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Der junge Wallander: Die Kritik zur Prequel-Serie bei Netflix
Am 3. September startet die Krimiserie „Der junge Wallander“ bei Netflix. Die sechs Episoden der ersten Staffel erzählen die Vorgeschichte des berühmten schwedischen Ermittlers Kurt Wallander. Ob sich die Serie lohnt, erfährst Du in unserer Kritik.
„Der junge Wallander” und viele weitere Serien kannst Du übrigens auf Deinem Netflix-Account auch mit Vodafones GigaTV sehen.
Spätestens seit der Romanadaption „Verblendung“ hat sich die schwedische Krimi-Szene international im Entertainment-Segment etabliert. Die Millennium-Trilogie des Autors Stieg Larsson, die mit den Filmen „Verdammnis“ und „Vergebung“ abgeschlossen und 2011 mit dem oscarprämierten US-Reboot „Verblendung“ von Regisseur David Fincher („Fight Club“) neu aufgelegt wurde, gehört zu den erfolgreicheren skandinavischen Werken des Genres.
Kurt Wallander: Ein Ermittler mit Geschichte
Doch schon 1991 sorgte ein schwedischer Autor mit seinen Kriminalromanen für Aufsehen. Damals schuf Henning Mankell den Ermittler Kurt Wallander, dessen erster Fall schon 1993 unter dem Titel „Mörder ohne Gesicht“ in den deutschen Bücherregalen stand. Zwölf Fälle löste der schwedische Polizist seitdem bis 2013.
Rolf Lassgård („Ein Mann namens Ove“) verkörperte Kurt Wallander zwischen 1997 und 2007 in insgesamt neun schwedischen Verfilmungen. Krister Henriksson („The Fall – Tod in Belfast“) spielte den eigenbrötlerischen Kommissar in der 32-teiligen Co-Produktion „Mankells Wallander“, während Kenneth Branagh („Mord im Orient Express“) ihm in weiteren zwölf Filmen der BBC ein Gesicht gab.
Nun also will Serienschöpfer und Drehbuchautor Ben Harris („Devils“) in Zusammenarbeit mit den Regisseuren Ole Endresen („Lilyhammer“) und Jens Jonsson („The Spy“) die Origin-Story von Kurt Wallander in „Der junge Wallander“ erzählen. Dabei verlegt die sechsteilige Netflix-Serie ihre Handlung in die heutige Zeit und bringt die Zeitlinie des Wallander-Universums damit gehörig ins Wanken.
Der junge Wallander bei Netflix: Die Handlung der Krimiserie
Jungpolizist Kurt Wallander (Adam Pålsson) führt abseits seines Berufs ein bescheidenes Dasein mitten in der südschwedischen Stadt Malmö. Zusammen mit seinem Partner Reza (Yasen Atour) hangelt er sich von Fall zu Fall, bis ihm eher durch Zufall im wahrsten Sinne des Wortes eine Bombe in den Schoß fällt.
Denn im zwielichtigen Malmöer Stadtteil Rosengård, wo Wallander mitten in einem Plattenbau wohnt, kommt es eines Nachts zu einem Tumult. Schockiert muss der Polizist feststellen, dass ein junger Mann mit einer scharfen Granate im Mund an einen Zaun gefesselt wurde. Nachdem die Bombe gezündet wurde, macht sich die Polizei auf die Suche nach dem Mörder.
Erster Verdächtiger ist Ibra (Jordan Adene), ein Junge aus dem Viertel und ein guter Freund von Wallander. Der Kommissar glaubt an die Unschuld Ibras und tut alles dafür, den wahren Täter zu finden. Doch der grausame Mord fordert auch beim Ermittler seinen Tribut: Traumatisiert von den Ereignissen und seiner eigenen Hilflosigkeit muss Wallander nicht nur den Fall aufklären, sondern auch seine Psyche und sein Privatleben in den Griff bekommen.
Zu allem Überfluss scheint hinter dem Mord auch ein politisches Motiv zu stehen. Das bekommen Wallander und seine Kollegen während einer Anti-Ausländer-Demonstration am eigenen Leibe zu spüren. Im Hintergrund zieht zudem noch ein geheimnisvoller Millionär die Fäden. Wallander und sein Team geraten immer tiefer in die Fänge des organisierten Verbrechens.
Beklemmende Atmosphäre und viel Regen
„Der junge Wallander“ legt von Beginn an ein hohes Tempo vor und besticht vor allem mit einer intensiven und teilweise beklemmenden Atmosphäre. Das Leben im Stadtteil Rosengård ist kein Zuckerschlecken, wie die ersten Szenen eindrucksvoll belegen. Die düstere Grundstimmung setzt sich während der ersten Episoden konsequent fort und passt zur schweren inhaltlichen Thematik, die schwedische Krimis auszeichnet.
Eine gelegentliche Auflockerung der Szenerie hätte der Serie aber gutgetan. Fast durchgängiges Regenwetter und wenig Sonnenschein sorgen nicht nur bei den Protagonisten für gedrückte Stimmung. Einziger Lichtblick bleibt die Liebesgeschichte zwischen Kurt und Mona (Ellise Chappell), die aber schnell in genre-übliche Klischees abdriftet.
Recht hervorragend hingegen gestaltet sich die Kameraarbeit der beiden Regisseure. Lange Einstellungen mit viel Bildsprache werden punktuell eingesetzt und unterstreichen so bestimmte Szenen. Am Ende der ersten Episode sehen wir Wallander vor einer U-Bahn-Treppe nur als Silhouette, während eine Pyrofackel im Hintergrund in Zeitlupe herunterstürzt und die Szenerie in ein unheimliches Rot-Schwarz taucht. Nur einer von mehreren atmosphärischen Gänsehaut-Momenten.
Spannend, aber wenig originell
Allerdings – und das bleibt der größte Kritikpunkt an „Der junge Wallander“ – scheinen die kunstvoll inszenierten Bilder und die schwere Hintergrundmusik zu sehr von der generischen Handlung ablenken zu wollen. Denn im Kern ist die Netflix-Produktion eine Krimiserie, die kaum Experimente eingeht. Das Ergebnis ist nicht schlecht, erfindet das Rad aber auch nicht neu.
Das soll allerdings nicht heißen, dass es „Der junge Wallander“ an Spannung mangelt. Die gibt es nämlich genug. Nach und nach entfalten sich die Handlungsstränge, verwickelt sich Wallander in immer größere Zusammenhänge, kommen osteuropäische Waffenschmuggler und ein geheimnisvoller Multimillionär ins Spiel. Das alles wurde aber in irgendeiner Form schon einmal beleuchtet und strahlt wenig Originalität aus. Die Faszination der Netflix-Serie liegt vor allem in ihrer thematischen Aktualität, auch wenn Rassenunruhen und der aufkommende Rechtspopulismus nicht erst seit gestern in aller Munde sind.
Adam Pålsson als Kurt Wallander: Nur äußerlich ein Hingucker
In diese Geschichte wird Hauptdarsteller Adam Pålsson („Die Brücke – Transit in den Tod“) als Kurt Wallander geworfen. Melancholisch dreinblickend ermittelt er sich durch Malmö, versucht stets, das Richtige zu tun, gerät aber von einem Schlamassel in das nächste und wird zum Spielball der Mächtigen. Schauspielerisch bleibt Pålsson leider etwas blass. Die eintönige Fassade des Polizisten macht schon fast ein wenig mürbe, weil das Potenzial des 32-jährigen Schweden hin und wieder durchaus aufblitzt. Doch mehr als ein trauriger Blick und eine nette Oben-ohne-Szene sind für Pålsson letztlich nicht drin.
Dafür stechen andere Charaktere hervor. Richard Dillane („The Last Kingdom“) als mürrischer Chefermittler Hemberg, der es mit der Ehrlichkeit nicht ganz so genau nimmt, avanciert zum Mentor für Wallander. Seine abgeklärte Art steht im passenden Kontrast zum Idealismus seines Protegés. Jordan Adene („Wanderlust“) und Charles Mnene („Misfits“) spielen ihre Charaktere ebenfalls hervorragend und geben der Migrantenszene ein Gesicht.
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Der junge Wallander bei Netflix: Ein würdiges Prequel?
Letztlich hinterlässt „Der junge Wallander“ einen gemischten Eindruck. Wer gute Unterhaltung und eine spannende Krimi-Story ohne größeren Tiefgang sucht, ist hier auf jeden Fall an der richtigen Stelle.
Wer allerdings ein durch und durch würdiges Prequel zum bekannten Kurt Wallander erwartet, dürfte enttäuscht zurückbleiben. Wirkliche Überschneidungen mit dem Kultermittler gibt es nur sporadisch. Zum Beispiel, wenn Wallander im Auto nach seiner Vorliebe für klassische Musik gefragt wird – eine klare Referenz zur Buchfigur.
Zudem bleibt die Frage offen, warum die Serie überhaupt als Prequel zur „Wallander”-Reihe konzipiert werden musste. Im heutigen Prequel- und Reboot-Wahn der Unterhaltungsbranche ist dies sicher nicht verwunderlich. Aber „Der junge Wallander“ würde sicherlich auch als Standalone-Produktion funktionieren. Wer den Ermittler nicht kennt, dürfte die Anspielungen nicht einmal bemerken.
Serien wie Der junge Wallander: Starke Ermittler bei Netflix
„Der junge Wallander“ kann zwar mit einer guten Geschichte aufwarten. Wir hätten uns aber einen charismatischeren Ermittler gewünscht. Glücklicherweise hat Netflix einige Serien mit starken Charakteren im Angebot.
Pures Charisma strahlt Benedict Cumberbatch („Doctor Strange“) als eigenwilliger Kult-Detektiv Sherlock Holmes in „Sherlock“ aus. An seiner Seite ermittelt Martin Freeman („Black Panther“) als Dr. John Watson. Zusammen klären die beiden die kompliziertesten und skurrilsten Fälle der Kriminalgeschichte auf. Der Humor kommt dabei nicht zu kurz und bietet so eine perfekte Abwechslung zu „Der junge Wallander“. 13 etwa spielfilmlange Folgen von „Sherlock“ hat Netflix für Dich parat.
Ein ganzes Ermittler-Team mit eigenwilligen Charakteren hat „Mindhunter“ zu bieten. Die von „Verblendung“-Regisseur David Fincher hochwertig produzierte Krimiserie erzählt von den Ursprüngen des Profilings und folgt einer Gruppe von Pionieren innerhalb des FBI, angeführt von Holden Ford (Jonathan Groff), Bill Trench (Holt McCallany) und Dr. Wendy Carr (Anna Torv). Jede Folge widmet sich einem neuen Fall und stellt Interviews mit den berühmten Serienmördern in den Fokus der Geschichte. Zeitlich spielen die zwei Staffeln von „Mindhunter“ in den späten 1970er-Jahren und fungieren im Grunde als Prequel zu allen weiteren Crime-Serien.
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