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Die Kunst des toten Mannes bei Netflix: Erklärung und Kritik
Mit Die Kunst des toten Mannes hat sich Netflix wieder einmal einen starbesetzten Film ins Haus geholt. Wir beantworten dir alle wichtigen Fragen zu dem extravaganten und zynischen Horrorthriller mit Jake Gyllenhaal und John Malkovich und verraten dir, ob sich eine Sichtung lohnt.
Ist das Kunst oder kann das weg? Der Spruch, der häufig verwendet wird, um die Kunstszene zu belächeln, kann ohne Weiteres auch auf den neuen Netflix-Thriller Die Kunst des toten Mannes angewandt werden.
Denn der Film wird ganz gewiss ähnlich zwiespältige Reaktionen auslösen, wie es so oft bei Werken der zeitgenössischen Kunst der Fall ist. Was für die einen einfach nur willkürlicher Schrott ist, ist für die anderen eine sinneserweiternde Offenbarung. Und so viel sei schon an dieser Stelle verraten: Die Kunst des toten Mannes ist keines von beiden.
Die Kunst des toten Mannes: Die Handlung des Netflix-Films
Die Kunst des toten Mannes - im Original Velvet Buzzsaw getauft - wirft uns direkt in den Kosmos der gegenwärtigen Kunstszene von Los Angeles. Hier herrscht ein unterkühlter Ton, der von Oberflächlichkeit, Heuchelei und der Gier nach dem schnellen Geld begleitet wird. Zu dieser Welt gehören unter anderem der bisexuelle Kunstkritiker Morf Vandewalt (Jake Gyllenhaal), die gerissene Galeristin Rhodora Haze (Rene Russo), deren ambitionierte Mitarbeiterin Josephina (Zawe Ashton) und die profitsüchtige Kuratorin Gretchen (Toni Colette).
Während flüchtig verteilte Wangenbussis ehrliche Zuneigung suggerieren sollen, verfolgt hier jeder insgeheim seine ganz eigene rücksichtslose Agenda. Auf dieser stehen jedoch überall dieselben Worte: Ruhm, Macht, Geld!
Die ersten Fassaden der Freundlichkeit beginnen zu bröckeln, als Josephina in der Wohnung ihres kürzlich verstorbenen Nachbarn eine schier gigantische Ansammlung von Gemälden findet. Schnell erkennt sie das Potenzial der bemerkenswerten Zeichnungen. Obwohl der alte Mann namens Vetril Dease klare Anweisungen hinterließ, sein Werk möge nach seinem Tod zerstört werden, kann Josephina nicht widerstehen und nimmt die Bilder an sich. Mit Dollarzeichen in den Augen bringt sie diese in Umlauf und ahnt nicht, welche verhängnisvolle Kraft sie damit freisetzt.
Bald lecken sich alle Beteiligten die Finger nach den Werken des geheimnisvollen Künstlers und wollen ihrerseits ein Stück vom Kuchen abhaben. Die Faszination für die Kunst und der Drang nach Gewinnmaximierung sind aber nur von kurzer Dauer und weichen wenig später der puren Todesangst. Die Gemälde entwickeln nämlich ein unheimliches Eigenleben und machen schon bald „Jagd” auf die Protagonisten.
Die Kunst des toten Mannes auf Netflix: Die Besetzung
Der Horrorthriller glänzt mit einer wahrhaft exquisiten Darstellerriege, die fast alle Schauspielergenerationen Hollywoods abdeckt. Welche Stars sind dabei?
Jake Gyllenhaal als Morf Vandewalt
Gyllenhaal hat sichtlich Spaß daran, den erfolgreichen Kunstkritiker Morf Vandewalt zu verkörpern. Dabei setzt er ganz bewusst auf ausladende Gesten und affektierte Mimik, um seiner Rolle die nötige Extravaganz zu verleihen. Dem Brokeback Mountain-Star gelingt zudem das Kunststück, das wandelnde Klischee Vandewalt nie zur Karikatur verkommen zu lassen.
Die Kunst des toten Mannes ist nach Nightcrawler (2014) der zweite gemeinsame Film von Jake Gyllenhaal und Regisseur Dan Gilroy.
Nightcrawler ist bei Maxdome, Netflix und Sky verfügbar (Links zu Anzeigen).
Rene Russo als Rhodora Haze
Auch Rene Russo war in Nightcrawler mit von der Partie und drehte nun ebenfalls das zweite Mal mit Gilroy. Kein Wunder, sind die beiden doch seit fast 27 Jahren verheiratet.
Die 64-jährige rechtfertigt ihre Besetzung aber in jeder Sekunde. Sie verleiht der knallharten Galeristin und Ex-Punkrockerin Rhodora Haze ein vielschichtiges Profil, das von einer kühlen Aura zusammengehalten wird. Da fragt man sich als Zuschauer zwangsläufig, weshalb Russo in den letzten 20 Jahren nur sporadisch in Filmen auftrat. Memo an die Hollywood-Bosse: Gebt dieser Frau mehr Rollen!
Toni Collette als Gretchen
Viele werden vor der Sichtung von Die Kunst des toten Mannes nicht wissen, dass sie eine Toni Collette mit Platinblond-Perücke brauchen. Aber vertraut uns, ihr tut es!
Die Schauspielerin, die schon im Horror-Geheimtipp Hereditary herausragte, liefert hier wieder einmal eine grandiose Leistung ab und lässt dabei fast vergessen, dass die von ihr gespielte Gretchen der Arthouse-Teufel auf zwei Beinen ist.
Hereditary ist bei Maxdome und Sky verfügbar (Links zu Anzeigen).
John Malkovich als Piers
John Malkovich gilt ohnehin als sichere Bank, wenn es um die Besetzung eines Films geht. Davon hat wohl auch Dan Gilroy gehört und holte sich die lebende Legende für Die Kunst des toten Mannes ins Boot.
Darin schlüpft Malkovich in die Rolle des Künstlers Piers, der früher eine große Nummer in der Szene war, seit seinem erfolgreichen Alkoholentzug seine Kreativität jedoch verloren hat. Nun schlurft er gelangweilt und unterbeschäftigt durch die Galerien und Museen von Los Angeles, was Malkovich mit aller Lässigkeit der Welt zur Schau stellt.
Zawe Ashton als Josephina
Die Britin Zawe Ashton gehört zu den (noch) eher unbekannten Cast-Mitgliedern in Die Kunst des toten Mannes. Erste Aufmerksamkeit erregte sie allerdings zuvor schon in dem ebenfalls zum Teil in der Kunstszene angesiedelten Thrillerdrama Nocturnal Animals (mit Jake Gyllenhaal) und der Netflix-Serie Wanderlust (mit Toni Collette).
Sie verkörpert die mit zunehmender Laufzeit immer unausstehlicher werdende Galerie-Mitarbeiterin Josephina mit Bravour. Diese mausert sich währenddessen klammheimlich zur Haupt-Antagonistin in einem Film, der fast nur aus Antagonisten besteht.
Nocturnal Animals ist bei Maxdome verfügbar. Wanderlust ist bei Netflix verfügbar (Links zu Anzeigen).
Natalia Dyer als Coco
Natalia Dyer - bekannt aus dem beliebten Netflix-Hit Stranger Things - darf sich nun auch in einem Film des Streaming-Dienstes beweisen. Die von ihr gemimte Assistentin Coco stellt eine der wenigen moralischen Konstanten in Dan Gilroys Film dar.
Außerdem entwickelt die unschuldige junge Frau ein zweifelhaftes Talent dafür, immer wieder über Leichen zu stolpern. Nur eines von mehreren schwarzhumorigen Elementen, die sich durch den Film ziehen. Dyer versteht es aber zum Glück, ihre Figur nicht der Lächerlichkeit preiszugeben.
Stranger Things ist bei Netflix verfügbar (Link zur Anzeige).
Weitere Darsteller in Die Kunst des toten Mannes
Mit Tom Sturridge (Radio Rock Revolution), Billy Magnussen (Game Night) und Daveed Diggs (Wunder) hat Dan Gilroy noch weitere talentierte Darsteller verpflichten können. Überhaupt ist die Besetzung das Nonplusultra des Thrillers, der nicht von ungefähr Ensemblefilm-Charakter besitzt.
Achtung, hier folgen Spoiler zum Film!
Die Kunst des toten Mannes erklärt: Was hat der Netflix-Film zu bedeuten?
Von Beginn an lässt Regisseur und Drehbuchautor Gilroy keinen Zweifel daran, auf welche Personengruppe er es abgesehen hat. Sein Film richtet sich an die scheinbaren Kunst-Aficionados der Oberschicht, die die Bedeutung von Gemälden und Werken herabsetzen, indem sie darin nur eine endlose Geldquelle sehen.
So geht es deshalb auch genau den Charakteren an den Kragen, die sich mit den Bildern von Vetril Dease finanziell bereichern wollen. Selbst der zunehmend paranoider werdende Morf Vandewalt, der ein Buch über Dease schreibt, findet am Ende den Tod.
Es ist die allumfassende Kommerzialisierung und Profitgier, die Gilroy anprangert und ohne Frage auch auf andere Gesellschaftsbereiche außerhalb der Kunstszene zutrifft. Die Kunst des toten Mannes ist seine filmische Abrechnung mit denjenigen, die den Respekt vor einem Kunstwerk und der gesamten Kreativ-Kultur verloren haben. Alles dreht sich ausschließlich ums Geschäft.
Daher ist es nur bezeichnend, dass die von John Malkovich und Daveed Diggs dargestellten Künstler Piers und Damrish zu den wenigen Überlebenden des Films gehören. Sie achten die Kunst und blicken auf diese aus der Perspektive des Schöpfers.
Gilroy selbst fand in einem Interview mit Vanity Fair treffende Worte, um die Kernaussage seines Films zu beschreiben:
Ich hoffe, die Leute betrachten Kunst [nach meinem Film] auf etwas andere Weise. Jedes Mal, wenn du ein Musikstück hörst oder eine Skulptur, ein Gemälde oder einen Film anschaust, wird dir klar, dass die Künstler dahinter ihre kreative Seele in das Werk gesteckt haben. Für mich ist das eine heilige Sache und ich denke, wir haben das ein bisschen verloren. Ich würde es begrüßen, wenn wir wieder dahin zurückkehren könnten.
Dass die Kunstwerke in Die Kunst des toten Mannes „zurückschlagen” und Rache an den geldgierigen Menschen üben, kann in diesem Fall durchaus als Metapher verstanden werden. Experten warnen bereits davor, dass die Blase im Kunstmarkt zu platzen droht. Die Retourkutsche wäre zwar nicht tödlich wie im Film, aber durchaus effektiv.
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Kritik zu Die Kunst des toten Mannes: Wie gut ist der Netflix-Thriller?
Dan Gilroys dritte Regiearbeit - nach dem düsteren Nightcrawler und dem leider unterschätzten Roman J. Israel, Esq. (2017) - besticht vor allem durch seine starke Besetzung und sein ungewöhnliches Setting. Die sterile und kühle Atmosphäre der Kunstgalerien ist wie gemacht für den zynischen Witz Gilroys. Zudem findet er fast schon ikonische Bilder für seine Geschichte, etwa wenn sich Gemälde selbstständig machen oder die Skyline von Los Angeles in beeindruckender Schönheit erstrahlt.
All das kann jedoch nicht darüber hinwegtrösten, dass die Idee Gilroys zwar aller Ehren wert ist, sich aber zum Ende hin allmählich erschöpft. Wenn man seine oben erwähnte Kernthematik erst begriffen hat, wirkt sie schnell nur noch plakativ und weniger durchdacht, als es zunächst den Anschein hat.
Die Kunst des toten Mannes krankt an seiner Inkonsequenz, denn die zweite Hälfte des Films kann nicht halten, was die erste Hälfte verspricht. Was ein surrealer Fiebertraum im Kunstmilieu hätte werden können, entpuppt sich schließlich doch nur als weitestgehend herkömmlicher Horrorfilm, der dem Genre nicht viel Neues hinzufügen kann. So erhält Vetril Dease die fast schon obligatorische mörderische Vergangenheit eines Geisteskranken.
Gilroy stellt sich mit dieser konstruierten Hintergrundgeschichte gewissermaßen selbst ein Bein und nimmt seinem Werk damit die Relevanz. Aber vielleicht sollten wir an dieser Stelle auch lieber still sein und uns die Worte Morf Vandewalts zu Herzen nehmen: „Kritik engt einen immer so ein und zehrt einen emotional aus.”
Roman J. Israel, Esq ist bei Maxdome und Sky verfügbar (Links zu Anzeigen).