The Ordinaries Kritik
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Auf dem Bild zum "Devil May Cry auf Netflix-Artikel" ist der Protagonist Dante in einer dynamischen Kampfszene zu sehen. Er trägt einen roten Mantel, der im Wind weht, und zielt mit einer Pistole auf ein Ziel außerhalb des Bildes. Dante hat weißes Haar und eine muskulöse, teilweise freigelegte Brust. Seine entschlossene Miene und die nächtliche Kulisse betonen die actionreiche Atmosphäre der Szene.

The Ordinaries | Kritik: Der originellste deutsche Film seit Jahren

Was wäre, wenn ein Film den Begriff „Filmwelt“ wörtlich nehmen würde? Ver­mut­lich käme ein Streifen wie „The Ordi­nar­ies“ von Sophie Lin­nen­baum her­aus, der Dich 120 Minuten in die Welt des Film­seins ent­führt. Warum uns der orig­inelle Ansatz gefällt, erfährst Du in unser­er Filmkritik.

Das Auf­greifen der Kon­tro­ver­sen des Filmemachens hat schon oft Platz in diversen Satiren gefun­den. Wir denken an Meis­ter­w­erke wie „Die Tru­man Show“ oder „Wag the Dog“. The Ordi­nar­ies  zieht die Filmwelt ins Groteske und begreift sie als Meta­pher, in der die Gesellschaft als Haupt- und Neben­fig­uren abge­bildet wird, inklu­sive Men­schen mit Film­fehlern. So wer­den beispiel­sweise Out­takes oder asyn­chrone Fig­uren unter­drückt. Die Welt von The Ordi­nar­ies wird in drei Klassen unterteilt, in der Aus­gren­zung und Ellen­bo­gen­denken Tage­sor­d­nung sind. Warum wir von vom Film begeis­tert sind, erfährst Du hier.

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The Ordinaries: Ein Leben zwischen Hauptfiguren und Filmfehlern

Die Hier­ar­chie der Filmwelt ist strikt und ein­deutig: Haupt­fig­uren spie­len Charak­tere mit viel Text und vielfälti­gen Emo­tio­nen. Sie wer­den gefeiert und ste­hen gesellschaftlich an der Spitze der Nahrungs­kette. Neben­fig­uren spie­len im Hin­ter­grund, sind auf eine oder zwei Emo­tio­nen fest­gelegt und haben nur wenig Text – wenn über­haupt. Und sie leben ein deut­lich beschei­deneres Leben, in kleinen Woh­nun­gen und haben kaum Wün­sche oder Träume. Ver­pönt sind die „Film­fehler“, Fig­uren die zum Beispiel asyn­chron klin­gen oder son­st irgendwelche filmtech­nis­chen Makel aufweisen. Sie sind Aus­gestoßene und dür­fen beispiel­sweise im Bus nicht bei den anderen Fig­uren sitzen.

Busfahrt von Haupt-und Nebenfiguren.

So sieht eine Bus­fahrt in „The Ordi­nar­ies” aus. „Nor­mal” scheint hier gar nichts… — Bild: Ban­den­film

In dieser Welt lässt sich die Jugendliche Paula (Fine Sendel) zur Haupt­fig­ur aus­bilden, ist Klassenbeste und schaut bere­its dem großen Abschluss ent­ge­gen. Ihre Mut­ter (Jule Böwe) ist Neben­fig­ur, auf die Emo­tion „Sorge“ fest­gelegt und spult dementsprechend immer die gle­ichen Dialoge rund ums The­ma Sor­gen machen ab. Als Paula bei ein­er ärztlichen Rou­tine­un­ter­suchung plöt­zlich keine passende Film­musik mehr aus ihrem Leib bekommt, begin­nt sie langsam den eige­nen Platz in dieser Welt zu hin­ter­fra­gen. Dabei hil­ft ihr das Haus­mäd­chen Hilde (Hen­ning Peker), eine „Fehlbe­set­zung“ in der Gestalt eines Mannes Mitte Vierzig.

Gesellschaftssatire mit charmantem Holzhammer

The Ordi­nar­ies muss als Satire nicht beson­ders aufwändig dechiffriert wer­den. Natür­lich kon­stru­iert Regis­seurin und fed­er­führende Drehbuchau­torin Sophie Lin­nen­baum hier eine Meta­pher für Ober­schicht, Unterk­lasse, struk­tureller Aus­gren­zung, frag­würdi­ge Regierungsstruk­turen und soziale Rev­o­lu­tion. Das hätte man natür­lich fein­er aus­d­if­feren­zieren kön­nen, als sich in Stereo­typen zu erge­hen: Haupt­fig­uren haben einen an der Klatsche; Neben­fig­uren erge­hen sich im All­t­agstrott; Film­fehler saufen viel. Die Held:innenreise der Pro­tag­o­nistin Paula ist nicht eben mit vie­len Über­raschun­gen geseg­net. Die wichtig­ste Wen­dung kündigt sich rel­a­tiv früh an und lässt sich auch ohne viel Kino­er­fahrung erah­nen. Mit diesem Sto­ry-Gerüst ver­lässt sich The Ordi­nar­ies sehr auf seine unkon­ven­tionelle Prämisse und seinen speziellen Look. Ein Bein­bruch ist das allerd­ings nicht.

Paula aus The Ordinaries sitzt am Autofenster

Fine Sendel übern­immt die Rolle von Paula Fein­mann. — Bild: Ban­den­film

Figuren zum Liebhaben

Da The Ordi­nar­ies auch eine Hymne auf das Unper­fek­te ist, hän­gen auch wir uns nicht an den sub­jek­tiv­en Unzulänglichkeit­en des Skripts auf. Denn Sophie Lin­nen­baums Spielfilmde­büt hat einen entschei­den­den Plus­punkt: seine Charak­tere und deren Schauspieler:innen dahin­ter. Fine Sendel ver­lei­ht der Pro­tag­o­nistin Paula eine plau­si­ble Fragilität, die vor allem mitreißt, weil eben jene Zer­brech­lichkeit und Paulas auf­blühende mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Attitüde naturgemäß reich­lich Kon­flik­t­po­ten­tial mit sich bringt.

Ganz wun­der­bar ist auch Hen­ning Peker als fehlbe­set­ztes Haus­mäd­chen. Als Fehlbe­set­zung wird seine Rolle als Gag unterge­jubelt und mausert sich sukzes­siv zur emo­tionalen Aor­ta des Films. Bravo!

The Look: Ein Hauch Vintage

The Ordi­nar­ies erzählt eine Meta-Filmwelt, die offenkundig mit Hingabe und Liebe zum Medi­um selb­st gestal­tet ist. Manch eine Fig­ur lei­det an Jump­cuts, andere sind asyn­chron. Während zwei Fig­uren im Splitscreen – also einem aufgeteil­ten Bild­schirm – miteinan­der tele­fonieren, sind sie sich dieses Ele­ments vol­lends bewusst.

The Ordinaries Paula und Heidi im Splitscreen

In der Splitscreen-Szene wis­sen Paula und Hei­di über den geteil­ten Bild­schirm Bescheid: wun­der­bare Meta-Ebene. — Bild: Ban­den­film

Mit ster­ilen und riesig anmu­ten­den Ver­wal­tungs­ge­bäu­den, analo­gen Wählscheiben­tele­fo­nen, einem generellen Hang zu Vin­tage und dem gesellschaftlich-poli­tis­chen Tenor, kom­men schnell Ver­gle­iche mit Kult­streifen wie „Brazil“ oder „1984“ in den Sinn. Dass der Film an ver­schieden­er Stelle als Sci­ence-Fic­tion klas­si­fiziert wird, entspringt wom­öglich dem Drang, die abstrak­ten Ele­mente in The Ordi­nar­ies zu erk­lären. Unnötig, find­en wir und trauen Dir zu, den Film als Gesellschaftssatire mit metafik­tionalem Über­bau zu erkennen.

Outtakes in The Ordinaries

Out­takes haben es in der Filmwelt nicht leicht. Sie wer­den aus­gestoßen. — Bild: Ban­den­film

The Ordinaries: Ein klares Ja zur Meta-Satire

Wir sind sehr davon überzeugt, dass The Ordi­nar­ies eine der orig­inell­sten und min­destens mal schön­sten deutschsprachi­gen Pro­duk­tio­nen des Kino­jahres 2023 sein wird. Fans von Unter­hal­tungski­no erfreuen sich ein­fach an der makel­losen Effek­t­palette und den visuellen Spiel­ereien. Die Charak­tere ent­führen Dich müh­e­los in ihre Meta-Welt. Und obgle­ich die Sozialkri­tik mit dem harten Holzham­mer kommt, ist dieser immer­hin schön verpackt.

The Ordi­nar­ies ist ein fea­tured-Filmtipp und eine Empfehlung für Fans von „Die Tru­man-Show“ (1998), „Pleas­antville“ (1999), „Ken­tucky Fried Movie“ (1977) und „Real­i­ty“ (2014).

The Ordi­nar­ies
Orig­inalti­tel: The Ordi­nar­ies
Genre: Satire, Art­house, Tragikomödie
Start: 30. März 2023 (Kino)
Laufzeit: 120 Minuten
Alters­freiga­be: Ab 12 Jahren (FSK), ungeschnitten
Regie: Sophie Lin­nen­baum
Drehbuch: Sophie Lin­nen­baum; Michael Fet­ter Nathansky
Basiert auf: Orig­i­nal­drehbuch

 Für welchen Neben­fig­uren hast Du ein beson­ders großes Herz? Wir freuen uns auf Dein Fan­dom in den Kommentaren!

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