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Liebes Kind: So viel wahre Geschichte steckt in der Netflix-Serie
„Liebes Kind“ ist keine Netflix-Serie für zwischendurch. Der packende Psycho-Thriller zeigt einen außergewöhnlichen Entführungsfall, der viele Zuschauer:innen nicht mehr loslassen wird.
Ein perfider Tyrann hält eine Frau und zwei Kinder jahrelang in einer Hütte ohne Tageslicht gefangen und zwingt ihnen ein bizarres Familienleben auf. Mutter und Tochter gelingt die Flucht, doch der Gedächtnisverlust der Frau und die rätselhaften Erzählungen des Kindes erschweren die Ermittlungen.
Ein Fall zum Nägelkauen, der insbesondere True-Crime-Fans ins Grübeln bringen dürfte. Kann so etwas wirklich passiert sein? In diesem Artikel klären wir, ob sich hinter Liebes Kind tatsächlich wahre Begebenheiten verbergen.
Beruht Liebes Kind auf einer wahren Begebenheit?
Um es gleich vorwegzunehmen: Liebes Kind basiert nicht auf einer wahren Geschichte, auch wenn mindestens eine Figur eine reale Inspiration hat. Vorlage zur Netflix-Serie ist der gleichnamige Roman von Romy Hausmann. Die Schriftstellerin schreibt zwar hauptsächlich fiktive Geschichten, beschäftigt sich aber auch intensiv mit wahren Verbrechen.
Im Podcast „Hausmann & Benecke: When Fiction meets Reality – Der True Crime Podcast“ widmet sich die Autorin wahren Kriminalfällen. Gemeinsam mit dem renommierten Rechtsmediziner Dr. Mark Benecke bespricht Romy Hausmann Fälle, die sie bei der Recherche für ihre Bücher bearbeitet hat.
Im August 2022 erschien zudem das Buch „True Crime – Der Abgrund in dir: Was den Menschen zum Mörder macht“. Darin beschäftigt sich Hausmann mit elf wahren Mordfällen, verlagert den Fokus aber weg von blutigen Details.
Stattdessen beleuchtet die Autorin die emotionale Ebene in einfühlsamen Gesprächen mit Angehörigen, Ermittler:innen und selbst den Mörder:innen. Gerade diese Aspekte kommen für Hausmann oft zu kurz, weshalb sie auch die Erzählstruktur von Liebes Kind für einen Entführungsthriller eher unkonventionell angelegt hat.
Die Story: Darum geht es in Liebes Kind
Die im September 2023 gestartete Netflix-Serie Liebes Kind beginnt mit dramatischen Szenen: Eine sichtlich verängstigte Frau (Kim Riedle) rennt durch einen Wald und wird von einem Auto erfasst. Als die Unfallstelle und die Umgebung untersucht werden, finden Polizisten das Mädchen Hannah (Naila Schuberth).
Sie identifiziert die Frau als ihre Mutter Lena. Polizist Bühling (Hans Löw) erkennt Parallelen zum Fall des vor 13 Jahren verschwundenen Mädchens Lena Beck und beginnt tiefer zu graben.
Schnell wird klar, dass die Frau im Krankenhaus weder das vermisste Kind der Familie Beck (Justus von Dohnány, Julika Jenkins) noch Hannahs leibliche Mutter ist. Doch wer ist sie dann? Die Situation stellt die Ermittler:innen vor ein Rätsel. Vor allem die verblüffende Ähnlichkeit Hannahs mit der verschwundenen Lena lässt Bühling nicht los.
Währenddessen enthüllt Hannah schockierende Details über ihr Leben in Gefangenschaft, das von strengen Regeln und harten Strafen geprägt ist. Sie erzählt auch von ihrem Bruder Jonathan (Sammy Schrein), der vermutlich immer noch in einer fensterlosen Hütte mitten im Nirgendwo gefangen gehalten wird.
Fiktive Figuren, inspiriert von wahren Begebenheiten
So beginnt die Geschichte Liebes Kind mit der Rettung der Opfer und erzählt das Verbrechen in Rückblenden. Im Mittelpunkt stehen die Aufarbeitung der Traumata, das Leben nach dem erlebten Horror und die Wiedereingliederung der Opfer in unsere Gesellschaft.
In der Romanvorlage erleben die Leser:innen die Geschichte aus der Perspektive von Hannah, die in ihrem jungen Leben fast ausschließlich Gefangenschaft, Zwang und Gewalt erlebt hat.
Autorin Romy Hausmann erzählt in einem Interview, dass die Idee zu dieser Figur aus der Überlegung entstand, wie es sich anfühlt, sich plötzlich in unserer Welt zu bewegen, wenn man sein ganzes Leben in einer Hütte verbracht hat.
„Man kennt die sozialen Regeln nicht, die wir jeden Tag miteinander leben. Wie würde ich mich fühlen? Wie würde ich mir eine Häuserfront angucken? Wie wäre es, in einem Raum voller Menschen zu sein? Ich stelle mir vor, ich sehe alles zum ersten Mal“, so Hausmann. Dieses Szenario weckt Erinnerungen an einen realen Entführungsfall.
Mehr echte Hintergründe: Die wahre Geschichte zu „Painkiller“ erzählen wir Dir in diesem Artikel ausführlich.
Liebes Kind: Inspiriert durch wahre Begebenheiten
Als Inspiration für die Figur der Hannah nennt Hausmann unter anderem Natascha Kampusch. Das 2006 ausgestrahlte Interview mit dem Entführungsopfer habe sie nie vergessen können.
Hausmann war beeindruckt von der jungen Frau, die sich nach Jahren der Gefangenschaft dennoch zu einer gebildeten und eloquenten Person entwickelt hatte. „Sie hat gelernt, sie hatte Schulbücher und hat eine Weltsicht entwickelt – trotz dieser Umstände in entscheidenden Lebensphasen“, so Hausmann.
Natascha Kampusch wurde im Alter von zehn Jahren auf dem Schulweg entführt und von ihrem Peiniger acht Jahre lang unter schrecklichen Bedingungen gefangen gehalten. Trotz ihrer Isolation zeigte sie sich später in Freiheit sehr intelligent und informiert. Ähnliches ist auch bei Hannah angelegt.
Natascha Kampusch: Die wahre Geschichte eines entführten Mädchens
Die wahre Geschichte der Natascha Kampusch beginnt 1998 in einem Vorort von Wien.
Die damals zehnjährige Natascha Kampusch verschwindet plötzlich auf dem Weg zur Schule. Trotz intensiver Suche und großem Medieninteresse fehlt jahrelang jede Spur von ihr. Die Ermittler:innen stehen vor einem Rätsel und die Öffentlichkeit ist zutiefst beunruhigt über das Verschwinden des Mädchens.
Die Wahrheit, die acht Jahre später ans Licht kommt, ist ebenso schockierend wie tragisch. Natascha wird von Wolfgang Přiklopil, einem erwerbslosen Techniker, entführt und in einer schalldichten Montagegrube unter einer Garage gefangen gehalten.
Das Gefängnis ist so konstruiert, dass es laut Ermittler:innen selbst vor intensivsten Durchsuchungen verborgen geblieben wäre. Hier lebt Natascha lange Zeit in völliger Isolation und Abhängigkeit von ihrem Entführer.
Entführung und jahrelange Gefangenschaft
Sechs Monate lang darf Natascha die Grube nicht verlassen. Später darf sie das Haus betreten oder spazieren gehen – immer unter der strengen Aufsicht ihres Entführers. Přiklopil misshandelt Natascha über die Jahre immer wieder schwer, schlägt und tritt sie, schert ihr die Haare, demütigt sie.
Er zwingt das Kind, für ihn zu putzen, zu kochen und schwere körperliche Arbeit zu verrichten. Gleichzeitig unterrichtet er sie, bringt ihr Lesen und Schreiben bei. Natascha darf ausgewählte Bücher und Zeitungsartikel lesen und kann sich so über die Welt außerhalb ihres Gefängnisses informieren.
Die Beziehung zu ihrem Entführer ist komplex und von Manipulation und Abhängigkeit geprägt. Dennoch gelingt es Natascha mit der Zeit, eine gewisse psychische Stärke und Entschlossenheit zu entwickeln, die ihr schließlich die Flucht ermöglicht.
Im Jahr 2006, acht Jahre nach ihrer Entführung, gelingt es Natascha während einer Unachtsamkeit Přiklopils zu fliehen und Nachbarn um Hilfe zu bitten. Ihr Entführer begeht kurz darauf Selbstmord.
Mediensensation und Film-Adaption
Der Fall Natascha Kampusch hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Die Medien berichten ausführlich über ihre Erlebnisse und das Ausmaß ihres Traumas. Ihre Geschichte wird seither immer wieder in Dokumentationen, Filmen und Serien aufgegriffen.
Im Jahr 2010 verarbeitete Natascha Kampusch ihre Erlebnisse in der Autobiografie „3096 Tage“. Drei Jahre später wurde das Buch verfilmt. Am Drehbuch war auch der vor Fertigstellung verstorbene Filmemacher Bernd Eichinger beteiligt.
Ohne das eine direkte Adaption der wahren Geschichte zugrunde liegt, lassen sich also Parallelen zwischen dem Martyrium der Natascha Kampusch und der fiktiven Figur Hannah aus Liebes Kind ausmachen.
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