unmittelbar nach dem Senden gelöscht worden. Im Verhör sagte Brena aus, dass sie sich nicht an den Inhalt der Nachrichten erinnern könne.
Angesichts der erdrückenden Beweislast gegen Bossetti wurde Brena nicht weiter befragt. In Bossettis Auto waren inzwischen Kleiderfasern von Yara gefunden worden. Dem Gericht genügten die Beweise. Am 1. Juli 2016 wurde Bossetti zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Verteidigung ging anschließend mehrmals in Berufung. Der letzte Versuch wurde im Juni 2021 abgewiesen.
Verbindungen zum organisierten Verbrechen?
Zwischenzeitlich wurde der Mordfall Yara sogar mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht. Roberto Saviano, ein angesehener Enthüllungs-Journalist, behauptete in einem seiner Bücher, dass Yaras Vater Fulvio im Jahr 2011 für das Bauunternehmen Lopav gearbeitet habe. Dieses wurde zu jener Zeit von Patrizio Locatelli, dem Sohn von Pasquale Claudio Locatelli, verwaltet. Letzterer soll in den Drogenhandel verwickelt gewesen sein. Yaras Vater Fulvio habe demnach in einem Prozess gegen die Locatellis ausgesagt, was letztlich zum Mord an Yara aus Vergeltung geführt haben soll.
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Fulvio Gambirasio gab gegenüber der Staatsanwaltschaft aber zu Protokoll, dass er nie gegen die Locatellis ausgesagt habe. Saviano blieb jedoch bei seiner Behauptung und bedauerte, dass die Behörden dieser Spur nie nachgegangen seien. Zudem gab er an, dass das Bauunternehmen Lopav zur Zeit des Mordes an Yara auf der Baustelle in Mapello, wo Bossetti überführt wurde, aktiv gewesen sei. Bis heute ist dieser Umstand nicht aufgeklärt worden.
Ging im Mordfall Yara alles mit rechten Dingen zu? Wie ist Deine Meinung zu den holprigen Ermittlungen? Lass es uns in den Kommentaren wissen.