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Tár | Kritik: Ist der Film mit Cate Blanchett zurecht für 6 Oscars nominiert?
Cate Blanchett als weltberühmte Dirigentin mit Tendenz zum Machtmissbrauch. Das Drama „Tár“ will viel mehr als nur Einblicke in den Kulturbereich der klassischen Musik bieten und wurde dafür für sechs Oscars nominiert. Ob es dem Film gelingt, uns taktvoll zu überzeugen, verraten wir Dir in unserer Kritik zu Tár.
Lydia Tár (Cate Blanchett) ist mit Leib und Seele Dirigentin. Als erste Frau leitet sie die Berliner Philharmoniker, wo sie sich ein enormes Projekt vorgenommen hat: Sie will mit ihrem Orchester alle Sinfonien von Gustav Mahler einspielen. Zur Fertigstellung fehlt nur noch die fünfte Sinfonie. Während Tár versucht, sich auf die Proben zu konzentrieren, passieren in ihrem Leben Dinge, die sie immer mehr aus dem Gleichgewicht bringen. In ihrer Ehe mit der Konzertmeisterin des Orchesters Sharon (Nina Hoss) kriselt es. Außerdem droht eine Musikerin zur Gefahr für die weltberühmte Dirigentin zu werden. Als ob das nicht schon genug Trubel wäre, fehlt Tár noch jemand am Cello, um das Orchester zu vervollständigen. Beim Vorspielen fällt ihr die äußerst junge Anwärterin Olga (Sophie Kauer) ins Auge und das verheißt nichts Gutes.
Tár: Ein vielschichtiges Drama
Die Welt eines Kulturbetriebs bildet den Rahmen der Geschichte rund um die fiktive Person Lydia Tár. Auch wenn klassische Musik nicht Dein Geschmack ist, solltest Du Tár nicht gleich von Deiner Film-Watchlist streichen. Denn das Drama kann auch ohne Probleme verstanden werden, wenn Du mit Begriffen wie „Accelerando“ oder „Synkope“ nichts anfangen kannst.
Zu Beginn verfolgst Du die typischen Abläufe im Leben der Dirigentin. Mit der Zeit verdichten sich aber die Hinweise, dass nicht alles so läuft, wie es sich Lydia vorstellt. Ihre Assistentin Francesca (Noémie Merlant) erwähnt auffällig häufig eine ehemalige Musikerin. Zudem läuft die Ehe mit Sharon nicht mehr rund und ihr Kollege Eliot (Mark Strong) geht ihr zunehmend auf die Nerven. In diesem ganzen Trubel versucht Tár sich auf die Musik zu konzentrieren.
Mehr als nur den Taktstock schwingen
Schnell wird gerade Musik-Laien klar, dass Dirigent:innen dem Orchester nicht nur den Takt vorgeben. Vielmehr sind sie dafür verantwortlich, der Musik ihre eigene Note zu verleihen – beispielsweise durch verschiedene Tempo-Auslegungen. Daher sind Proben und das Zusammenspiel von Orchester und Dirigent:innen auch so wichtig. Das zeigt Tár genauso eindrucksvoll und detailliert wie die Abläufe in einem Kulturbetrieb. Denn diese Abläufe sind oftmals von Machtdemonstrationen geprägt. Dass auch Lydia bei solchen Spielchen mitmacht, wird deutlich, als sie ein Cellokonzert als Beistück zu Mahlers fünfter Sinfonie plant: In der Regel übernimmt der/die erste Cellist:in das Solo eines Beiwerks. Lydia hingegen besteht auf ein Vorspielen, damit sie die junge Cellistin, die noch nicht Teil ihres Orchesters ist, auswählen kann. Auf sie hat die Dirigentin nämlich ein Auge geworfen.
Brandaktuelle Diskussion finden in Tár Platz
In einer Masterclass von Lydia kommt eine folgenschwere Diskussion auf: Ein pansexueller BiPoC-Student hinterfragt provokant, ob die Werke von Johann Sebastian Bach, einem weißen CIS-Mann, heute noch gespielt werden dürfen. Ein anderer Student hat von der Diskussion ein Video gedreht, anders zusammengeschnitten und reißt so Lydia Társ Aussagen aus dem Kontext. Ein Shitstorm rund um das Thema Cancel Culture entsteht. Mit Szenen wie diesen hat es Regisseur Todd Field („Eyes Wide Shut“, „Little Children“) geschafft, eine brandaktuelle Diskussion einzuflechten, ganz ohne Wertung und ohne aufgesetzt zu wirken.
Alles steht und fällt mit Cate Blanchett
Lydia Tár ist zwar die Protagonistin des Films, aber sie lässt sich nur schwer zuordnen: Ist sie die Heldin oder doch die Böse? Ist sie Täter oder Opfer? Regisseur Todd Field streicht im Laufe des Films das „Oder“ und ersetzt es durch „Und“. Tár ist nie schwarz-weiß, sondern bewegt sich oftmals im Graubereich. Dass das glaubhaft rüberkommt, erreicht Todd Field zum einen durch die oft ausufernden Szenen, die ohne Wertung gerne mal ins Nichts laufen, und zum anderen mit der Hauptdarstellerin.
Cate Blanchetts Leinwandpräsenz ist bereits in der ersten Szene, einem Interview vor Publikum, extrem einnehmend und lässt uns in den folgenden zweieinhalb Stunden auch kaum mehr los. Gerade die Mischung von Überheblichkeit und Zweifel ist grandios durch ihre Mimik dargestellt. Denn Tár zeigt zwar nach außen immer Stärke, beginnt aber Geräusche zu hören und Dinge zu sehen, bei denen selbst Du nicht weißt, ob sie real sind. Blanchett beweist gerade zum Ende des Films einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit – und ist absolut zurecht für den diesjährigen Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert.
Tár in der Kritik: Unser Fazit
Tár ist kein einfacher Film, aber gerade dadurch glänzt er besonders. Vielschichtig und mit zahlreichen ausufernden Sequenzen fordert Todd Field Deine Aufmerksamkeit heraus. Zwar können gerade Szenen, in denen Tár mit Musikbegriffen um sich wirft, etwas überfordern, für die Handlung sind sie glücklicherweise aber kaum relevant. Dein Durchhaltevermögen wird mit einer brillanten Cate Blanchett und einem Drama mit vielen Details belohnt. Tár ist für uns daher einer der besten Filme in diesem noch jungen Kinojahr und zurecht für insgesamt sechs Oscars, darunter in den Kategorien Bester Film und Beste Regie, nominiert.
Tár
Genre: | Drama |
Bundesstart: | 2. März |
Laufzeit: | 158 Minuten |
FSK: | Ab 12 Jahren freigegeben |
Regie: | Todd Field |
Drehbuch: | Todd Field |
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