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The Zone of Interest: Das ist die wahre Geschichte hinter dem Oscar-prämierten Film
Der Klang des Grauens: Im Mittelpunkt von „The Zone of Interest” stehen Rudolf und Hedwig Höß, die 1943 in einem Haus mit großem Garten direkt neben dem Konzentrationslager Auschwitz wohnen. Der Film zeigt mitunter fiktive Szenen und Dialoge. Er basiert aber auf überlieferten Quellen – zum Beispiel den Aufzeichnungen des Lagerkommandanten Rudolf Höß. Das ist die wahre Geschichte hinter The Zone of Interest.
The Zone of Interest: Die wahre Geschichte von Rudolf und Hedwig Höß
Rudolf Höß (in The Zone of Interest von Christian Friedel porträtiert) wurde 1901 in Baden-Baden geboren, verbrachte seine Kindheit in Mannheim und schloss dort auch die Schule ab. In den 1920er-Jahren arbeitete er in landwirtschaftlichen Betrieben in Schlesien und Mecklenburg. Während dieser Zeit kam er mit der nationalsozialistischen Idee in Berührung. Außerdem lernte er den späteren NS-Reichsminister Martin Bormann kennen.
1923 war Rudolf Höß auf einem Gut bei Parchim beschäftigt, als er und mehrere Mitstreiter den deutschen Volksschullehrer Walter Kadow entführten, misshandelten und schließlich umbrachten.
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Am 15. März 1924 verurteilte das Gericht Rudolf Höß wegen schwerer Körperverletzung und Totschlag zu zehn Jahren Haft. Er kam aber im Jahr 1928 aufgrund der sogenannten Koch-Amnestie wieder frei.
Am 17. August 1929 heiratete Rudolf Höß dann die damals 21-jährige Hedwig Hensel (gespielt von Sandra Hüller), die er vom Bund der Artamanen kannte – einem völkisch-antisemitischen Siedlungsbund. Gemeinsam hatte das Paar im Laufe der Jahre fünf Kinder: Klaus, Heidetraud, Ingebrigitt, Hans-Jürgen und Annegret.
Ab 1938 arbeitete Rudolf Höß zunächst als Adjutant des Lagerkommandanten im KZ Sachsenhausen. Dort war er im März 1940 auch für die Ermordung der Brüder Sass (zweier bekannter Berliner Einbrecher) verantwortlich. Wenig später folgte seine Versetzung nach Auschwitz.
Im Juni 1941 bekam Rudolf Höß von SS-Chef Heinrich Himmler den Auftrag, die „Endlösung der Judenfrage” zu organisieren und auszuführen. Mit dem Jahreswechsel 1941/1942 begann die Ermordung der Juden und Jüdinnen in Auschwitz.
Etwa dreieinhalb Jahre lang beaufsichtigte Rudolf Höß die Massenmorde in den Gaskammern, die mehr als 1,1 Millionen Menschen das Leben kostete. Darunter waren nicht nur Juden und Jüdinnen, sondern auch Angehörige der Roma und Sinti sowie politische Häftlinge. Am Ende eines jeden Tages begab sich der Lagerkommandant zurück in die Familienvilla, die gerade einmal 150 Meter vom Schornstein des Krematoriums entfernt stand.
Ende 1943 wurde Rudolf Höß nach Berlin versetzt. Im Mai 1944 kehrte er jedoch nach Auschwitz zurück, um den Transport und Massenmord an etwa 440.000 ungarischen Juden und Jüdinnen zu organisieren. Anschließend verließ er Auschwitz wieder und war im KZ Ravensbrück tätig. In dessen unmittelbarer Nähe lebte ab Ende 1944 auch seine Familie.
Das Gerichtsverfahren gegen Rudolf Höß
Nach dem Kriegsende im Mai 1945 gelang Rudolf Höß zunächst die Flucht nach Schleswig-Holstein. Er nahm eine neue Identität an und tauchte mithilfe seines Schwagers auf einem Bauernhof nahe Flensburg unter. Dort wurde Rudolf Höß, mittlerweile einer der meistgesuchten Kriegsverbrecher, von britischen Fahndern am 11. März 1946 festgenommen.
Nach seiner Festnahme machte er detaillierte Angaben zur Massenvernichtung in Auschwitz. Er nahm auch am Nürnberger Prozess teil – als Zeuge der Verteidigung von SS- und Polizeiführer Ernst Kaltenbrunner. Anschließend lieferten die US-Behörden Rudolf Höß an Polen aus, wo ihm zwischen dem 11. und 29. März 1947 der Prozess gemacht wurde.
Am 2. April 1947 verurteilte das polnische Kriegsverbrechertribunal Rudolf Höß zum Tode. Seine Hinrichtung erfolgte wenige Tage später auf dem Gelände des KZ Auschwitz – direkt vor seiner ehemaligen Residenz.
The Zone of Interest: Hedwig Höß – das wurde aus ihr
Vor seiner Festnahme durch die britische Militärpolizei war es Rudolf Höß noch gelungen, seine Familie in einer Zuckerfabrik in St. Michaelisdonn (Schleswig-Holstein) unterzubringen. Das britische Militär verhaftete Hedwig Höß und ihren ältesten Sohn Klaus aber wenig später und verhörte sie wochenlang. Aufgrund von Drohungen, sie und ihren Sohn nach Sibirien zu deportieren, enthüllte Hedwig Höß schließlich den Aufenthaltsort ihres Mannes.
Nach der Festnahme und Hinrichtung von Rudolf Höß wurde es ruhig um Hedwig Höß und ihre Familie. Das änderte sich, als die mittlerweile 57-Jährige beim ersten Frankfurter Auschwitzprozess als Zeugin auftrat. Es war das erste große deutsche Verfahren, das sich der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Auschwitz widmete.
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Bei dem Prozess gab Hedwig Höß auch zu Protokoll, sich nicht an Geschehnisse im Konzentrationslager erinnern zu können. Laut früheren Aussagen ihres Mannes gegenüber einem Gerichtspsychologen soll Hedwig Höß aber sehr wohl gewusst haben, was im Lager vor sich ging. Rudolf Höß zufolge habe der „faule und Übelkeit erregende Gestank”, der durch die fortwährende Verbrennung der getöteten Menschen verursacht wurde, zudem die ganze Umgebung durchdrungen.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Hedwig Höß in Stuttgart. Von dort aus reiste sie regelmäßig in die USA, um ihre Tochter Ingebrigitt zu besuchen. Diese wohnte in Arlington im US-Bundesstaat Virginia – in unmittelbarer Nachbarschaft der Familie Clinton.
Im September 1989 starb Hedwig Höß im Gästezimmer ihrer Tochter. Anschließend wurde sie auf einem Friedhof in Arlington in einem namenlosen Grab bestattet.
Die Köchin des Kommandanten: Die wahre Geschichte von Sophie Stippel
Die Dienstvilla von Rudolf Höß am nordöstlichen Rand des Stammlagers Auschwitz beherbergte auch einen großen Garten mit Gewächshaus. Das gesamte Areal wurde von aus dem KZ abkommandierten Arbeitskräften gepflegt. Auch im Haus kamen Zwangsarbeiter zum Einsatz – unter anderem Sophie Margarete Stippel.
Die Mannheimerin gehörte den Zeugen Jehovas (damals auch Bibelforscher genannt) an und wurde Ende der 1930er-Jahre aufgrund ihres Glaubens und Widerstandes gegen den Nationalsozialismus inhaftiert. Als sie 1942 nach Auschwitz verlegt wurde, traf sie dort auf Rudolf Höß. Beide kannten sich aus ihrer Kindheit in Mannheim. Daraufhin setzte dieser Sophie Stippel als Köchin und Kinderfrau auf dem Grundstück des Lagerkommandanten ein.
Als Familie Höß Ende 1944 Auschwitz verließ, zog auch Sophie Stippel mit nach Ravensbrück um. Dort soll sie kurz vor Kriegsende von Rudolf Höß den Befehl erhalten haben, die fünf Höß-Kinder zu vergiften, sofern die Rote Armee das Lager erreicht. Sophie Stippel überlebte den Krieg. Anschließend wohnte sie in Weinheim, nordöstlich von Mannheim. Dort starb sie 1985 im Alter von 93 Jahren.
Aufgearbeitet wurde Sophie Stippels Lebensgeschichte allerdings erst, als ihre Nachfahren einen alten Schuhkarton entdeckten. Darin befand sich neben persönlichen Briefen auch ihr Häftlingsausweis aus Auschwitz. Außerdem dort aufbewahrt: der lila Winkel – ein Erkennungszeichen, das Angehörige der Zeugen Jehovas in deutschen Konzentrationslagern tragen mussten.
Gemeinsam mit Mannheimer Forscher:innen entstanden anschließend das Buch „Der Kommandant und die Bibelforscherin” sowie die Filmdokumentation „Die Köchin des Kommandanten: Zwei Wege nach Auschwitz”.
In „The Zone of Interest” schlüpfte Stephanie Petrowitz in die Rolle von Sophie Stippel.
The Zone of Interest: Die wahre Geschichte von Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk
The Zone of Interest zeigt auch Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk. Die junge Polin wird von Julia Polaczek gespielt und tritt als leuchtende Erscheinung im Dunkel der Nacht auf. Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk lebte 1943 in demselben Haus, das auch in The Zone of Interest zu sehen ist und hinterließ zum Beispiel Essen für die Häftlinge des KZs Auschwitz.
Später schloss sich Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk der ZWZ (Związek Walki Zbrojnej) an: Die polnische Widerstandsgruppe wurde 1939 gegründet und später in AK (Armia Krajowa) umbenannt. Die AK war die größte militärische Widerstandsorganisation in Europa während des Zweiten Weltkrieges.
Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk überlebte ebenfalls den Krieg. Sie starb im September 2016. In seiner Oscar-Rede widmete ihr Jonathan Glazer, der Regisseur von The Zone of Interest, den Film.