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Antebellum: Die Erklärung zum Rassismus-Thriller
Ab dem 1. September läuft der hochspannende Film „Antebellum” auf Netflix. Der Mix aus Sklavendrama und Psychothriller überzeugt mit einer mitreißenden Geschichte im Stile von „Get Out”. Wir erklären Dir die zwei verschiedenen Zeitebenen, die Symbolik und was der große Twist des Films zu bedeuten hat.
Auch Antebellum musste sich 2020 der Corona-Pandemie geschlagen geben und lief dementsprechend nicht wie geplant im Kino. Umso besser, dass sich nun auch Netflix den Film vom Regie-Duo Gerard Bush und Christopher Renz geschnappt hat und ab dem 1. September zum Streamen zur Verfügung stellt. Für den nervenaufreibenden Thriller standen unter anderem Janelle Monáe („Moonlight”), Jena Malone („Into the Wild”), Jack Huston („The Irishman”) und Gabourey Sidibe („Precious – Das Leben ist kostbar”) vor der Kamera.
Antebellum entpuppt sich als clever konstruiertes Werk, das mit seinem großen Geheimnis lange hinterm Berg hält, dann aber mit umso größerer Wucht zuschlägt. Die auf zwei Zeitebenen erzählte Geschichte kommt zwar überraschend schnörkellos daher, lässt bei Dir vielleicht aber dennoch ein paar Fragen offen. Falls das der Fall sein sollte, findest Du in diesem Artikel die Antworten.
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Die Handlung von Antebellum: Ein Sprung zwischen den Welten
Wie bereits erwähnt, erzählt Antebellum zwei Geschichten auf unterschiedlichen Zeitebenen, die dennoch eng miteinander verknüpft sind:
Im ersten Handlungsstrang geht es um die Sklavin Eden (Janelle Monáe), die auf einer Baumwollplantage in Louisiana gefangen gehalten wird. Tagsüber muss sie – unter strenger Aufsicht des sadistischen Captain Jasper (Jack Huston) – auf den Feldern schuften. Nachts wird sie vom General und Plantagenbesitzer (Eric Lange) misshandelt und vergewaltigt.
Auch ihre Leidengenoss:innen Eli (Tongayi Chirisa) und Julia (Kiersey Clemons) sind tagtäglich Erniedrigungen ausgesetzt. Wer ungefragt spricht, wird bestraft. Selbst vor kaltblütigem Mord schrecken die skrupellosen Sklavenhalter nicht zurück. Das Martyrium für Eden und ihre Schicksalsgefährt:innen scheint kein Ende nehmen zu wollen. Doch Eden plant bereits ihre Flucht…
Zeitsprung: Die intelligente Soziologin und Bestsellerautorin Veronica Henley (ebenfalls Janelle Monáe) führt ein Bilderbuchleben. Sie ist glücklich mit Ehemann Nick (Marque Richardson) und Tochter Kennedi (London Boyce), beruflich sehr erfolgreich und hat loyale Freundinnen wie Dawn (Gabourey Sidibe). Dennoch sieht sie sich als Schwarze Frau immer wieder mit doppelter Diskriminierung konfrontiert, weshalb sie als prominente Autorin öffentlich für gesellschaftliche Inklusion ihrer Minderheit eintritt.
Dafür erhält sie jedoch nicht nur positive Resonanz, sondern erregt auch die Aufmerksamkeit der dubiosen Geschäftsfrau Elizabeth (Jena Malone). In welcher Gefahr Veronica tatsächlich schwebt, bemerkt sie allerdings erst, als sie sich allein auf eine Geschäftsreise begibt.
Achtung, hier folgen Spoiler zum Film!
Parallelwelt, Visionen oder Zeitreise? Das hat es mit den zwei Zeitebenen in Antebellum auf sich
Antebellum widmet sich im ersten Drittel des Films ausschließlich Sklavin Eden und ihrem leidvollen Leben, nur um plötzlich in die scheinbare Zukunft zu springen und Autorin Veronica Henley in den Mittelpunkt der Handlung zu rücken.
Bis auf die Tatsache, dass beide Charaktere von Schauspielerin Janelle Monáe verkörpert und auf unterschiedliche Weise mit Rassismus konfrontiert werden, bleibt lange Zeit ungewiss, wie genau die beiden Handlungsstränge miteinander verknüpft sind. Sind die Plantagenszenen Visionen Veronicas von einem früheren Leben? Oder ist sie durch die Zeit gereist und kann sich nicht mehr daran erinnern? Handelt es sich vielleicht sogar um ein Paralleluniversum?
Schon der Trailer zu Antebellum suggeriert derartige Erklärungen und agiert daher sozusagen als unzuverlässiger Erzähler. Im Film selbst greifen die Regisseure Bush und Renz jedoch nicht auf diese bewusst manipulativen Irreführungen zurück, sondern lassen die beiden Erzählstränge stattdessen für sich stehen. Zuschauer:innen werden so bis zur großen Enthüllung ihren eigenen Interpretationen überlassen.
Nach etwa einer Stunde Laufzeit ist jedoch klar, dass es sich bei Veronica und Eden um ein und dieselbe Person handelt. Doch die größte Überraschung ist eine ganz andere: Die zwei Zeitebenen sind tatsächlich beide in der Gegenwart angesiedelt und liegen nur ein paar Wochen auseinander.
Und nicht nur das: Die scheinbare Sklaven-Vergangenheit auf der Plantage in Louisiana findet chronologisch sogar nach der vermeintlichen Gegenwart Veronicas statt. Daran sind jedoch keineswegs übernatürliche Vorkommnisse schuld. Die Gründe dafür sind allein irdischen Ursprungs.
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Der Antebellum-Twist erklärt: So sind Eden und Veronica miteinander verbunden
Wie sich im letzten Drittel des Films herausstellt, befand sich Veronica also niemals in der Bürgerkriegszeit des 19. Jahrhunderts, sondern die ganze Zeit in der Gegenwart. Sie wurde von Elizabeth sowie deren Mann Jasper entführt und auf die Plantage nach Louisiana verschleppt.
Diese befindet sich innerhalb eines Bürgerkrieg-Erlebnisparks, in dem Zivilisten die damaligen Schlachten zwischen den amerikanischen Nord- und Südstaaten nachstellen – eine in den USA beliebte Methode, Geschichte zu rekonstruieren. Der Park im Film trägt den Namen Antebellum und ist Eigentum von Senator Blake Denton.
Der gewissenlose Politiker ist der Anführer einer Gruppe von Menschen, die innerhalb der Parkanlage die 1860er-Jahre wieder aufleben lassen und Schwarze Menschen zu rechtlosen Sklaven degradieren. Denton selbst übernimmt innerhalb dieses perversen Rollenspiels den Part des Konföderierten-Generals und Oberbefehlshabers, der Veronica als seine persönliche Sklavin hält und ihr den Namen Eden gibt.
Elizabeth und Jasper gehören demnach zu seinen Gefolgsleuten, die in ihren historischen Rollen ihrer rassistischen Gesinnung freien Lauf lassen können. Erstere entpuppt sich am Ende gar als Tochter Dentons, die höchstpersönlich für die Auswahl der „Sklav:innen” zuständig ist. Lediglich Veronica wurde speziell von Denton ausgesucht, da sie ihm mit ihren medial wirksamen Plädoyers für Gleichberechtigung ein Dorn im Auge war.
Der Handlungsstrang mit Veronica zeigt also ihr Leben vor ihrer Entführung, während die „Eden-Storyline” ihre Erlebnisse danach schildert. Sie selbst weiß zwar nicht genau, wo sie gelandet ist, dennoch ist ihr jederzeit bewusst – ganz im Gegensatz zum Zuschauer – dass sie sich in der heutigen Zeit und normalen Realität befindet. Wie lange sie schon gefangen gehalten wird, lässt sich hingegen nicht mit Gewissheit sagen. Der Film suggeriert jedoch, dass es sich vermutlich um ein paar Wochen handelt.
Mit seinem Twist, dass das Geschehen auf der Plantage nichts weiter als ein tödliches Schauspiel ist, weckt Antebellum auf jeden Fall Erinnerungen an M. Night Shyamalans Mystery-Thriller „The Village” von 2004, der mit einer ähnlichen Auflösung aufwartet.
Das Ende von Antebellum: Was hat das Flugzeug zu bedeuten?
Nachdem Veronica Blake Denton, Elizabeth und Jasper auf ihrer Flucht getötet hat, reitet sie durch ein Feld im Antebellum-Park, auf dem gerade eine Schlacht inszeniert wird. Da dort ein Bereich beginnt, in dem die Menschen nichts von der heimlichen Sklaverei wissen, brechen Veronicas Verfolger die Jagd auf sie hier ab.
Der Film endet mit einem Kameraschwenk von ihrem Gesicht nach oben und zeigt ein vorbeifliegendes Flugzeug. Diese Szene nimmt Bezug auf einen Satz in der Mitte von Antebellum, mit dem Veronica auf ein selbst gemaltes Bild ihrer Tochter reagiert:
Wenn du in den Himmel guckst und dieses große Flugzeug siehst, dann weißt du, das ist Mami, die zu dir nach Hause kommt.
Das Flugzeug dient als Metapher für Veronicas erfolgreiche Flucht. Sie ist endlich in Freiheit und ihr Leidensweg ist damit zu Ende. Mami kommt nach Hause.
Die Symbolik in Antebellum: Das Schmetterlingsmotiv und andere versteckte Hinweise
Das Flugzeug ist jedoch nicht die einzige Metapher, von der Gerard Bush und Christopher Renz in ihrem Film Gebrauch machen. Allein das Schmetterlingssymbol – auch auf den Filmpostern prominent platziert – nimmt eine große Bedeutung in Antebellum ein und taucht wiederholt in dem Thriller auf: als Desktop-Hintergrund von Veronicas Laptop, auf dem Cover ihres Buchs sowie als Tattoo auf dem Knöchel von Julia.
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Der Schmetterling steht allgemein für Veränderung und Metamorphose, aber auch für Freiheit. Die Macher weisen damit auf Veronicas persönlichen Kampf für einen Wandel in der Gesellschaft hin, was Rassismus und Stigmatisierung betrifft. Sie glaubt fest daran, dass Freiheit nur durch eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu erreichen ist.
Ihre Erlebnisse auf der Baumwollplantage zeigen jedoch, dass der Weg zu einer endgültigen Transformation der USA noch sehr lang ist. Um bei dieser Metapher zu bleiben: Die Nation braucht Menschen wie Veronica, um zu etwas Schönem wie einem Schmetterling zu werden.
Auch sonst verteilen Bush und Renz immer wieder kleine Metaphern in Antebellum, die als mehr oder weniger direkte Hinweise auf die Handlung dienen. So könnten besonders aufmerksame Zuschauer:innen dem großen Twist bereits zuvor auf die Spur kommen.
Beispielsweise wohnt Veronica während ihrer Geschäftsreise in der Jefferson Suite des Hotels. Thomas Jefferson, der dritte US-Präsident, hielt bekanntlich mehrere Sklaven. Dazu kommen der mit Baumwolle gespickte Blumenstrauß, der Veronica anonym geschickt wird, sowie mehrere im Hotel hängende Gemälde, die das Herrenhaus auf der Fake-Plantage abbilden.
All diese Details deuten bereits darauf hin, welches Schicksal Veronica bald erleiden wird. Der offensichtlichste Wink ist schließlich das Wahlplakat von Senator Blake Denton, das zwar nur kurz in einer Szene auftaucht, aber ziemlich deutlich den grausamen General zeigt.
Wer diese Puzzleteile clever zusammensetzt, kann sich vielleicht schon vorher denken, welch perfides Spiel mit Veronica gespielt wird.
Beruht Antebellum auf einer wahren Geschichte?
Diese Frage kann zum Glück verneint werden. Die Idee zum Film stammt von den Regisseuren Gerard Bush und Christopher Renz, die auch gemeinsam das Drehbuch für Antebellum schrieben. Als Inspiration diente ein sehr lebhafter Albtraum Bushs, in dem die beiden schließlich das Potenzial für einen Thriller erkannten.
Nichtsdestotrotz hat ihr Film durchaus einen Bezug zur Realität. Sie prangern darin direkt den weiterhin vorherrschenden Rassismus in den USA an und zeigen, dass sich im Vergleich zu vor 150 Jahren in puncto Gleichberechtigung und Inklusion immer noch nicht genug geändert hat. Passend dazu beginnt Antebellum mit dem William Faulkner-Zitat:
Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen.
So wirkt die im Film gezeigte Neubelebung der Sklaverei zwar grausam und erschreckend, in Anbetracht der jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen innerhalb des Landes aber alles andere als an den Haaren herbeigezogen. Ähnlich wie es Jordan Peele mit seinen Filmen Get Out und „Wir” schon getan hat, sprechen Bush und Renz das Rassismusproblem direkt an und verpacken es auf clevere Weise in einem Thriller-Format.
Kaum treffender könnte da der gewählte Titel sein. Antebellum ist nämlich nicht nur der Name des Erlebnisparks im Film, sondern bedeutet im Lateinischen „Vor dem Krieg”. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass auch über 150 Jahre nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs der Freiheitskampf für die Schwarze Bevölkerung der USA weiterhin andauert und wahrscheinlich noch lange Zeit andauern wird.
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