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Der Schacht bei Netflix: Die Erklärung des Endes
Wer selbst bei einer üppig gedeckten Tafel voller erlesener Speisen keinen Appetit verspürt, hat vermutlich den spanischen Netflix-Film Der Schacht gesehen, der seit dem 20. März verfügbar ist. Wir liefern Dir die Erklärung zum Ende der düsteren Dystopie, in der Desserts, Don Quijote und Dunkelheit eine große Rolle spielen.
Einen starken Magen und Nerven aus Stahl: Zwei Attribute, die durchaus hilfreich sind, will man sich auf die 94-minütige Albtraumreise machen, auf die einen Der Schacht mitnimmt. Nein, der Netflix-Thriller, den Du auch mit der entsprechenden Option über GigaTV sehen kannst, ist alles andere als etwas für zartbesaitete Zuschauer, entpuppt sich dafür aber als wahres Fest für Fans von interpretationsfreudigen Filmen.
Das Regiedebüt des Spaniers Galder Gaztelu-Urrutia ist eine Film gewordene Allegorie und kommt als eine Mischung aus Cube, Snowpiercer und Das Experiment daher, die förmlich nach einer Erklärung verlangt. Hier gibt es allerdings verschiedene Ansätze, die wir Dir nach einer kurzen Handlungszusammenfassung gerne erläutern wollen.
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Achtung, es folgen Spoiler zu Der Schacht!
Die Handlung von Der Schacht: Ein etwas anderes Gefängnis
Zu spät merkt der nachdenkliche Goreng (Ivan Massagué), auf was er sich eingelassen hat: Um einen anerkannten Abschluss zu erhalten, lässt er sich im Gegenzug freiwillig für sechs Monate in ein Gefängnis sperren, das von allen nur „Der Schacht” genannt wird.

Goreng landet in der Hölle — Bild: Netflix
Dieses besteht aus insgesamt 333 Ebenen, die nur durch ein großes Loch in der Mitte miteinander verbunden sind. Auf jeder Ebene sind zwei Insassen untergebracht, die darauf warten, dass einmal am Tag eine Plattform mit feinstem Essen von oben nach unten fährt. Dann bleiben jedem Gefangenen zwei Minuten Zeit, um seinen Hunger zu stillen, bevor sich die Plattform wieder weiter nach unten bewegt.
Der Schacht 2 – das Ende des verstörenden Netflix-Films erklärt
Die Ebenen werden jeden Monat neu zugeteilt und entscheiden so über Leben und Tod. Je höher man sich in dem vertikalen Konstrukt befindet, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, dass man sich satt essen kann. Für die Pechvögel auf den unteren Etagen bleibt daher nie etwas übrig, was zu Gewalt, Suiziden und Kannibalismus führt. Wer Speisen bunkert, wird umgehend mit dem Hitze- oder Kältetod bestraft.
In dieser Hölle muss sich nun Goreng zurechtfinden und schneller um sein Überleben kämpfen, als ihm lieb ist. Doch scheint er der einzige zu sein, der das von Egoismus und Gleichgültigkeit beherrschte System durchbrechen kann, selbst wenn er dafür seine eigenen moralischen Grenzen überschreiten muss.
Deprimierende Dystopien gibt es übrigens auch in Serie, wie Du hier erfährst.
Der Schacht bei Netflix: Erklärungen und Interpretationen zum Ende
Was passiert am Ende von Der Schacht?
Das Ende von Der Schacht führt Goreng schließlich bis zur untersten Ebene des Gefängnisses. Gemeinsam mit dem Insassen Baharat (Emilio Buale) verteidigte er gewaltsam das Essen auf der Plattform, um es gerecht unter allen Häftlingen aufteilen zu können. Zudem wollen sie eine Panna cotta wieder unberührt nach ganz oben schicken, um damit eine vielsagende Botschaft an die Köche des Schachts zu senden.

Trimagasi hat ein Messer und scheut sich nicht, es einzusetzen — Bild: Netflix
Ihr Plan geht jedoch nicht ganz auf: Zum einen reichen die Speisen trotz einer fairen Rationierung nicht bis ganz nach unten. Zum anderen entdecken Goreng und Baharat auf Ebene 333 ein stilles Mädchen unter einem Bett. Sie vermuten, dass es sich hierbei um die Tochter der Gefangenen Miharu (Alexandra Masangkay) handelt, die bereits seit Monaten auf der Suche nach ihr war und dabei zu Tode kam.
Spontan entscheiden die beiden Männer, dem Mädchen die wertvolle Panna cotta zu überlassen, um sie vor dem Hungertod zu retten. Nachdem Baharat an den Folgen der vorherigen blutigen Kämpfe stirbt, will der ebenfalls schwer verletzte Goreng gemeinsam mit dem Mädchen auf der Plattform nach ganz oben fahren.
Eine Halluzination, in der er seinen ehemaligen Zellengenossen Trimagasi (Zorion Eguileor) sieht, bewegt ihn aber dazu, im dunklen Keller des Schachts zu bleiben und das Mädchen als einzige Botschaft nach oben zu schicken.
Tot oder lebendig: Was geschieht mit Goreng am Ende?
Natürlich hinterlässt das Ende von Der Schacht viele offene Fragen. So kann man über den Fortgang der Geschichte lediglich spekulieren, denn wie die Köche oder gar die Verwaltung des Gefängnisses auf das nach oben gesandte Mädchen reagieren werden, ist ungewiss.

In der Verwaltung des Schachts haben Gefühle keinen Platz — Bild: Netflix
Das Schicksal von Goreng wird hingegen umso deutlicher. Seine Entscheidung, bei dem toten Trimagasi in der Dunkelheit der untersten Ebene zu bleiben und nicht mit nach oben zu fahren, lässt nur eine logische Schlussfolgerung zu: Goreng ist bereits gestorben oder gibt sich zumindest bereitwillig dem Tode hin.
Er betrachtet seine persönliche Mission als erfüllt und sieht den Tod gewissermaßen als Erlösung von all den Qualen der letzten Monate an. Schließlich hat auch er Dinge getan, die gegen seine ethischen Prinzipien verstoßen und ein normales Weiterleben in der Außenwelt praktisch nicht mehr möglich machen. Ob er mit seiner heldenhaften Tat eine Veränderung des Systems herbeiführen kann, weiß er zwar nicht, es liegt allerdings auch nicht mehr in seiner Hand.
Für Dich haben wir unter anderem auch die Netflix-Filme Horse Girl und In the Shadow of the Moon ausführlich erklärt.
Erklärungsansatz Nr. 1 zu Der Schacht: Eine Geschichte über den Kapitalismus
Es gibt drei Arten von Leuten: die von oben, die von unten, die, die fallen.
Die so zynische wie pragmatische Weltanschauung Trimagasis könnte kaum treffender den kapitalistischen Grundsatz des realen Lebens widerspiegeln. So symbolisieren die Ebenen im Schacht das Klassensystem unserer Gesellschaft, wofür Regisseur Gaztelu-Urrutia radikale und eingängige Bilder findet.
Die Menschen von „oben” leben im Überfluss, werden aber weiterhin begünstigt. Sie besitzen die Entscheidungsgewalt, welche Güter – in diesem Fall Essen – bei den niedriger gestellten Schichten ankommen. Die „unten” lebenden Leute führen hingegen ein Leben voller Entbehrungen und sehen keine realistische Möglichkeit, ihrer sozialen Benachteiligung zu entfliehen.

Mit Miharu ist nicht zu spaßen — Bild: Netflix
Die Mittelschicht, zu der Goreng anfangs dank Ebene 48 gehört, lebt stattdessen in steter Ungewissheit, da der Grat zwischen Aufstieg und Niedergang ein äußerst schmaler ist.
Im Gegensatz zum echten Leben werden in Der Schacht die Karten immerhin regelmäßig neu gemischt, weshalb wirklich jeder sowohl als Profiteur als auch als Verlierer des Systems enden kann. Dass selbst dieser Eingriff von außen nicht zu der erhofften „spontanen Solidarisierung” der Schacht-Insassen führt, kann durchaus als zynischer Kommentar der Macher zum Zustand der realen Welt verstanden werden.
Demnach siegen Egoismus und Selbsterhaltungstrieb stets über Menschlichkeit und das Allgemeinwohl, ganz nach dem Motto: Was geht mich fremdes Elend an? Daher wäre es auch alles andere als unwahrscheinlich, dass Gorengs Aufopferung keinen Effekt auf die restlichen Insassen oder die Küchenmitarbeiter des Schachts hat.
Ein Hinweis darauf könnte der Roman „Don Quijote” sein, den Goreng während seiner Haft liest. Dessen Titelfigur führt bekanntlich einen ausweglosen Kampf gegen Windmühlen, den er schlicht und einfach nicht gewinnen kann. Auch Goreng findet sich in solch einer Situation wieder: Sein Kampf gegen die Mühlen des Systems ist ebenso aussichtslos, da es mehr als einen Menschen braucht, um Veränderung herbeizuführen.

Das letzte Abendmahl für Goreng und Trimagasi? — Bild: Netflix
Erklärungsansatz Nr. 2 zu Der Schacht: Alles nur eine religiöse Metapher?
Eine weitere Interpretationsmöglichkeit von Der Schacht geht in eine völlig andere Richtung. Hier spielen vorrangig biblische Motive eine Rolle, was durch das symbolträchtige Setting des Films durchaus unterstützt wird.
Die Allegorie von Himmel und Hölle ist hierbei am offensichtlichsten: Oben erwartet einen das Paradies inklusive leckerem Festmahl, unten die ewige Verdammnis. Passend dazu gibt es im Schacht 666 Gefangene auf 333 Ebenen. Während erstere Zahl allgemein als die des Teufels bekannt ist, könnte die 333 für die Dreifaltigkeit im Christentum stehen.
Dieser Annahme folgend, stellt das Gefängnis die Schöpfung Gottes dar, die der Menschheit als Offenbarung und Inspiration für ein besseres Zusammenleben dienen soll. Die 666 Insassen verkörpern selbst jedoch den Teufel, der diesen Plan durchkreuzt und einer solidarischen Gemeinschaft damit im Weg steht.
Goreng wird im Film sogar als Messias bezeichnet, was diese These noch bekräftigt. Nach seinem Abstieg in die Hölle erkennt er allerdings, dass nicht er der Erlöser ist, da er schon zu viele Sünden begangen hat. In dem namenlosen Kind sieht er schließlich die wahre „Botschaft”, den Befreier der Menschen, der gen Himmel fährt.
Da es für die Existenz des Mädchens keine (bio)logische Erklärung gibt, sind die Parallelen zur Bibel „völlig klar”, um Trimagasis Mantra im Film zu zitieren. Auch Jesus Christus entstand darin durch unbefleckte Empfängnis und veränderte den Verlauf der Geschichte entscheidend. Eine Bestimmung, die nun dem Mädchen zugedacht sein könnte.
Wie würdest Du das Ende von Der Schacht interpretieren? Sag es uns in den Kommentaren!