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The Billion Dollar Code: Die wahre Geschichte der Millionenklage
Wer hat’s erfunden? Diese Frage stellt sich in einem sehr interessanten Gerichtsprozess: Eine deutsche IT-Firma zieht gegen Google vor Gericht, weil der Tech-Gigant eine seiner größten Innovationen geklaut haben soll – von besagter deutscher Firma. Die Netflix-Serie “The Billion Dollar Code” erzählt die wahre Geschichte nach.
Vielleicht war das Team von Entwicklern und Entwicklerinnen mit seiner Idee zu früh dran, vielleicht haben sie einfach zu wenig ans Business gedacht. Mitte der 90er-Jahre entwickelte die Berliner Firma Art+Com eine Software, mit der Nutzer:innen die Welt mithilfe eines digitalen Globus in Echtzeit erkunden konnten. Sie nannten sie Terra Vision. Das Potenzial dieser Idee erkannten damals nur wenige – und so geriet die Software in Vergessenheit.
Bis einige Jahre später der kalifornische Tech-Konzern Google eine Anwendung auf den Markt brachte, die zumindest einigen Berliner IT-Fachleuten sehr bekannt vorkam: Google Earth. Art+Com zog wegen Patentverletzung gegen Google vor Gericht. Die beiden Unternehmen lieferten sich einen David-gegen-Goliath-Kampf um Hunderte Millionen Dollar.
Das ist die Geschichte der neuen vierteiligen Netflix-Serie The Billion Dollar Code, die der Streamingriese ab dem 7. Oktober zeigt. Stars der deutschen Produktion nach einem Drehbuch von Oliver Ziegenbalg (“25 km/h“) sind Mark Waschke, Mišel Matičević und Lavinia Wilson.
The Billion Dollar Code: Die wahre Geschichte
Autor Oliver Ziegenbalg und Regisseur Robert Thalheim (“TKKG”) verfilmten mit The Billion Dollar Code eine wenig bekannte, aber wahre Geschichte. Und sie ist weit mehr als nur eine Randnotiz der Big-Tech-Erfolgsstory der vergangenen Jahrzehnte. Die Serie gewährt Einblicke in die Welt der IT-Konzerne und in den Kosmos visionärer Nerds. Und die ließen Ende des 20. Jahrhunderts eben nicht nur im Silicon Valley, sondern auch in Berlin die Drähte glühen.
Terra Vision, eine Vision aus Berlin
Das Berlin der Nachwendejahre brummt. Anfang der 90er wird die Stadt zum Tummelplatz für Visionär:innen aller Art. Sie wollen etwas Neues ausprobieren. Wohnungen und Büros sind billig, leer stehende Grundstücke und verwilderte Locations gibt es in Hülle und Fülle. Und Geld. Staatsunternehmen pumpen Millionen in die Stadt, denn Berlin soll so schnell wie möglich auch wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen.
Die Deutsche Telekom beginnt damit, ein Glasfasernetz aufzubauen. Aber welche Daten sollen durch das Breitbandkabel fließen? Die Telekom beauftragt die Firma Art+Com mit der Entwicklung einer Anwendung, die das Potenzial der neuen Technik demonstrieren soll. Art+Com, ursprünglich als Verein gegründet, ist eine Vereinigung von Künstler:innen, Programmierer:innen und Träumer:innen, die irgendwas mit Computern und Kunst machen wollen.
Der geschäftliche Nutzen? Nicht so wichtig, Hauptsache, es ist innovativ. “Wir waren zwar ein cooles Team, hatten aber nicht einen Betriebswirt dabei, der eine Vision hat, wie man Geld damit verdienen kann”, sagt Axel Schmidt, ehemals Programmierer bei Art+Com.
Die Geschichte von Terra Vision
Die Firma entwickelt eine Software, die etwas bis dahin Unerhörtes ermöglichen sollte: die ganze Welt in Echtzeit am Computer zu bereisen, zu erkunden und zu bestaunen. Kern des Terra Vision genannten Programms ist ein digitaler Globus, also ein virtuelles Abbild der Erde. Topografische Rasterdaten, Satellitenaufnahmen, Luftbilder und weitere Daten formen die Erdkugel. Das heißt: Nutzer:innen können jeden beliebigen Punkt auf der Kugel per Interface ansteuern.
1994 stellen die Bastler:innen von Art+Com die Software auf der Tech-Messe ITU in Kyoto vor. 1995 bekommt die Firma eine Einladung ins Silicon Valley: Sie soll Terra Vision bei Silicon Graphics präsentieren. Das Grafikcomputer-Unternehmen lässt das Berliner Team daraufhin drei Wochen an seinen Hochleistungsrechnern arbeiten. Silicon-Graphics-Chefentwickler Michael T. Jones zeigt sich besonders begeistert von der Arbeit der Deutschen.
Was Google Earth mit Terra Vision zu tun hat
1996 melden Art+Com ihre Software Terra Vision in den USA zum Patent an. Ist das also der Beginn einer Tech-Erfolgsstory made in Germany? Leider nein. Art+Com gelingt es nicht, Investor:innen oder Abnehmer:innen für ihre Idee zu gewinnen. Aber 2005 erscheint Google Earth, eine revolutionäre Anwendung, die jedem Nutzer und jeder Nutzerin die ganze Welt aus allen Perspektiven und bis ins Detail auf den PC-Bildschirm holt.
Google Earth ist einer der größten Hits des Tech-Giganten Google. Und er sieht verdächtig nach Terra Vision aus. Hat das kalifornische Unternehmen den Algorithmus von Art+Com geklaut? Die Berliner Firma ist überzeugt davon. Denn: Jener Silicon-Graphics-Entwickler Jones, der sich so begeistert über Terra Vision äußerte, hat längst eine eigene Firma gegründet.
Sein Unternehmen Keyhole Inc. entwickelt 2001 die Anwendung “Earth Viewer”. 2004 verkauft Jones die Firma an Google – und kurze Zeit später erscheint Google Earth. 2006 verhandelt ein Google-Manager mit Art+Com über eine Patentnutzung oder gleich den Kauf der ganzen Firma.
Die eine Seite stuft das Patent vorsorglich als “nicht entscheidend” ein, die andere will mehr Geld. Die Gespräche verlaufen im Sande. Erst 2014 geht Art+Com vor Gericht in Wilmington, Delaware. Drei Jahr später ergeht dann das Urteil.
The Billion Dollar Code: Die wahre Geschichte und die Fiktion
Die Netflix-Serie bleibt nahe dran an der Geschichte von Terra Vision, erlaubt sich aber einige künstlerische Freiheiten. Zum Beispiel wurden sämtliche Personennamen durch erfundene Namen ersetzt – und mehrere reale Personen in einer Serienfigur zusammengefasst.
Für Art+Com arbeiteten damals die folgenden vier Herren an Terra Vision: Axel Schmidt und Pavel Mayer als Programmierer sowie Gerd Grüneis und Joachim Sauter als künstlerische Teammitglieder. In der Serie steht die Figur Juri Müller für die beiden Entwickler und die Figur Carsten Schlüter für die beiden Künstler.
Ebenso verfuhr das Drehbuch bei der Gegenseite: In der Serie bekommen es Müller und Schlüter mit dem Google-Manager Brian Anderson zu tun. Anderson ist wiederum ein Konstrukt aus Michael T. Jones und einem weiteren Google-Manager.
Eine gute Story, ein spannendes Thema und eine prima Besetzung, oder nicht? Wirst Du Dir The Billion Dollar Code ansehen? Erzähle es uns in den Kommentaren!
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