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Arrival erklärt: Was bedeutet der Science Fiction-Film?
Der erste Kontakt mit Außerirdischen, eine Alien-Sprache, die die Grenzen von Raum und Zeit sprengt, und drei Zeitebenen in einem Film - wir nehmen uns die Handlung von Denis Villeneuves Science Fiction-Meisterwerk Arrival vor und liefern euch die Erklärung des Films, der ab sofort auch auf Netflix verfügbar ist.
In Arrival mit Amy Adams aus dem Jahr 2016 steckt viel drin - vor allem zwischen den Drehbuch-Zeilen! Wir nehmen den philosophischen Science Fiction-Film für euch unter die Lupe.
An dieser Stelle obligatorisch: Es wird SPOILER geben, anders kriegen wir diese Nuss nicht geknackt!
Die Ankunft der Aliens
Außerirdische besuchen die Menschheit: Zwölf Raumschiffe landen an zwölf verschiedenen Punkten über den ganzen Erdball verteilt. Alle wollen wissen, warum die Aliens zur Erde gekommen sind und was sie wollen - doch niemand spricht die Sprache der Besucher. Da schickt die US-Regierung die renommierte Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams) los. Ihre Mission: Sie soll die Sprache der Gäste erlernen, um so eine Kommunikation möglich zu machen.
Das Kommunikationsproblem
Womöglich hast du schon mal einen anderen Film über die Landung von Aliens gesehen. Oft verfügen die außerirdischen Besucher in Filmen über einen universalen Übersetzungsapparat. Oder sie sprechen gleich - noch unlogischer! - Englisch bzw. Deutsch.
Doch in Denis Villeneuves Arrival wird großer Wert auf Realismus gelegt: Die Menschen verstehen die Sprache der Außerirdischen nicht, nicht einmal annähernd - wie sollten sie auch? Und gleichzeitig wünschen sich alle nichts sehnlicher, als mit den unverhofften Gästen reden zu können.
Das Lernen der Alien-Sprache
Sprachwissenschaftler entpuppten sich bereits als echte Arrival-Fans, da im Film absolut glaubhaft und wissenschaftlich korrekt gezeigt wird, wie Linguisten von Grund auf eine Sprache erlernen. Auch auf der Erde kommen Fälle wie in Arrival vor, etwa, wenn Forscher in einem abgelegenen Winkel der Welt auf Ureinwohner treffen. Dann versuchen die Sprachwissenschaftler, erst mal einen Grundwortschatz zu etablieren - erste gemeinsame Worte, deren Bedeutung man sicher kennt.
So geht auch Louise vor und siehe da: Die Methode der schlauen Linguistin funktioniert! Die Aliens, die in Arrival aussehen wie Tintenfische, sieben Beine haben und daher den Namen Heptapoden (Siebenfüßler) tragen, antworten ihrerseits mit kreisrunden Symbolen. Das ist die (Schrift-)Sprache der Aliens!
Das Ziel dabei ist eine komplexe Kommunikation. Ultimativ sollen die Fragen „Warum seid ihr hier? Was wollt ihr?” gestellt werden – und die Antwort muss danach auch vor allem richtig interpretiert werden.
Nach Arrival drehte Regisseur Denis Villeneuve übrigens Blade Runner 2049.
Nicht-lineare Zeitwahrnehmung durch Heptapodisch
Doch als Louise Heptapodisch scheinbar besser und besser zu beherrschen beginnt, haut Arrival seine Zuschauer mit einem Twist und einer Symbolik um, die The Sixth Sense, Netflix’ Sci-Fi-Horrorfilm Auslöschung oder Darren Aronofskys mother! sehr nahe kommen.
Als Louise das Alien-Raumschiff verlässt, hat sie plötzlich eine Vision von ihrer eigenen ungeborenen Tochter. Louise kann in die Zukunft sehen - weil sie jetzt die Alien-Sprache Heptapodisch spricht - und das ändert alles!
Wir Menschen haben schon rein körperlich bedingt eine Vorder- und eine Hinterseite. So sind auch unsere Sätze aufgebaut: Sie verlaufen von links nach rechts. Und so gestaltet sich auch unser Konzept von Zeit: Für uns läuft sie immer vorwärts (oder von links nach rechts). Menschen sind lineare Wesen.
Die Aliens aus Arrival sind aber kreisrund. Ihre Körper haben keine Vorder- oder Rückseite, ihre Körper sind kreisrund beziehungsweise heptapodisch. Ihre Sätze sind ebenso wenig linear wie ihre Körper. Informationen vom Ende des Satzes sind schon am Anfang bekannt. Für die Aliens existieren deshalb auch Gegenwart und Zukunft auf derselben Zeitebene. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind aus ihrer Sicht eins. Sie können in die Zukunft sehen.
Louise beginnt die Zukunft zu sehen
Wer die Sprache der Aliens erlernt, beginnt, die Zeit so wie die Außerirdischen wahrzunehmen. So beginnt Louise, ihre eigene Zukunft und ihre noch ungeborene Tochter Hannah zu sehen.
Ian, der von Jeremy Renner gespielte Physiker, liefert in Arrival sogar einen Erklärungsansatz: „Ich habe etwas gelesen über diese Theorie, dass, wenn man in eine fremde Sprache eintaucht, sich das Gehirn neu vernetzt.“
Die 3 verschiedene Zeitebenen von Arrival
Verwirrt? Kein Problem, wir lösen auf: In Arrival gibt es drei verschiedene Zeitebenen:
- Die Gegenwart: Die Heptapoden-Aliens landen auf der Erde.
- Die Zukunft: Louise sieht das Leben ihrer ungeborenen Tochter (siehe Kapitel: Die Tochter aus der Zukunft).
- Die Zukunft in 18 Monaten: General Shang gibt Louise seine Telefonnummer (siehe Kapitel: Die Telefonnummer aus der Zukunft).
Das Ende erklärt
Als Louise endlich Heptapodisch spricht, kann sie - gegen Ende von Arrival - dem Heptapoden auch die langersehnte Frage stellen: „Warum seid ihr hier?“ Das Alien antwortet in seiner kreisrunden, nicht-linearen Sprache:
Besucher Freunde Heptapoden bieten an geben schenken Technologie Apparat Methode Menschheit Mann Frau.
Die Aliens haben ein Geschenk, das der Menschheit hilft. Der Heptapode fährt fort: „Wir helfen Menschheit. In 3000 Jahren wir brauchen Hilfe Menschheit.“
Aber was genau ist das Geschenk? Hierin liegt eine besondere Ironie der Geschichte von Arrival: Die ganze Zeit über machen es sich die Menschen zum Ziel, die Sprache der Aliens zu lernen, um sie nach ihren Absichten und Beweggründen zu fragen, warum sie zur Erde reisten. Die Aliens sind aber zur Erde gekommen, um den Menschen ihre Sprache beizubringen. Und durch ihre Sprache kann man in die Zukunft sehen. Das Geschenk ist die Sprache an sich.
Die Tochter aus der Zukunft
Daneben gibt es noch die Zeitebene mit Hannah, der Tochter von Sprachwissenschaftlerin Louise. Die erlebt das gesamte Leben ihrer Tochter durch ihre neu gewonnene Fähigkeit, die geradezu magische Sprache Heptapodisch sprechen zu können. Louise versteht das zunächst selbst nicht. Sie fragt sogar den Heptapoden: „Wer ist dieses Kind?“
Durch diesen Kniff illustrieren die Filmemacher am Beispiel von Louise, wie es sich anfühlen muss, Heptapodisch zu beherrschen und Zeit so wahrzunehmen, wie die Außerirdischen.
So weiß Louise auch, dass ihre Tochter als Teenager an Krebs sterben wird. Trotzdem entscheidet sie sich dafür, das Kind zur Welt zu bringen. Für sie zählen die schönen Momente mehr als das tragische Ende.
Die Filmemacher um Denis Villeneuve und Drehbuchautor Eric Heisserer führen die Zuschauer mit dieser Story auch in die Irre: Am Anfang von Arrival präsentieren sie dem Zuschauer Hannahs komplettes Leben im Zeitraffer. Danach wirkt Louise depressiv und bewohnt alleine ein großes leeres Haus. Der Zuschauer vermutet, dass die Sprachwissenschaftlerin im gemeinsamen Zuhause um ihre jung verstorbene Tochter trauert. Doch die ersten Szenen von Arrival finden tatsächlich erst lange nach der Landung der Aliens statt…
Außerdem ist in den Visionen vom Leben der Tochter niemals Vater Ian (Jeremy Renner) zu sehen. Erst in der allerletzten Vision taucht er auf - eine weitere falsche Fährte der Filmemacher.
Telefonnummer aus der Zukunft
Im Finale von Arrival kann Louise zudem einen Angriff der Chinesen auf das in China gelandete Alien-Raumschiff im letzten Moment abwenden. Sie erlebt abermals eine Vision: 18 Monate in der Zukunft unterhält sie sich mit dem chinesischen General Shang (Tzi Ma). Er gibt ihr seine private Telefonnummer, sie ruft ihn in der Gegenwart an und klärt ihn über die friedlichen Absichten der Besucher auf, die Louise gerade erst selbst erfahren hat.
Dabei handelt es sich um einen kausalen Loop: Eine Information aus der Zukunft verändert die Gegenwart - ein klassisches Zeitreise-Paradox! Dieses besonders faszinierende sci-fysche Handlungselement findet sich übrigens auch in zahlreichen anderen Zeitreise-Filmen.
Symbole in Arrival
Aufmerksame Zuschauer haben einige visuelle Details in Arrival genauer unter die Lupe genommen und daraus Schlussfolgerungen gezogen.
2001: Odyssee im Weltraum
Die kompakte Form der Alien-Raumschiffe mit ihrer glatten schwarzen Oberfläche ruft Erinnerungen an den schwarzen Monolithen aus Stanley Kubricks Sci Fi-Meisterwerk 2001: Odyssee im Weltraum wach (wie im Übrigen vieles in Arrival in Hinsicht auf Komplexität und Kryptik an 2001 erinnert.)
Nur hilft dieser Vergleich wenig dabei, Arrival richtig zu interpretieren. Ganz unzutreffend ist er jedoch nicht, stehen doch sowohl der Monolith in 2001 wie auch die Alien-Raumschiffe in Arrival statt für eine Antwort eher für eine Frage, die sich der Menschheit durch die bloße Tatsache der Existenz von Aliens stellt: Was wollen sie? Warum sind sie hier? Woher kommen sie?
2001 kam übrigens ziemlich genau vor 50 Jahren (1968) ins Kino, und erlebt gerade in ausgewählten Lichtspielhäusern ein Revival. Ganz nach dem Motto: 50 Jahre 2001: Odyssee im Weltraum – Ein Klassiker im Kino.
2001: Odyssee im Weltraum ist bei Maxdome verfügbar (Link zur Anzeige).
Der Name Hannah – ein Palindrom
Die Tochter aus der Zukunft heißt Hannah. Dieser Name ist ein Palindrom: Man kann ihn vorwärts wie rückwärts lesen. Im US-Filmmagazin Screen Rant vermutet Jared Canfield diesbezüglich, dass es sogar die Struktur von Arrival erklärt. Der Film ist nicht linear. Gegenwart und Zukunft sind eins in Arrival. Ganz nebenbei: Arrival kam in den USA übrigens am 11.11. ins Kino - ein weiteres Palindrom.
Uroboros: Die Schlange der Unendlichkeit
Uroboros ist das mystisch-alchemistische Symbol für die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. Es steht für Unendlichkeit und ewige Wiederkehr. Das Symbol stammt aus dem alten Ägypten.
Und Heptapodisch, die geschriebene Sprache der Besucher in Arrival, sieht aus wie Uroboros - welch passende Form für eine Sprache, durch deren Kenntnis man die Einschränkung der Zeit transzendiert!
Arrival Teil 2? - Was passiert in 3000 Jahren?
Auch mit all den hier gelieferten Infos und Details werden einige Arrival-Zuschauer wohl immer noch unbefriedigt bleiben. Kein Wunder, denn wer will nicht wissen, was in 3000 Jahren passiert? Die Antwort darauf wird in Arrival allerdings nicht gegeben. Die Raumschiffe der Aliens verschwinden am Ende des Films wieder. Der Film führt uns nicht mehr 3000 Jahre weit in die Zukunft.
Womöglich könnte es einen zweiten Teil geben um darin die Zukunft in 3000 Jahren zu zeigen. Derzeit sind jedoch keine diesbezüglichen Pläne bekannt und auch keiner der Beteiligten äußerte sich bisher zu diesem Thema.
Dabei übersieht man jedoch leicht, dass ja doch etwas am Ende von Arrival zurückbleibt: Heptapodisch. Die Sprache, die einem geradezu magische Fähigkeiten verleiht. Außerdem sind alle Völker und Regierungen der Welt am Ende vereint, arbeiten zusammen und tauschen Informationen aus. Das sind die Geschenke der Aliens. Die Menschheit ist nun auf einem höheren Entwicklungsstand als vorher - und dadurch wird sie in 3000 Jahren ihrerseits in der Lage sein, den Heptapoden, diesen freundlichen Besuchern, zu helfen…
Wer übrigens noch tiefer in den Arrival-Kosmos eintauchen möchte, dem sei die Kurzgeschichte Story of Your Life von Ted Chiang aus dem Jahr 1998 ans Herz gelegt, denn auf ihr basiert Arrival. Regisseur Denis Villeneuve arbeitet derzeit übrigens an einer Neuverfilmung des klassischen Science Fiction-Romans Dune. Villeneuves neuester Sci Fi-Film soll 2020 ins Kino kommen.
Wenn dir Arrival gefallen hat, solltest du dir unbedingt die realistische Science Fiction von The Expanse anschauen und auch einen Blick auf Altered Carbon riskieren. Außerdem empfehlen wir unsere Würdigung des Kameramanns Roger Deakins, der Blade Runner 2049 so viel schöner gedreht hat.
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