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Rebecca bei Netflix: Die Kritik zum Remake des Filmklassikers
Mit einer filmischen Neuinterpretation von Daphne du Mauriers gefeiertem psychologischen Schauerroman „Rebecca” will Netflix ab dem 21. Oktober in die Fußstapfen von Alfred Hitchcocks oscarprämierten Meisterwerk von 1940 treten – und scheitert dabei kläglich. In unserer Kritik verraten wir, warum.
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Ob im Film oder im realen Leben – niemand ist gerne die zweite Wahl. Keine Partnerin an der Seite ihres neuen Ehemannes, die dem übergroßen Schatten der ersten Ehefrau einfach nicht zu entsteigen vermag, und auch kein Regisseur mit seiner filmischen Neuauflage eines gefeierten Klassikers. Letztlich müssen sich aber doch beide mit dieser Tatsache arrangieren, vor allem der Regisseur.
Denn wo Hollywood-Star Lily James in der Rolle einer frisch verheirateten jungen Frau am Ende eben jenes neuen Netflix-Films doch noch eine Art von Happy End für sich in Anspruch nehmen kann, hagelte es schon lange vor der Veröffentlichung für „Rebecca”-Regisseur Ben Wheatley mittelmäßige bis miese Kritiken.
Und das überrascht nicht. Aus dem psychologischen Thriller, für den Filmlegende Alfred Hitchcock 1940 zwei Oscars für den besten Film und die beste Kamera absahnte, schuf „Kill List”-Regisseur Ben Wheatley eine Kitsch verströmende Romanze, die mit dem literarischen Ausgangsstoff kaum noch etwas gemein hat.
Hitchcocks ikonenhafte Spannungsmechanik und du Mauriers raffinierte Psychosoziologie ertränken sich hier bisweilen ähnlich in Seichtigkeit, wie eine Fruchtfliege in einem Glas Honigsirup. Einige Lichtblicke sind dennoch zu vermerken, auch wenn Fans von Buch und Filmklassiker das kaum über das müßige Remake hinwegtrösten dürfte.
Rebecca bei Netflix – die Handlung: Lily James spielt die zweite Geige auf Manderley
An der französischen Riviera lernen sich in einem malerischen Sommer der Vierzigerjahre eine schüchterne Amerikanerin (Lily James) und ein vornehmer Nachkomme des britischen Landadels (Armie Hammer) kennen. Sie arbeitet als Gesellschafterin für die wohlhabende wie süffisante Mrs. Van Hopper. Der attraktive Maxim de Winter verlebt seinen ersten Urlaub als Witwer nach dem Tod seiner Ehefrau.
Zwischen den beiden sprühen schon bald die Funken: Einige Ausflüge an romantische Steilküsten, fröhliche Tennis-Dates und Cocktail-Runden, erquickliche Ausflüge im Cabriolet und die Herzen schlagen Purzelbäume. Schnell wird geheiratet und die neue Mrs. de Winter auf Maxims imposanten englischen Familienanwesen Manderley der Belegschaft vorgestellt.
Naiv, schüchtern und tollpatschig ist die neue Mrs. de Winter bald bemüht, sich in ihrer ungewohnten Rolle zurecht zu finden. Doch das Erbe von Maxims erster Ehefrau Rebecca, weltgewandt, elegant und immer noch überall auf dem Anwesen präsent, scheint ihr dieses Unterfangen unmöglich zu machen.
Vor allem aus Worten und Taten von Manderleys finsterer Haushälterin Mrs. Danvers (Kristin Scott Thomas) entnimmt Maxims neue Ehefrau, dass sie der übermächtigen und perfekten Rebecca niemals das Wasser reichen können wird. Bald schon gibt es Auseinandersetzungen in der noch so jungen Ehe und die neue Mrs. de Winter kommt dem Geheimnis um Rebeccas mysteriösen Tod und der wahren Geschichte ihres Ehemannes langsam aber sicher auf die Spur …
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Ben Wheatleys Rebecca: Flache Schmonzette im Gewand visueller Opulenz
Es sei eine Studie der Eifersucht, erklärte einst „Rebecca”-Autorin du Maurier das Werk, dem sie ihren weltweiten Ruhm als Gothic Novel-Autorin verdankt. Und ja, so manchen Netflixer dürfte sicherlich der Neid angesichts Lily James’ und Armie Hammers umwerfender Garderobe in diesem Film packen. Die hat die bildgewaltige Neuauflage übrigens den Kostüm-Designern Sarah Greenwood („Die Schöne und das Biest”, „Die Dunkelste Stunde”) und Julian Day („Rocketman”, „Bohemian Rhapsody”) zu verdanken.
Und ja, angesichts einer anfänglich so reibungslosen Romanze, die Austern zum Frühstück schlürft und sinnlichen Sex in monegassischen Hotelzimmern am Abend nascht, kann sich sicher ebenso niemand dem Griff einer gewissen Prise Eifersucht entziehen. Aber da, wo Kostüm und Maske, wo Romantik und Traumurlaub enden, dort löst sich auch schon du Mauriers ursprüngliches psychologisches Kernmotiv in Wohlgefallen auf.
Wo die junge Amerikanerin den Witwer im Hitchcock-Klassiker zu Beginn in dunkler Nacht vor einem angedeuteten Suizid rettet, plaudern in der Netflix-Version die Hauptdarsteller auf einer sonnig-sauberen Terrasse beim Frühstück wie fleischgewordene Pilcher-Verschnitte. Wo im Original eine unvergesslich grantige Judith Anderson ihre Mrs. Danvers als ikonische Schauerfigur etablierte, dort gelingt Kristin Scott Thomas höchstens eine etwas bockige Variante von Mrs. de Winters Kontrahentin. Die kommt allerdings mit halbherziger Schnippischkeit und gemäßigt bockiger Anti-Attitüde fast schon niedlich daher.
Nicht nur „Mamma Mia!”-Star Lily James, sondern auch Armie Hammer wird übrigens in diesem Genre-Mix aus Mystery, Romanze und Thriller von dem Schatten eines Vorgängers verfolgt: von dem der Bühnen- und Filmlegende Laurence Olivier, der den Maximilian de Winter sowohl in seiner psychologischen Tiefe als auch in seiner Rätselhaftigkeit packend in der Hitchcock-Version zu verkörpern wusste.
Hammer hingegen gleicht in dieser Rolle einem der hübschen Gemälde im opulenten Salon-Zimmer von Manderley: Ästhetisch ansprechend und sorgfältig in Szene gesetzt, aber verhaftet in Eindimensionalität, was durchaus dem peripheren Drehbuch der Netflix-Adaption zu verdanken ist.
Einzig Lily James vermag es stellenweise, ihre Figur durch mädchenhaften Charme dem Publikum etwas näherzubringen. Doch auch diese Momente werden dem Film bald zum Verhängnis, als deutlich wird, wie die ausartende Tollpatschigkeit der neuen Mrs. de Winter zum Todesstoß für das vorgesehene innere Dilemma ihrer Figur wird.
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Glamour statt Goth in Netflix’ Rebecca
Mit den an der Oberfläche ertrinkenden Figuren kommt auch die gefeierte wie gewiefte Gothic-Maschinerie von Daphne du Mauriers literarischer Vorlage gehörig ins Stottern. Auch trotz des Umstands, dass Wheatley sich gewisser Konstanten innerhalb der Geschichte am Ende doch effektvoll und gelungen bedienen kann.
Auch in seiner Interpretation steht die junge Amerikanerin derart im Schatten ihrer Vorgängerin, dass ihr eigener Vorname darüber innerhalb der gesamten Erzählung vollkommen in Vergessenheit gerät. Diese Metapher für die Eifersuchts- und Identitätskrise der jungen Frau wird, ebenso wie im Original, durch den Umstand verstärkt, dass Rebeccas Initialen sie auf Manderley stetig verfolgen.
Ob gestickt, bedruckt oder eingraviert, auch Wheatley lässt die ehemalige Hausherrin sich auf größenwahnsinnige Weise in jedem Objekt verewigen, das Teil von Manderley ist.
Sporadisch wagt sich Netflix’ „Rebecca” mit einigen szenischen Ergänzungen subtil auf seine Art und Weise die Geschichte zu erweitern. Momente, in denen Maxim des nachts durch die Gemächer seiner verstorbenen Frau wandelt oder in denen die demente Großmutter sich im Beisein der neuen nach der alten Mrs. de Winter erkundigt, dienen allerdings dann ebenfalls doch nur dazu, das bloße Erzählungskonstrukt zu untermauern, jedoch nicht die Essenz und die Idee dahinter. Ein Versäumnis, das selbst das hervorragende Set Design, die malerischen Drehorte und der nostalgische Glamour, der die Geschichte auch hier noch umweht, nicht auszugleichen vermögen.
Niemand ist gerne die zweite Wahl, aber Ben Wheatleys Netflix-Version des gefeierten Filmklassikers „Rebecca” wird um diesen unliebsamen Titel wohl kaum herumkommen.
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