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Bild aus Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim
Plakat zum Musical-Film Wicked

Unser Vater – Dr. Cline: Die wahre Geschichte hinter der Netflix-Doku

Die neue Net­flix-Doku „Unser Vater – Dr. Cline“ erzählt von schock­ieren­den Ereignis­sen, die sich in den 1970er- und 1980er-Jahren in ein­er Frucht­barkeit­sklinik in den USA zuge­tra­gen haben. Die wahre Geschichte hin­ter dem Film, der seit dem 11. Mai bei Net­flix läuft, find­est Du hier.

Viele Men­schen wün­schen sich nichts sehn­lich­er als Kinder. Doch nicht alle kön­nen Nach­wuchs auf natür­liche Weise bekom­men. Zum Glück gibt es Frucht­barkeit­skliniken und andere Ein­rich­tun­gen, in denen Betrof­fe­nen geholfen wird. Was sich jedoch in Indi­anapo­lis vor etwa 45 Jahren zuge­tra­gen hat, dürfte auch Hart­ge­sot­tene schockieren.

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Debüt-Regis­seurin Lucie Jour­dan beleuchtet im Doku­men­tarfilm Unser Vater – Dr. Cline die Machen­schaften des titel­geben­den Arztes, der mith­il­fe kün­stlich­er Befruch­tung über 50 Kinder ohne das Wis­sen sein­er Pati­entin­nen zeugte – und wie seine Nachkom­men ihn let­ztlich auch dank des Inter­nets überführten.

Unser Vater – Dr. Cline: Zahlen und Fakten zur künstlichen Befruchtung

Die Idee zur kün­stlichen Befruch­tung von Lebe­we­sen stammt aus dem 19. Jahrhun­dert und geht auf den franzö­sis­chen Wis­senschaftler Dr. Girault zurück, der 1869 eine Studie über diese Meth­ode veröf­fentlichte. Darin beschreibt er, wie 1838 eine 23-jährige Frau mit sein­er Hil­fe kün­stlich befruchtet wurde. Der Spender war ihr 35-jähriger Mann. Das Sper­ma wurde über einen Katheter trans­feriert. Am 1. März 1839 wurde daraus ein gesun­der Junge geboren – das erste auf kün­stlichem Wege gezeugte Kind der Geschichte.

Die erste erfol­gre­iche kün­stliche Befruch­tung durch einen „frem­den“ Spender fol­gte 1884 in den USA durch den umstrit­te­nen Medi­zin­er William Pan­coast. Ohne das Wis­sen sein­er Pati­entin injizierte er ihr das Sper­ma eines Medi­zin­stu­den­ten. Dieser wurde spon­tan aus den anwe­senden Zuschauern im Oper­a­tionssaal aus­gewählt, weil er offen­bar der attrak­tivste Mann im Raum war. Nach der Geburt des Jun­gen ver­ri­et Pan­coast dem Vater des Kindes, dass die Befruch­tung kün­stlich stattge­fun­den hat­te. Bei­de Män­ner einigten sich darauf, die Umstände der Empfäng­nis geheim zu hal­ten. Das Kom­plott flog erst 1909 auf, als ein­er der Medi­zin­stu­den­ten die Proze­dur in einem wis­senschaftlichen Mag­a­zin veröffentlichte.

Heute ist kün­stliche Befruch­tung nichts Ungewöhn­lich­es mehr. Wobei die Zahlen je nach Land vari­ieren. Laut Kinder­wun­schzen­trum sind etwa ein Prozent der jährlich knapp 700.000 Neuge­bore­nen in Deutsch­land durch kün­stliche Befruch­tung ent­standen. 2003 lag der Anteil allerd­ings noch bei 2,6 Prozent. Bis dahin hat­ten die Krankenkassen die vollen Kosten für bis zu vier Befruch­tungsver­suche über­nom­men. Seit 2003 zahlen die Kassen jedoch nur noch 50 Prozent bei max­i­mal drei Ver­suchen der kün­stlichen Befruch­tung. Däne­mark ist übri­gens Spitzen­re­it­er in Europa mit ein­er Quote von vier Prozent.

Die wahre Geschichte: Wer war Dr. Donald Cline wirklich?

Viel ist nicht bekan­nt über das Pri­vatleben von Dr. Don­ald Cline, der in der Net­flix-Doku vom Schaus­piel­er Kei­th Boyle („Man Eater“) verkör­pert wird. Der echte Medi­zin­er eröffnete seine Frucht­barkeit­sklinik 1979 in der Nähe von Indi­anapo­lis. Damals steck­te die Medi­zin in diesem Bere­ich immer noch in den Kinder­schuhen. Die mod­er­nen Spender-Daten­banken der heuti­gen Zeit waren ein fern­er Traum. Ende der 1970er-Jahre mussten die Ärzte poten­zielle Spender auf eigene Faust aus­find­ig machen. Oft wen­de­ten sie sich dabei an das eigene Per­son­al und rekru­tierten junge Medi­zin­stu­den­ten, die im Kranken­haus arbeiteten.

Dr. Cline griff auf eine ein­fachere Meth­ode zurück: Er spendete das Sper­ma ein­fach selb­st. Auf diese Weise „zeugte“ er über 50 Kinder. Einige davon ver­fol­gten ihre genetis­chen Spuren bis zu ihm zurück. Unser Vater – Dr. Cline erzählt ihre Geschichte.

Keith Bolye in Unser Vater - Dr. Cline

Kei­th Boyle verkör­pert Dr. Don­ald Cline in der Net­flix-Doku — Bild: Net­flix

Eines der von Dr. Cline gezeugten Kinder ist Jaco­ba Bal­lard. Sie kommt in der Net­flix-Doku zu Wort und schildert die drama­tis­chen Erken­nt­nisse, auf die sie ab 2014 bei ihren Nach­forschun­gen gestoßen war. Bal­lard wurde bere­its als Zehn­jährige von ihren Eltern darüber aufgek­lärt, dass sie durch kün­stliche Befruch­tung gezeugt wor­den war. Als 33-Jährige begab sie sich schließlich auf die Suche nach ihrem „Vater”.

Dazu nutzte sie diverse Genealo­gie-Por­tale wie 23andMe. Schnell wurde Bal­lard fündig. Über Face­book kon­tak­tierte sie eine Frau, die genetis­che Übere­in­stim­mungen mit ihr aufwies. Auch sie wurde mit Hil­fe von Dr. Cline gezeugt.

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Immer mehr Kinder von Dr. Cline tauchen auf

Dabei ist es nor­mal, dass ein Spender für mehrere Befruch­tun­gen genutzt wird. Drei bis vier Proze­duren mit ein­er Probe sind üblich. Dr. Cline hat­te seinen Pati­entin­nen ver­sichert, max­i­mal drei Befruch­tun­gen pro Spender durchzuführen. Doch im Fall von Jaco­ba Bal­lard blieb es nicht bei drei Übere­in­stim­mungen. Inner­halb weniger Wochen hat­te sie ins­ge­samt acht Hal­bgeschwis­ter iden­ti­fiziert, die alle zwis­chen 1979 und 1986 geboren wurden.

Jacoba Ballard in Unser Vater - Dr. Cline

Jaco­ba Bal­lard war eins der ersten Kinder von Dr. Cline, die sich auf die Suche nach ihrem Vater macht­en. — Bild: Net­flix

Mith­il­fe der Daten­bank von 23andMe erstell­ten die Hal­bgeschwis­ter einen Fam­i­lien­stamm­baum, um so ihren Vater zu find­en. Ein Name kam dabei sehr häu­fig vor: Cline. Schließlich meldete sich eine Frau, deren Cousin Medi­zin in Indi­anapo­lis prak­tizierte. Sein Name: Don­ald Cline.

Nun schien der Fall klar. Bal­lard und ihre Mitstreiter:innen reicht­en schließlich eine Klage ein und war­fen Dr. Cline vor, sein eigenes Sper­ma zur kün­stlichen Befruch­tung genutzt zu haben. Eine Halb­schwest­er von Bal­lard kon­tak­tierte die ehe­lichen Kinder von Dr. Cline über Face­book. Sein Sohn stellte schließlich den Kon­takt zwis­chen den Parteien her und arrang­ierte ein Treffen.

Unser Vater – Dr. Cline: Das erste Treffen mit dem Arzt

Sechs Hal­bgeschwis­ter erschienen an jen­em Tag in einem Restau­rant. Auch Dr. Cline kam – und las seinen Kindern Bibel­verse vor. Später gaben Bal­lard und Co. zu Pro­tokoll, dass sie kein­er­lei väter­liche Wärme von ihrem Erzeuger gespürt hät­ten. Stattdessen stell­ten sie sich die Frage, was ihn zu diesem Schritt getrieben haben könnte.

Die Speku­la­tio­nen reicht­en von der Erschaf­fung ein­er arischen Über­rasse – alle Kinder hat­ten blonde Haare und blaue Augen – bis hin zu einem möglichen Got­tkom­plex. Auch religiöse Motive kön­nten eine Rolle gespielt haben. Bis heute sind die Absicht­en des Medi­zin­ers nicht klar.

Erst 2016 kamen die Vor­würfe gegen Dr. Cline an die Öffentlichkeit. Angela Gan­ote, eine Fernsehre­por­terin, hat­te den Staat­san­walt dies­bezüglich befragt, nach­dem die Hal­bgeschwis­ter ihre Klage offiziell ein­gere­icht hat­ten. Im Sep­tem­ber berichtete sie über den Fall. Die Ermit­tlun­gen und das Gerichtsver­fahren zogen sich über ein Jahr hin. Sehr zum Schock der Opfer wurde Dr. Cline in allen Punk­ten freige­sprochen: Verge­wal­ti­gung, Kör­per­ver­let­zung, straf­bare Täuschung – nichts davon traf laut Gericht in diesem Fall zu.

Angela Ganote in Unser Vater - Dr. Cline

Repor­terin Angela Gan­ote brachte den Fall Dr. Cline an die Öffentlichkeit — Bild: Net­flix

Denn kein Gesetz im Bun­desstaat Indi­ana ver­bi­etet es Medi­zin­ern expliz­it, ihr eigenes Sper­ma für die kün­stliche Befruch­tung einzuset­zen. Dr. Cline wurde lediglich in zwei Fällen wegen Strafvere­it­elung schuldig gesprochen, weil er in Briefen an das Gericht nach­weis­lich gel­o­gen hat­te. Denn darin hat­te er behauptet, nicht sein eigenes Sper­ma genutzt zu haben. Dies ließ sich aber natür­lich mit ein­er ein­fachen DNA-Probe widerlegen.

Nur 500 US-Dollar Strafe schockieren die Opfer

Während des Gericht­sprozess­es wurde die Reli­giosität des Medi­zin­ers immer wieder her­aus­gestellt. Er war ein­er der führen­den Per­sön­lichkeit­en in der lokalen evan­ge­likalen Kirche. Oft zitierte er aus der Bibel, auch in Gesprächen mit Bal­lard und ihren Halbgeschwistern.

Das endgültige Urteil muss den Kläger:innen wie ein Schlag ins Gesicht vorgekom­men sein. Dr. Cline musste let­ztlich 500 US-Dol­lar Strafe zahlen und erhielt eine ein­jährige Haft­strafe auf Bewährung. Zudem ver­lor er seine medi­zinis­che Zulas­sung. Da er aber sowieso seit 2009 in Rente war, tang­ierte ihn diese Maß­nahme wohl nur ger­ing. Staat­san­walt Tim DeLaney zeigte Ver­ständ­nis für die Wut der Opfer nach der Urteilsverkün­dung. Schließlich wirft der Fall einige moralis­che Fra­gen auf. Kann es ein Ver­brechen an den Kindern sein, die zum Tatzeit­punkt noch gar nicht existieren und nur geboren wur­den, weil er es so wollte?

Unser Vater – Dr. Cline: Wie geht es den Beteiligten heute?

Für die Hal­bgeschwis­ter haben die Machen­schaften des Dr. Cline jeden­falls noch heute mas­sive Auswirkun­gen. Denn viele sein­er „Kinder“ leben heute noch in Indi­anapo­lis in einem 25-Meilen-Radius. Über 50 Nachkom­men wur­den bish­er iden­ti­fiziert. Gut möglich aber, dass noch mehr in Indi­anapo­lis oder ander­swo leben. In der Net­flix-Doku äußern die Hal­bgeschwis­ter ihre Sor­gen, dass vielle­icht ein guter Fre­und oder sog­ar der Lebenspart­ner ein unerkan­nter Brud­er oder eine unerkan­nte Schwest­er sein kön­nte. Mit diesem Schick­sal wer­den die Betrof­fe­nen bis ans Ende ihres Lebens klarkom­men müssen.

Szene aus Unser Vater - Dr. Cline

Ein Fam­i­lien­fo­to der anderen Art: Dr. Cline zeugte über 50 Kinder — Bild: Net­flix

Dr. Don­ald Cline ist inzwis­chen über 80 Jahre alt und lebt an einem unbekan­nten Ort. Kein Wun­der, denn der Hass auf ihn dürfte unglaublich groß sein.

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