Jesse Buckley in I'm Thinking of Ending Things bei Netflix
© Netflix
Bild aus Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim
Plakat zum Musical-Film Wicked

I’m Thinking of Ending Things bei Netflix: Die Erklärung des Films

Am 4. Sep­tem­ber startet der lang erwartete neue Film „I’m Think­ing of End­ing Things” von Regie-Leg­ende Char­lie Kauf­man bei Net­flix. In dem psy­chol­o­gis­chen Hor­ror­film tür­men sich in gewohn­ter Kauf­man-Manier die Sym­bole, Meta­phern und Zeit­sprünge, für die er bekan­nt ist. Doch was bedeutet der skur­rile Heimat­trip mit Gänse­haut-Garantie? Wir liefern Dir die Erk­lärung und Inter­pre­ta­tion des jüng­sten Kauf­man-Film­stre­ichs und beant­worten die wichtig­sten Fragen.

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I’m Thinking of Ending Things bei Netflix: Der neue Brain-Twister des Charlie Kaufman

„Ich denke darüber nach, Schluss zu machen. Ein­mal gedacht, wird man diesen Gedanken nicht mehr los. Er bleibt und beherrscht einen”, über­legt eine junge Frau (Jesse Buck­ley), die sich mit ihrem neuen Fre­und Jake (Jesse Ple­mons) auf den Weg zu seinen Eltern macht. Das erste Ken­nen­ler­nen ste­ht kurz bevor. Dabei ist sich die junge Dame eigentlich schon jet­zt recht sich­er: Sie beab­sichtigt, sich sobald wie möglich von Jake zu tren­nen. Klar, er ist ein net­ter Kerl, gebildet und humor­voll. Aber etwas wirk­lich Ern­stes ist es mit den bei­den eigentlich nicht. 

Doch statt mit ihrem Beifahrer das unan­genehme The­ma anzuschnei­den, plaud­ert sie lieber über Wordsworth-Gedichte, 40er-Jahre-Musi­cals und ihre Hausar­beit für die Uni. Schließlich gelangt das Paar an dem eiskalten Win­tertag auf dem Bauern­hof von Jakes Fam­i­lie mit­ten in der Einöde an. Jakes Eltern Suzie (Toni Col­lette) und Dean (David Thewlis) emp­fan­gen die bei­den mit einem üppi­gen Aben­dessen. Dabei gebärdet und äußert sich das schrul­lig anmu­tende Paar auf skur­rile Weise.

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Und je mehr der Abend voran­schre­it­et, desto selt­samer erscheint der Fre­undin dieses Haus mit seinen ver­schrobe­nen Bewohn­ern, die von Minute zu Minute gewaltig altern und sich dann wieder zu ver­jün­gen scheinen. Zwis­chen unan­genehmen Tis­chkon­ver­sa­tio­nen und skur­rilen Zeit- und Hand­lungssprün­gen wird Jakes Part­ner­in stetig mehr angst und bange. Als ob das nicht genug wäre, empfängt die Verängstigte dann auch noch unheim­liche Anrufe eines Unbekan­nten auf ihrem Handy. Was geht hier nur vor sich?

I’m Thinking of Ending Things: Die Bedeutung von Jakes Identität für die Geschichte

Es gibt wohl keinen zweit­en Regis­seur, der sich die Frage nach dem men­schlichen Bewusst­sein und sein­er Bedeu­tung mehr zur Auf­gabe gemacht hat als Char­lie Kauf­man. In beina­he jedem sein­er Werke, von „Being John Malkovich” über „Ver­giss mein nicht!” bis hin zu „Adap­ta­tion” stellt der 61-Jährige die Frage: Sind wir über­haupt real füreinan­der oder pro­jiziert jedes Indi­vidu­um lediglich innere Wün­sche und Äng­ste auf das andere und ver­wan­delt die Exis­ten­zen sein­er Lieb­sten, sein­er Kol­le­gen und sein­er Fam­i­lien­mit­glieder so in seine ganz eige­nen Vorstellungen?

Char­lie Kauf­mans Filme sind allerd­ings auch dafür bekan­nt, viel Spiel­raum für die indi­vidu­elle Inter­pre­ta­tion des Einzel­nen offen zu lassen. Bei „I’m Think­ing of End­ing Things” liegt die Ver­mu­tung nahe, dass es sich bei Jake um einen depres­siv­en und ein­samen Senioren han­delt, dessen Geschichte, die sich in seinem Kopf abspielt, als reines „Was wäre wenn?”-Gedankenspiel zu ver­ste­hen ist. Let­ztlich verzweifelt er daran, wie sein Leben tat­säch­lich ver­laufen ist, bereut ver­passte Chan­cen und schwel­gt in Selb­sthass und Ein­samkeit. Dies führt let­ztlich dazu, dass er sich selb­st das Leben nimmt.

Im Film wird Pro­tag­o­nist Jake als jün­gere Ver­sion sein­er selb­st sowohl neben sein­er Fre­undin gezeigt, als auch als in die Jahre gekommen­er, ein­samer Haus­meis­ter. Er schal­tet und wal­tet an dem Ort, an welchem er eine Menge schlechter Erin­nerun­gen machen musste: seine ehe­ma­lige Schule. 

Dass der junge Jake und der Haus­meis­ter ein und dieselbe Per­son sein müssen, deutet sich schon in ein­er der ersten Par­al­lel­monta­gen im Schnitt von „I’m Think­ing of End­ing Things” während der Aut­o­fahrten an, in denen zwis­chen Jakes Sit­u­a­tion im Auto mit sein­er Fre­undin und dem Haus­meis­ter in seinem Auto hin und her geschnit­ten wird. Bere­its hier impliziert Kauf­man: der ältere Jake fab­u­liert die Szene zwis­chen sein­er jün­geren Ver­sion und der jun­gen Frau im Auto her­bei, stellt sich beim fahren vor, wie sich eine solche Sit­u­a­tion hätte abspie­len können.

Wer ist Jakes Freundin und warum wird sie mit unterschiedlichen Namen angesprochen?

Der Umstand, dass Jakes Fre­undin keine reale Per­son sein kann, spiegelt sich in der Tat­sache wider, dass sie inner­halb des Films nicht nur unter­schiedliche Namen wie Louisa, Cindy, Lucy oder Lucia annimmt, son­dern auch teil­weise sog­ar völ­lig ent­ge­genge­set­zte Fäch­er an der Uni studieren soll und unter­schiedlich­sten Berufen oder Hob­bys nachgeht. 

Mal schwingt sich die junge Frau inner­halb der Erzäh­lung zur Poet­in auf, im näch­sten Moment studiert sie Physik, dann ist sie von Beruf Malerin. Hier wird deut­lich, dass Jake die Möglichkeit­en durch­spielt, wie seine poten­zielle Part­ner­in hätte sein und leben kön­nen, was ihre Lei­den­schaften gewe­sen wären, ob sie zu seinen gepasst hät­ten und nicht zulet­zt, wie sie als Per­son ihn als Mann hätte aufw­erten können.

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I’m Think­ing of End­ing Things (2020) Direc­tor: Char­lie Kauf­man As a fan of Kauf­man films I was excit­ed about this release. And tbh it was a wild ride lol it felt just a tad too long but the intro­spec­tive char­ac­ter dri­ven nar­ra­tive was Kauf­man in is true form. This film will give you whiplash and then make you won­der if youre hear­ing things. A sense of dread per­me­ates the film; you know something’s not right and your wait­ing anx­ious­ly to find out what exact­ly it could be. All to reveal a sto­ry about a life with regrets. Remind­ing view­ers that all we have is today. Take that chance. 3/5 ⭐⭐⭐ (first view­ing) .… . #imthinkingofend­ingth­ings #film #char­liekauf­man #cin­e­matog­ra­phy #cin­e­ma #cinephile #cinephilecom­mu­ni­ty #filmlover #hor­ror #hor­ror­film #review #pho­tog­ra­phy #film­pho­tog­ra­phy #film­mak­ing #film­mak­er

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Er stellt sich vor, wie seine Fre­undin hätte ausse­hen kön­nen, inklu­sive wech­sel­nder Frisuren und Out­fits. Auch charak­ter­lich spielt Jake alle Möglichkeit­en in sein­er Fan­tasie durch: Vom unsicheren Mäuschen bis zur knall­harten und diskus­sions­freudi­gen Fem­i­nistin stellt er sich vor, welche Ver­sion ihm wohl am besten gefall­en hätte.

Auch die Szene­r­ien inner­halb des Haus­es wech­seln stetig und sprun­gar­tig, ganz so wie Jake sie in sein­er Gedanken­welt ger­ade beliebiger­weise zurechtrückt. Der Keller sym­bol­isiert Jakes Unter­be­wusst­sein, dem let­ztlich auch die junge Frau entspringt. Darum find­et sie genau dort auch Bilder von Land­schaften, die sie als Malerin gerne malt. Im Keller stößt Jakes imag­inäre Fre­undin in der Waschmas­chine auch auf die Arbeit­skluft des alten Haus­meis­ters Jake, ein weit­er­er Hin­weis darauf, dass er mit­tler­weile als alter Mann alleine in seinem Eltern­haus lebt. Auch Jakes Bücher­re­gal deutet darauf hin, dass die junge Frau sein­er Fan­tasie entspringt, denn viele Buchti­tel wur­den bere­its vorher zum Gegen­stand ihres Inter­ess­es und der Gespräche des Paars.

Jake spielt außer­dem in Gedanken die imag­inäre Ken­nen­lern-Geschichte durch, die das Paar seinen Eltern am Küchen­tisch erzählt. Hätte er die junge Frau in der Bar bei dem Quiz-Spiel tat­säch­lich ange­sprochen, so hätte er sie eines Tages tat­säch­lich seinen Eltern vorstellen kön­nen, in einem ähn­lichen Szenario wie diesem. Nur, dass die Szene, die uns Kauf­man präsen­tiert, in Jakes Leben nie tat­säch­lich stattge­fun­den hat.

Wer ist der unbekannte Anrufer?

Die junge Frau nimmt im Ver­lauf des Films wieder­holt Anrufe auf ihrem Handy ent­ge­gen. Eine männliche Stimme redet auf Jakes Fre­undin ein: Ich habe Angst. Ich bin nicht klar. Ich füh­le mich ein biss­chen ver­rückt!” Diese Äußerun­gen entstam­men der älteren Ver­sion von Jake, der sichtliche Prob­leme mit seinem men­tal­en Gesund­heit­szu­s­tand zu haben scheint und unter Depres­sio­nen und Ein­samkeit leidet.

Da die junge Frau lediglich ein Hirnge­spinst des älteren Jake ist, wird sie in diesen Szenen mit den destruk­tiv­en Gedanken ihres Schöpfers kon­fron­tiert - ein unheim­lich­er Effekt, der auf den Zuschauer lange nachwirkt.

Was bedeutet die Tanzszene in der Schule?

Als Jake und seine Fre­undin in der Schule ange­lan­gen, spielt sich kurz darauf eine recht absurde Szene im Kor­ri­dor ab: Jake und seine Fre­undin wer­den durch anmutige Tänz­er erset­zt, die den bei­den nur noch ent­fer­nt ähneln und eine ide­al­isierte Musi­cal-Ver­sion des Paares darstellen sollen.

Hier nimmt der Film deut­lich Bezug auf Jakes Vor­liebe für das Musi­cal Okla­homa”. Der emo­tionale und drama­tis­che Musi­cal-Tanz stellt den gemein­samen Lebenslauf des Paares in recht verk­itschter und verk­lärter Manier dar, bis der Haus­meis­ter die jün­gere Musi­cal-Ver­sion von Jake nach kurzem Kampf umbringt.

Dies sym­bol­isiert die ver­passten Chan­cen, die Jake sich im Laufe seines Lebens sel­ber nimmt, in dem er sein zurück­ge­zo­genes Leben kon­tinuier­lich weit­er führt und Chan­cen nicht ergreift. Er lebt sein grund­sät­zlich­es Poten­zial, das ihm als junger Men­sch mit­gegeben wurde nie aus und wird zu ein­er Ver­sion sein­er selb­st, die er nicht mehr länger ertra­gen kann.

Was ist der Grund für den Suizid?

Der endgültige Grund für Jakes Suizid am Ende von „I’m Think­ing of End­ing Things” geht nicht ein­deutig aus dem Film her­vor. Let­ztlich ist nur Jakes eingeschneites Auto zu sehen. Sich­er ist aber, dass sich der geal­terte Jake das Leben nimmt, da er an der Tat­sache verzweifelt, dass er, der hochin­tel­li­gente und gebildete Mann, sein Leben zurück­ge­zo­gen und stets lediglich in sein­er Fan­tasie gelebt hat. Vieles deutet daraufhin, dass Jakes Suizid durch schw­er­wiegende Depres­sio­nen aus­gelöst wird.

Egal, welche endgültige Lösung Regis­seur Kauf­man für sich selb­st in Anspruch nimmt, das The­ma der men­tal­en Gesund­heit ste­ht bei „I’m Think­ing of End­ing Things” ohne Zweifel im unange­focht­e­nen Mittelpunkt.

Die Zweideutigkeit des Titels: I’m Thinking of Ending Things

Mit dem Titel seines Psy­chohor­rors führt Char­lie Kauf­man seine Zuschauer vor­erst regel­recht an der Nase herum: Im Englis­chen wird die For­mulierung „I’m Think­ing of End­ing Things” in erster Lin­ie dafür ver­wen­det, wenn davon die Rede ist, eine Tren­nung her­beiführen zu wollen.

Im ersten Teil wird dieser Satz im Orig­inal­ton mehrfach in Gedanken von Jakes imag­inär­er Fre­undin fall­en gelassen. Dies impliziert, dass Jakes Min­der­w­er­tigkeits­ge­füh­le ihn glauben lassen, dass die einst mögliche poten­zielle Beziehung sicher­lich von sein­er Fre­undin rasch wieder been­det wor­den wäre. Möglicher­weise war dies für Jake auch lange ein Motiv, erst gar keine feste Bindung mit ein­er Frau einzugehen.

Am Ende des Films wird klar, dass die Bedeu­tung dieser Phrase, die auch den Titel des Films stellt, noch einen ganz anderen Hin­ter­grund hat­te: die schw­er­wiegen­den Depres­sio­nen von Kauf­mans Haupt­fig­ur. Sie bewe­gen Jake let­ztlich dazu, sein Leben zu been­den und damit auch seine qualvolle und von Hass und Scham geprägte Beziehung zu sich selbst.

Wie hat Dir „I’m Think­ing of End­ing Things” gefall­en? Ver­rate es uns in den Kommentaren!

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