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Unhinged – Außer Kontrolle (2020) in der featured-Filmkritik: Die Geschichte eines richtig schlechten Tags
Drückst Du im Straßenverkehr auch gerne mal auf die Hupe? Was passiert, wenn man den falschen Verkehrsteilnehmer reizt, zeigt Russell Crowe exzellent in einem unkomplizierten Thriller. Warum das trotz Logikfallen gut funktioniert, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu „Unhinged – Außer Kontrolle“.
Regisseur Derrick Borte und Drehbuchautor Carl Ellsworth sind zwar keine Underdogs, aber so richtige Knaller finden sich auch nicht in der Vita. Eher viel TV und Nischenproduktionen wie „Disturbia“. Umso mehr sticht „Unhinged – Außer Kontrolle“ ob seiner unkomplizierten Art der Momentaufnahme heraus: Ein Mann rastet aus. Mehr nicht. Funktioniert auf der Leinwand erstaunlich gut.
Falsch abgebogen: So beginnt der Amoklauf
Rachel (Caren Pistorius) ist frisch geschieden, lässt ihren Bruder plus Verlobten bei sich wohnen, kommt zu oft zu spät und kümmert sich liebevoll um ihren Sohn Kyle (Gabriel Bateman). Als sie eines Tages ihren Sohn in die Schule bringt, kommt alles zusammen: ein Anruf vom Ex, Stau auf dem Freeway und ihre wichtigste Kundin springt ab. Als der Pick-up-Truck vor ihr trotz grüner Ampel nicht fährt, hupt sie kräftig und überholt.
Ein Fehler. Der Autofahrer (Russell Crowe) folgt ihr, hat eine sichtlich kurze Zündschnur und schwört, ihr zu zeigen, was ein „wirklich schlechter Tag“ ist. Er hält Wort und hinterlässt auf seiner Spur eine Menge Blut.
Caren Pistorius versus Russell Crowe: David gegen Goliath
Wer Russell Crowe womöglich noch als „Gladiator“ (2000) kennt, ist zweifelsfrei überrascht, wenn er ihn, in dem verschwitzten, aufgedunsenen namenlosen Mann wiedererkennt. Schon zu Beginn des Films hievt er seine Wampe behäbig aus dem Auto. Und wer sich fragt: Ja, das ist ein Fatsuit, den Crowe für diese Rolle trägt. Da steht dann auch die Überlegung im Raum, ob es tatsächlich nötig war, ihm den zu verpassen. Russell Crowe füllt die Rolle auch so ganz gut aus. Als dauerschwitzender Psychopath macht er sich gut. Seine Performance erinnert in Auszügen an seinen „John Brennan“, den rachesuchenden Ehemann aus „72 Stunden – The Next Three Days“. In „Unhinged“ sind es mal die lauernden Blicke, mal Dialoge, in denen der Hass gefühlt aus jeder Pore trieft.
Caren Pistorius’ Rachel muss man einfach gernhaben. Das liegt allerdings nur bedingt an dem Drehbuch, das der Figur eigentlich zu wenig Tiefe gibt. Ein Beispiel: Nicht nur die vorliegende Kritik bleibt dem Leser die Antwort schuldig, was für eine Art Kundin Rachel zu Beginn des Films eigentlich verliert. Das Stichwort „verlorener Salon“ lässt auf Haare, Make-up oder dergleichen schließen. Nein, es ist Pistorius’ Performance, die ihre Rolle veredelt und Charakter einhaucht. Ein verschmitztes Lächeln im Gespräch mit dem Sohn oder ein unaufdringlich genervter Blick im Straßenverkehr – alles wirkt organisch, natürlich und nicht erzwungen. Gerne mehr.
Unhinged: Logiklöcher muss man umfahren
Carl Ellsworths Drehbuch macht nicht viel Hickhack. Der Film beginnt mit einer Montage aus reißerischen News, die eines klarmachen sollen: US-Bürger werden immer gewalttätiger und Verkehrsteilnehmer immer rücksichtsloser. Folgerichtig wirkt fortan jedes Auto bedrohlich.
In der Fachsprache gibt es den Terminus „Suspension of Disbelief“. Dieser beschreibt das willentliche Aussetzen der Ungläubigkeit auf Seiten des Publikums. Oder anders: Zum Zwecke der Unterhaltung, sieht das Publikum über gewisse Ungereimtheiten hinweg. Darauf vertraut Ellsworth stark. Spätestens wenn Rachel am Telefon von der Polizei vertröstet wird – man hätte gerade keine Kapazität – oder wenn Smartphones ohne Sicherheitssperre entriegelt werden, kann man mal eine Augenbraue lupfen. Solche Momente gibt es in „Unhinged – Außer Kontrolle“ einige. Sie tun dem Film im eigentlichen Sinne nicht weh. Harte Logik-Fans werden womöglich trotzdem ab und an stolpern. An Fahrt verliert der Film trotzdem nicht.
Unhinged: Alles unter Kontrolle
„Unhinged – Außer Kontrolle“ ist eine Thriller-Momentaufnahme eines wirklich schlechten Tags. Das unterhält wunderbar für neunzig Minuten. Und wie bei „Der weiße Hai“, ist es am Ende gar nicht so wichtig, welche Motivation das Monster nun hat, seine Opfer zu töten. Viel interessanter ist es zu sehen, wie seine Opfer reagieren. Und an dieser Stelle ist Caren Pistorius Gold wert. Ihre Reaktionen wirken ehrlich und sind sicherlich ein Pro-Argument, um ein Ticket für diesen Film zu kaufen.
Wem die Hintergrundgeschichte von Figuren wichtig ist, wird bei „Unhinged“ vielleicht etwas enttäuscht zurückgelassen. Aber letztendlich soll der Film auch keine Charakterstudie sein, sondern ein Thriller über einen mörderischen Stalker. Und diese Funktion erfüllt der Film äußerst überzeugend. Ein featured-Filmtipp.
Unhinged – Außer Kontrolle
Originaltitel: | Unhinged |
Genre: | Thriller |
Bundesstart: | 16.07.2020 (Kino) |
Laufzeit: | 90 Minuten |
FSK: | Ab 16 Jahren |
Regie: | Derrick Borte |
Drehbuch: | Carl Ellsworth |
Welcher ist Dein liebster Film mit Russell Crowe? Wir freuen uns auf Deine Filmtipps in den Kommentaren. Und wenn es „Gladiator“ war, dann haben wir gute Nachrichten für Dich: „Alles über das kommende Sequel Gladiator 2“.