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Die Kritik zu Sky Rojo: Zwischen Trash-Telenovela und poppigem Pulp
Am 19. März startet mit „Sky Rojo” eine der meisterwarteten Serien des Frühjahrs bei Netflix. Haben die Haus des Geldes-Macher:innen hier ein weiteres Prunkstück produziert oder diesmal danebengegriffen? In unserer Kritik zur Serie erfährst Du es!
Wie eine Dampfwalze rollte die spanische Serie Haus des Geldes durch die Netflix-Landschaft und wurde so zu einem der größten Überraschungserfolge des Streaming-Giganten. Nun haben Showrunner Álex Pina sowie Produzentin und Autorin Esther Martínez Lobato eine neue Serie auf die Beine gestellt, die einen komplett anderen Weg einschlägt: Sky Rojo.
Die am 19. März bei Netflix startende Serie streift die verschachtelte Erzählweise von Haus des Geldes vollständig ab und orientiert sich eher an den schrillen Schauwerten eines Exploitation-B-Movies sowie der Ästhetik eines Robert Rodriguez oder Quentin Tarantinos. Doch reichen diese Reminiszenzen allein aus, um Sky Rojo zu einer sehenswerten Serie zu machen?
Sky Rojo kannst Du übrigens auf Deinem Netflix-Account auch mit Vodafones GigaTV anschauen.
Die Handlung von Sky Rojo: Ein Roadtrip Richtung Freiheit
Die drei Sexarbeiterinnen Coral (Verónica Sánchez), Wendy (Lali Espósito) und Gina (Yany Prado) sind im Las Novias Club angestellt, dem extravaganten Bordell und Stripclub ihres Zuhälters Romeo (Asier Etxeandia).
Dieser ist ein herrischer Despot, der die persönliche und finanzielle Misslage der Frauen schamlos ausnutzt, um sie von sich abhängig zu machen. Das ist auch der Grund, warum es dem Trio trotz zahlreicher Versuche nicht gelingt, aus dem Rotlichtmilieu zu fliehen und ein neues Leben anzufangen.
Ein dramatischer Vorfall stößt die Tür zur Freiheit jedoch ungeplanterweise auf: Ein Streit zwischen Romeo und Gina eskaliert nämlich derart, dass Coral und Wendy eingreifen müssen, woraufhin der fiese Clubbesitzer plötzlich blutend am Boden liegt. In Panik flüchten die drei aus dem Bordell und rasen im Las Novias-Cabrio davon.
Ohne konkretes Ziel vor Augen basteln sie auf den Straßen Spaniens an einem Plan, wie es nun für sie weitergehen könnte. Doch die Gefahr ist längst nicht gebannt: Romeos Handlanger, die brutalen Brüder Moisés (Miguel Ángel Silvestre) und Christian (Enric Auquer), sind ihnen dicht auf den Fersen und schrecken dabei keineswegs vor Gewalt und Mord zurück.
So wird der Trip der drei Freundinnen nicht nur zu einer Flucht vor der Vergangenheit, sondern auch zu einem bitteren Kampf ums Überleben.
Qualität aus Spanien: Alles Wissenswerte zur kommenden fünften Staffel von Haus des Geldes gibt es hier.
Sky Rojo bei Netflix: Hetzjagd durch die Klischee-Wüste
Die folgende Kritik zu Sky Rojo basiert auf der Sichtung der Episoden 1-4 der Serie.
Schon das knallige Poster zur Serie (siehe oben) macht deutlich, wen und was sich die Sky Rojo-Macher:innen hier zum Vorbild genommen haben. Das bunt-ästhetische Design könnte genauso gut zu einem Film von Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez passen und schreit förmlich nach Grindhouse-Flair und Popkultur-Exzess.
Dass Sky Rojo diesem eigens gesetzten Anspruch allerdings nicht standhalten kann, macht sich bereits nach der ersten Episode bemerkbar. Die richtigen Zutaten dafür sind zweifelsohne da: Charismatische Hauptdarstellerinnen, überzeichnete Charaktere, schnelle Autos, fetzige Musik und attraktive Schauplätze. Die Serie schafft es jedoch nicht, diese Elemente zu einem stimmigen Ganzen zu formen, was dem Spaßfaktor einen erheblichen Dämpfer verpasst.
Dabei legen sich Martínez Lobato und Pina mächtig ins Zeug, indem sie ein krasses Tempo vorlegen und ohne Umschweife direkt ins Geschehen einsteigen. Trotz zahlreicher Flashbacks hetzen sie nur so durch den Plot, wodurch die emotionale Bindung zu den Figuren leider auf der Strecke bleibt.
Das Showrunner-Duo reduzierte die Episodenlänge ganz bewusst auf je 25 Minuten, um der Serie ein knackiges Gewand zu verpassen. In einer Zeit, in der einfach gestrickte RomComs gern mal über zwei Stunden dauern, ist das auch durchaus ein lobenswerter Schritt. Die angestrebte erfrischende Kurzweil fällt den Macher:innen aber ziemlich schnell auf die Füße.
Für psychologische Tiefe bleibt nämlich kaum Zeit, auch wenn tragische Hintergrundgeschichten und emotionale Ausbrüche das Gegenteil suggerieren sollen. Die Charaktere bleiben jedoch merkwürdig fremd und sind vollgepumpt mit Klischees und Widersprüchen.
Halbgarer Genrebrei: Sky Rojo ist nicht Tarantino
Dies wird besonders am Beispiel der Brüder Moisés und Christian deutlich: Den Handlangern wird tatsächlich so etwas wie eine traumatische Vergangenheit zugestanden. Doch immer wenn dieser interessante Aspekt näher beleuchtet werden könnte, fallen die Gangster zurück in ihren stereotypen Habitus aus Brutalität und Widerwärtigkeit.
Es wirkt bisweilen sogar so, als ob sich die Autor:innen permanent selbst daran erinnern müssen, in welche Richtung sich Sky Rojo eigentlich bewegen soll. Anflüge von emotionaler Vielschichtigkeit werden daher schnell unter der nächsten Blutlache oder Schimpftirade vergraben.
Zudem wird versucht, die zum Teil sehr drastischen Ereignisse mit schwarzem Humor zu konterkarieren, was nur selten gelingt. Pina und Martínez Lobato fehlt schlicht das Gespür für die richtige Balance. Vielmehr entsteht dadurch eine befremdliche Mischung aus albernen und ernsthaften Szenen, die bezeichnend für die Unausgegorenheit der ganzen Serie sind.
Sky Rojo will ein bisschen von allem sein: Pulpiger Thriller, Roadtrip-Comedy, Selbstfindungsdrama, Buddy-Abenteuer. Ein fehlender Fokus, der schließlich dazu führt, dass die Serie nichts von all dem so wirklich ist. Es reicht eben nicht, überzogene Gewaltspitzen zu setzen und sie in dunklem Humor zu verpacken, um einen „Tarantino-Effekt” zu erzielen.
Der Kult-Regisseur vergisst bei allem Genre- und Stilgemische nämlich niemals, seinen Figuren eine gewisse Menschlichkeit zu verleihen. Dies macht unter anderem seine eigene Handschrift aus – etwas, das Sky Rojo völlig vermissen lässt.
Schickes Gewand, wenig Inhalt: Spanische Seifenoper ohne Substanz
Möglichst grafische Darstellungen von Gewalt und Sex sollen dieses Substanz-Vakuum kompensieren, wirken in vielen Szenen aber regelrecht erzwungen. So kommt auch der übertrieben vulgäre Wortschatz einiger Charaktere ziemlich aufgesetzt daher, um die Amoralität des gezeigten Milieus wirklich jedem begreiflich zu machen.
Die im Kern durchaus ernsthafte Thematik – die gnadenlose Ausbeutung und Enteignung von Frauen im Sexgeschäft – wird allerdings nie aufrichtig verfolgt. Was sicher akzeptabel wäre, wenn die Macher:innen sich eindeutig zum Trash-Entertainment bekennen würden. Stattdessen wird aber immer wieder Gesellschaftskritik vorgegaukelt, die nie das Niveau einer gewöhnlichen Telenovela übersteigt.
Das ist vor allem schade um die drei Hauptdarstellerinnen Verónica Sánchez, Lali Espósito und Yany Prado, die die inneren Konflikte ihrer Figuren zweifellos verstanden haben, jedoch kontinuierlich flache Drehbuchzeilen auf Poesiealbum-Level in den Mund gelegt bekommen. Die Chemie zwischen den drei Frauen funktioniert dafür bestens und sorgt für die positivsten Aspekte der Serie.
Auch die eine oder andere dynamische Kamerafahrt durch den Nachtclub oder die spanische Wüste kann sich definitiv sehen lassen. Am Ende des Tages ist das alles aber einfach zu wenig, um Sky Rojo aus dem gigantischen Serienfundus von Netflix hervorzuheben.
Dass in Spanien auch gelungene Netflix-Serien produziert werden, zeigt Dir diese Übersicht.
Das Fazit zu Netflix’ Sky Rojo: Viel Lärm um nichts
Die von den Schöpfer:innen als „Latin Pulp” bezeichnete Serie krankt letztendlich an den eigenen Ambitionen. Die poppige Aufmachung schafft zwar mitunter oberflächliche Unterhaltung, doch ist Sky Rojo nie mehr als die Summe seiner Einzelteile, da sich die auf cool getrimmte Geschichte zu keinem klaren Kurs bekennt.
Jegliche emotionale Glaubwürdigkeit fällt Telenovela-Dramatik und plump platzierter Drastik zum Opfer. Wer also sehen möchte, wie Tier-Narkotika durch die Nase gezogen oder Stifte durch Silikonbrüste gejagt werden, der ist bei Sky Rojo an der richtigen Adresse.
Die Netflix-Produktion ist voraussichtlich weit davon entfernt, ein weiteres Haus des Geldes zu werden. Der spanische Serienhit glänzt natürlich auch nicht immer mit Raffinesse, generiert aber wenigstens ausreichend Spannung. Sky Rojo gelingt es hingegen nicht, eine ähnliche Faszination zu erzeugen. Von der grellen Verheißung des Posters bleibt daher nichts weiter übrig als staubtrockene Leere.
Stylishe Serienperle oder peinliches Machwerk? Sag uns Deine Meinung zu Sky Rojo in den Kommentaren!