© Netflix
Bild aus Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim
Plakat zum Musical-Film Wicked

Wolfsnächte: Die Erklärung für das Ende des Netflix-Thrillers

Der auf Net­flix ver­füg­bare Thriller Wolf­s­nächte steckt voller über­raschen­der Wen­dun­gen. Ger­ade das Ende kommt beson­ders mys­ter­iös daher. Erfahrt hier alles zu Hand­lung, Ende und der Inter­pre­ta­tion des düsteren, bru­tal­en Films. 

Ein Schrift­steller und Wolf­s­ex­perte reist in die gottver­lassen­ste Gegend Alaskas. Für eine verzweifelte Mut­ter soll er Wölfe töten, die ihren jun­gen Sohn direkt vor ihrem Haus geholt haben - der düstere Auf­takt des Net­flix-Thrillers Wolf­s­nächte von Regis­seur Jere­my Saulnier.

Achtung: Im Fol­gen­den wird auf Details zu Hand­lung und Ende von Wolf­s­nächte eingegangen!

© Netflix

Jef­frey Wright und Riley Keough in Wolf­s­nächte | © Netflix

Wolfsnächte: Handlung mit schockierenden Twists

Wolf­s­nächte dürfte viele Net­flix-Zuschauer etwas rat­los zurück­lassen: Der Thriller begin­nt ganz offen­bar als abso­lut ger­adlin­ige und zweifels­frei ein­deutige Geschichte: Wolf­s­ex­perte Rus­sel Core (Jef­frey Wright) schlägt sich durch die Wild­nis. Er wird ver­mut­lich gegen Wölfe kämpfen und wenn es gut läuft auch noch ein Kind ret­ten.

Doch dann find­et Core her­aus, dass Mut­ter Medo­ra Slone (Riley Keough) ihren eige­nen Sohn getötet hat. Dass Wölfe ihren Sohn Bai­ley (Beck­ham Craw­ford) geris­sen haben, ent­pup­pt sich als Lüge Medo­ras. Hat sie aus Angst vor ihrem Mann gelogen?

© Screenshot Netflix

Rus­sel geht in die Wild­nis, um Bai­ley zu ret­ten | © Screen­shot Netflix

Ver­non (Alexan­der Skars­gård) kehrt aus dem Krieg zurück und beg­ibt sich umge­hend auf einen bluti­gen Rachefeldzug. Er will seine Frau Medo­ra für die Ermor­dung seines Sohns bestrafen – und tötet auf der Suche nach ihr beina­he jeden, der ihm über den Weg läuft…

Schon bald wird die ein­fache Geschichte zu einem schwieri­gen Puz­zle ähn­lich Dar­ren Aronof­skys moth­er! oder auch dem Net­flix-Sci-Fi-Hor­ror­film Aus­löschung, die wir euch bei­de bere­its erk­lärt haben. Doch was treibt in Wolf­s­nächte Medo­ra und Ver­non dazu, so viele Men­schen zu töten?

Was motiviert die Charaktere?

Schnell stellt sich die Frage über Antrieb und Moti­va­tion von Medo­ra und Ver­non. Medo­ra tötet ihren Sohn und legt dabei ein ähn­lich­es Ver­hal­ten an den Tag wie das zuvor beobachtete Rudel Wölfe: In Notzeit­en fressen die Raubtiere ihre eige­nen Welpen. Allerd­ings lei­det Medo­ra keinen Hunger wie die Wölfe – warum sollte sie dann ihren Jun­gen töten?

© Screenshot Netflix

Ver­non neben Sohn Bai­ley | © Screen­shot Netflix

Vielle­icht lei­det sie unter ein­er anderen Man­gel­er­schei­n­ung: der Ein­samkeit. In Abwe­sen­heit ihres Mannes wird eine exis­ten­zielle Not bei ihr geweckt. Ein Hunger nach der Gesellschaft ander­er Men­schen, nach Zunei­gung und Zuwen­dung. Wie sehr sie zu lei­den scheint, zeigt sich ins­beson­dere in der Szene, in der sie sich nackt neben den weit älteren Wolf­sjäger Rus­sel legt.

War der Mord an ihrem Kind ein Hil­feschrei? Eine Wölfin, die in der hoff­nungslosen Abgeschieden­heit und Ein­samkeit der Wild­nis Alaskas dem Wahnsinn ver­fällt und sich grausige ani­mal­is­tis­che Ver­hal­tensweisen aneignet? Medo­ras Heimat Alas­ka ist auf alle Fälle min­destens genau­so lebens­feindlich wie das ländliche Wyoming in Tyler Sheri­dans großar­ti­gen Thriller Wind Riv­er mit einem grausamen Mord im Indianerreservat.

Sind Medora und ihr Mann von einem Wolfsdämon besessen?

Ein ander­er Erk­lärungsansatz ist, dass Medo­ra und ihr Mann Ver­non von einem Wolfs­dä­mon besessen sind. Das behaupten zumin­d­est die restlichen Ein­wohn­er ihres Heima­tortes Kee­lut dem ermit­tel­nden Polizis­ten Don­ald Mar­i­um (James Badge Dale) gegenüber.

Dafür spricht, dass Ver­nons Vater seinen Sohn einst in jun­gen Jahren zu einem alten Jäger in der Wild­nis brachte, um ihn mit „Wolf­söl“ zu kuri­eren. Ver­non sei „unnatür­lich“, so der Alte.

© Screenshot Netflix

Alexan­der Skars­gård mit Maske | © Screen­shot Netflix

Tat­säch­lich tra­gen sowohl Medo­ra wie auch Kriegsheimkehrer Ver­non im Film häu­fig Masken - er eine Wolf­s­maske aus Holz, sie ein Stück, das ent­fer­nt an antike griechis­che Helme erin­nert. Ger­ade der ultra­bru­tale Ver­non tötet gegen Ende des Films stets mit dieser Wolf­s­maske über seinem Gesicht.

Sind also Ver­non und Medo­ra schlicht besessen von einem mörderischen, blutrün­sti­gen Dämon? Oder aber zumin­d­est selb­st davon überzeugt, dass sie es sind?

Vernon und Medora sind in Wahrheit Bruder und Schwester

Eine weit­ere The­o­rie: Medo­ra und Ver­non kön­nten Geschwis­ter sein. Medo­ra erk­lärt Wolf­s­ex­perte Russel:

Ich kenne meinen Mann schon immer. Ich erin­nere mich nicht an ein Leben ohne ihn.

Der alte Jäger, von dem Ver­non die Maske erhält, bemerkt außerdem:

[Deine Frau] hat die gle­ichen Haare wie du, und die gle­ichen Augen.

In Wolf­s­nächte, der lit­er­arischen Vor­lage von William Giral­di, sind Medo­ra und Ver­non ganz ein­deutig Geschwis­ter. Im Film Wolf­s­nächte wird dies nicht ein­deutig klar.

Allerd­ings erzählte Regis­seur Jere­my Saulnier dem Online-Mag­a­zin Thril­list, er habe Szenen gedreht, in denen die „wahre Natur von Medo­ras und Ver­nons Beziehung zueinan­der“ deut­lich wird. Doch am Ende habe man sich dage­gen entsch­ieden, diese Szenen im Film zu ver­wen­den. Sie soll­ten lieber ungezeigt bleiben…

© Netflix

Wolf­s­ex­perte Rus­sel trifft auf men­schliche Bestien | © Netflix

Doch erk­lärt die Tat­sache, dass die Eltern Geschwis­ter sind weit­ere Hand­lun­gen im Film? Wom­öglich wollte Medo­ra ihrem „Inzest-Sohn“ das gle­iche Schick­sal ers­paren, dass sie und Ver­non ereilte, ihn vor der „Dunkel­heit“ ret­ten, die sie so oft Rus­sel gegenüber erwähnt.

Auch spricht Medo­ra im Ver­lauf von Wolf­s­nächte wieder­holt von „Reini­gung“. Möglicher­weise will sie ihren Sohn vor dem Dämon ret­ten, der ihm im Blut liegt.

© Screenshot Netflix

Riley Keough als Medo­ra Slone | © Screen­shot Netflix

Warum tötet Vernon Slone?

Selb­st wenn man auf diese Weise das Ver­hal­ten von Medo­ra Slone ergrün­det, erk­lärt dies noch nicht die Blut­spur, die ihr Mann Ver­non auf der Jagd nach ihr zurücklässt.

Ver­non tötet in einem zweit­en schock­ieren­den Twist (nach der Enthül­lung, dass es in Wahrheit Mut­ter Medo­ra war, die Sohn Bai­ley ermordete) offen­bar grund­los zwei Polizis­ten. Anschließend schlitzt der Kriegsheimkehrer ein­er alten Ure­in­wohner­in die Kehle auf, und ist damit noch lange nicht am Ende sein­er unbändi­gen Mord­lust angelangt … 

Liegt ihr Ursprung möglicher­weise in der trau­ma­tis­chen Kriegsver­gan­gen­heit des Sol­dat­en? Im Nahen Osten tötete Ver­non zuvor als Sol­dat zahlre­iche Men­schen. Dort wird auch er selb­st schw­er ver­wun­det und kehrt deshalb nach Hause zurück.

© Screenshot Netflix

Ver­non als Sol­dat im Krieg­sein­satz | © Screen­shot Netflix

Ver­non wird im Krieg als fähiger und kalt­blütiger Killer gezeigt. Er ist ein exzel­len­ter Scharf­schütze. In der rauen Wild­nis Alaskas, sein­er Heimat, hat er auch den Umgang mit Pfeil und Bogen sowie weit­ere Über­lebens­fähigkeit­en erlernt - ähn­lich wie auch die Pro­tag­o­nis­ten aus unseren sieben gnaden­los­es­ten Sur­vival-Fil­men aller Zeit­en.

Eine mögliche Erk­lärung für Ver­nons zahlre­iche Morde kön­nte also ein Kriegstrau­ma sein: Ver­non will sich an sein­er Frau Medo­ra rächen. Auf diesem Rachefeldzug tötet er beina­he alles und jeden – in etwa so, wie zuvor im Krieg. Für ihn ist das Töten zum fes­ten Bestandteil seines All­t­ags gewor­den - es löst schon lange keine Emo­tio­nen mehr in ihm aus. Er hat sich zu ein­er hochge­fährlichen Mord­mas­chine entwickelt.

© Screenshot Netflix

Alexan­der Skars­gård als Ver­non | © Screen­shot Netflix

Eine mys­tis­chere Erk­lärung wäre, dass Ver­non die soge­nan­nte „Dunkel­heit” wie seine Frau in sich trägt – und das schon immer, bere­its vor dem Krieg. Als der alte Jäger im Mit­tel­teil von Wolf­s­nächte Ver­non die Wolf­s­maske übergibt, die er bei den restlichen Mor­den tra­gen wird, ver­mutet der Mann:

Wie ich sehe, musst du deinen inneren Wolf ein wenig rauslassen.

Das Ende von Wolfsnächte erklärt

Einige Erk­lärungsan­sätze für das Ver­hal­ten von Ver­non und Medo­ra Slone sind zwar auf­schlussre­ich für das Ver­ständ­nis des Films, doch sie liefern noch keine Inter­pre­ta­tion des Filmendes.

© Netflix

Rus­sel und Medo­ra in Wolf­s­nächte | © Netflix

Denn eigentlich ist Ver­non auf Rache aus, so scheint es zumin­d­est. Er jagt hin­ter sein­er Frau Medo­ra her, der Mörderin seines Sohnes Bailey.

Als Ver­non sie dann in der Höh­le mit der heißen Quelle stellt, würgt er sie zuerst fast zu Tode. Für Medo­ra scheint das let­zte Stündlein geschla­gen zu haben. Doch die Kindsmörderin zieht dann ihrem Mann die Wolf­s­maske vom Gesicht, und plöt­zlich ist das Ehep­aar wieder ein Herz und eine Seele: Die bei­den küssen sich und ziehen gemein­sam in die Wildnis.

© Screenshot Netflix

Das Geschwis­ter-Ehep­aar begeg­net sich in der Höh­le wieder | © Screen­shot Netflix

Die mögliche Inter­pre­ta­tion des Endes: Ver­non und Medo­ra wer­den am Ende von Wolf­s­nächte selb­st zu Wölfen. Man sieht das Paar in der Wild­nis ver­schwinden, und in der näch­sten Ein­stel­lung laufen zwei Wölfe durchs Bild. Die bei­den Men­schen scheinen anschließend wie vom Erd­bo­den verschluckt.

Unsere Inter­pre­ta­tion: Ver­non und Medo­ra haben ihr Leben an der Gren­ze zur Wild­nis ver­bracht. Die oft erwäh­nte „Dunkel­heit“ ist ein Sinnbild für dieses harte Leben. Ver­non ist ein fähiger Jäger und Killer. Sein ganzes Leben lang tötet er, im Krieg wur­den diese Ten­den­zen noch verstärkt.

© Screenshot Netflix

Medo­ra in ihrer Maske | © Screen­shot Netflix

„Besessen“ sind die bei­den nicht, dafür kommt Wolf­s­nächte dann doch zu real­is­tisch daher. Dafür bricht – aus­gelöst durch die anfängliche Kind­stö­tung – in Ver­non seine grausam-tierische Natur mit Wucht durch. Wie ein in die Enge getrieben­er Wolf tötet er alles und jeden.

Am Ende erken­nen sich dann Ver­non und Medo­ra als gle­ichar­tige Part­ner wieder. Durch ihre Prä­gung sind sie sind bei­de zum Teil Men­sch, zum Teil Tier. Gemein­sam entschei­den sich die bei­den jedoch für ihre tierische Seite: Sie ver­lassen vol­lends die Zivil­i­sa­tion und gehen nach Nor­den, wo sie entwed­er ster­ben oder for­t­an ein hartes, ent­behrungsre­ich­es Leben führen. Ver­non ver­schont Rus­sel, da der, obwohl men­schlich, doch auch Ver­ständ­nis für die Natur und die dun­kle Seite von Ver­non und Medo­ra zeigt.

Auch der Regisseur äußert sich zum Ende von Wolfsnächte

Zugegeben­er­maßen geht auch für uns die Geschichte von Wolf­s­nächte nicht vol­lends auf. Doch das scheint beab­sichtigt, wenn man sich mit Regis­seur Jere­my Saulniers Erläuterun­gen im Inter­view mit Thril­list beschäftigt:

Was Medo­ra ange­ht, sie wird häu­fig analysiert, aber es ist nie die kor­rek­te Antwort (…) [Rus­sel] Core sagt sog­ar im Film expliz­it, dass es eine Antwort gibt, wir sie aber nicht ken­nen. Für mich ist das stim­mig, was den Film ange­ht. Würde man es klar­ma­chen und schließlich alles zum Abschluss brin­gen, würde [das Ende] seine Kraft verlieren.

Soweit das State­ment des Wolf­s­nächte-Regis­seurs Jere­my Saulnier. Das rel­a­tiv offene Ende des Thrillers darf also als bewusste kün­st­lerische Entschei­dung gele­sen werden.

Das könnte Dich auch interessieren