TV & Entertainment
Das letzte Wort: Die Kritik zur deutschen Netflix-Dramedy mit Anke Engelke
In der neuen Netflix-Dramedy „Das letzte Wort“ schlüpft Komikerin Anke Engelke in die Rolle einer taffen Witwe, die ihrer Berufung als Trauerrednerin folgt und die Friedhöfe Berlins gehörig aufmischt. Ob sich die deutsche Miniserie lohnt, erfährst Du in unserer Kritik.
„Das letzte Wort” und viele weitere Serien kannst Du übrigens auf Deinem Netflix-Account auch mit Vodafones GigaTV sehen.
Viel kann schiefgehen, wenn eine TV-Produktion sich mit dem Thema Tod beschäftigt. Pietätlosigkeit, Verharmlosung, Respektlosigkeit, Veralberung, aber auch eine zu ernste Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des menschlichen Lebens sind Fallstricke, die Regisseure und Drehbuchautoren tunlichst zu vermeiden versuchen.
Jüngstes Beispiel für eine eher polarisierende Auseinandersetzung mit diesem heiklen Thema ist sicherlich die Coming-of-Age-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“. Das Skandalformat sorgte für gespaltene Reaktionen in sozialen Medien und beschwor besorgte Blicke bei zahlreichen Eltern herauf. Weniger skandalös, dafür mit einem gekonnten Spagat zwischen Komik und Ernsthaftigkeit, präsentiert sich dagegen die deutsche Produktion „Der Tatortreiniger“.
Nun soll „Das letzte Wort“ mit Comedy-Veteranin Anke Engelke („Ladykracher“) sich mit dem Tod auseinandersetzen. Ab dem 17. September sind die sechs Folgen der ersten Staffel bei Netflix verfügbar. Doch wie gehen die Regisseure Aron Lehmann („Das schönste Mädchen der Welt“) und Pola Beck („Liebe.Jetzt!“) nun mit dem sensiblen Thema um?
Das letzte Wort bei Netflix: Die Handlung
Karla Fazius (Anke Engelke) könnte kaum glücklicher mit ihrem Leben sein: Ihr Mann Stephan (Johannes Zeiler) arbeitet als erfolgreicher Zahnarzt, ihr Sohn Tonio (Juri Winkler) ist nicht nur gut in der Schule, sondern auch sonst ein anständiger Kerl. Sie selbst genießt das Leben in vollen Zügen. Kein Wunder, dass die Familie den 25. Hochzeitstag von Karla und Stephan gebührend feiert. Doch nach dem rauschenden Fest inklusive einer beschwipsten Gesangseinlage bricht Stephan plötzlich leblos zusammen.
Zeit zum Trauern bleibt zunächst keine. Die Beerdigung muss organisiert werden. Bestatter Andreas Borowski (Thorsten Merten), nicht gerade vom Geschäftsglück gesegnet, ergattert den Auftrag und plant die Zeremonie. Zusammen mit seinem Stiefsohn (Aaron Hilmer) führt Borowski das Familienunternehmen, steckt aber in extremen finanziellen Schwierigkeiten, ganz zu schweigen von seinen offensichtlichen Eheproblemen.
Doch der lukrative Bestattungsauftrag löst sich urplötzlich in Luft auf. Denn zu ihrem Schock muss Karla feststellen, dass ihr Mann in den letzten zwei Jahren keinen Fuß in seine Zahnarztpraxis setzte und stattdessen heimlich in einer angemieteten Halle seinen künstlerischen Leidenschaften frönte. Kurzum: Die Witwe, ihr Sohn und ihre aus dem Ausland angereiste Tochter (Nina Gummich) sind pleite.
Also muss die geplante Beerdigung deutlich kleiner ausfallen als geplant. Den Job des Trauerredners übernimmt Borowski höchstpersönlich. Allerdings gerät der Vortrag zum Desaster, weshalb Karla kurzerhand selbst übernimmt und die Trauergemeinde und den Bestatter mit ihrer schonungslos ehrlichen Ansprache schwer beeindruckt.
Überzeugt, dass sie es als Trauerrednerin weit bringen könnte, findet Karla ihre neue Berufung und beeindruckt erste Kunden mit ihrer einfühlsamen Art. Doch ihr Privatleben gerät immer mehr aus den Fugen, weil sie insgeheim noch einiges mit ihrem toten Mann zu klären hat. Und auch die Beziehung zwischen Mutter und Kindern verlangt nach Reparaturarbeiten.
Anke Engelke in Das letzte Wort: Nur die Spitze des Eisbergs
Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: „Das letzte Wort“ ist eine großartige Serie, die von Beginn an packt und Dich nicht mehr loslassen wird. Verantwortlich dafür sind vor allem die starken Charaktere und die überzeugenden schauspielerischen Leistungen, angefangen bei Anke Engelke.
Die 54-Jährige spielt ihre Rolle der taffen, aber auch verletzlichen und teilweise völlig überforderten Witwe überragend. Authentizität ist hier das Stichwort, denn die Gedanken, Gefühle und Handlungen von Karla sind jederzeit nachvollziehbar. Das wiederum erzeugt eine hohe Empathie beim Zuschauer und eine emotionale Bindung an die Figur.
Überhaupt werden alle Charaktere der Familie Fazius bemerkenswert bedacht in Szene gesetzt. Die Sorgen und Ängste des pubertierenden Sohnes Tonio, die anfängliche Distanz zwischen Karla und ihrer Tochter, die Rücksichtslosigkeit von Oma Mina (Gudrun Ritter) – all das sind bekannte Alltagsprobleme, die die Figuren bewältigen müssen. Vereint werden sie zu Beginn lediglich in ihrer Trauer um ihren Vater und Ehemann.
Und auch Thorsten Merten macht als liebenswerter Bestatter mit Dackelblick und Alkoholproblemen stets eine gute Figur. Seine etwas hilflose Art auch in Bezug auf seine Ehe sorgt für Lacher, aber auch Mitgefühl. Dazu kommt die spürbare Chemie mit Engelke, welche die Interaktionen zwischen dem Bestatter und der frisch gebackenen Trauerrednerin sehr unterhaltsam macht.
Du suchst neuen Binge-Stoff? In unserem Netflix-Serien-Guide 2020 findest Du Nachschub!
Humor und Tod: Ein Ritt auf der Rasierklinge
Nun zur wichtigsten Frage, die sich bei „Das letzte Wort“ offensichtlich stellt: Gelingt der Spagat zwischen Komik und angemessener Auseinandersetzung mit dem Thema Tod? Die Antwort lautet zweifellos „Ja“. Die Balance zwischen beiden emotionalen Extremen gestaltet sich hier nahezu perfekt. Fließend gleiten die Zuschauer von tränenreichen Szenen in heitere Alltagskomik.
Dabei driftet keiner der beiden Gegensätze ins Extreme ab, was der Serie sehr gut tut. Wenn zum Beispiel der Sarg einer alten Dame von ihrer jahrelang unterdrückten Tochter in einer Kirche voller Hippies mit einem Stuhl malträtiert wird, schafft „Das letzte Wort“ gerade im richtigen Moment den emotionalen Umschwung.
So wirkt kaum eine humoristische Szene albern, kaum eine ernste Szene zu bedeutungsschwanger. Die tränenreichen Zusammenbrüche der Protagonisten werden häufig mit Musik hinterlegt. Verzweifeltes Gekreische bleibt Zuschauern größtenteils erspart. Trotzdem schafft es „Das letzte Wort“, immer wieder ganz subtil auf die Tränendrüsen zu drücken.
In der ganzen Emotionalität gelingt es den Verantwortlichen aber auch, sensible Fragen zu stellen. Um wen geht es eigentlich bei einer Beerdigung – um die Verstorbenen oder die Hinterbliebenen? Ist der Tod wirklich das Ende? Wollen wir unsere Verstorbenen tränenreich betrauern oder ihr gelebtes Leben lieber euphorisch feiern?
Das letzte Wort bei Netflix: Nicht alles gelingt
Doch auch die ein oder andere Schwäche lässt sich in der Netflix-Serie „Das letzte Wort“ ausmachen, die man allerdings gerne verzeiht.
Da sind zum Beispiel zwei Charaktere, die deutlich überzeichnet sind und dann doch in manchen Szenen eher albern inszeniert werden. Zum Beispiel, wenn Oma Mina Pornos schauend mit einem Glas Weißwein im Pflegebett die Familie belästigt. Oder wenn Andreas Borowskis Ehefrau Frauke (Claudia Geisler-Bading) ihrer Gehässigkeit gegenüber ihrem Mann freien Lauf lässt. Vor allem Letztere geht dem Zuschauer rasch auf die Nerven und kommt innerhalb der Serie nie über den Status des fiesen Ehedrachen hinweg.
Leider macht „Das letzte Wort“ außerdem den Fehler, zu viele thematische Nebenschauplätze in den Fokus zu rücken. Pubertät, Homosexualität, mütterliche Überfürsorglichkeit, Halluzinationen, familiäre Geheimnisse, Sterbehilfe – alles wird abgehandelt und wirkt dabei ein wenig so, als würden die Produzenten eine Themenliste stoisch abarbeiten wollen.
Schließlich treffen die Verantwortlichen im Serienverlauf eine wichtige Entscheidung, die viele Zuschauer eventuell nicht nachvollziehen können werden. Dieser Handlungsstrang ist für Karla von großer Bedeutung, hätte filmisch aber auch eleganter gelöst werden können. Mehr wollen wir an dieser Stelle aber nicht verraten.
Lohnt sich die deutsche Dramedy bei Netflix?
Die neue Netflix-Dramedy „Das letzte Wort“ überrascht positiv und gehört zu den absoluten Geheimtipps beim Streamingdienst. Die sechs Episoden haben teilweise ihre Längen, aber der überragende Cast kaschiert die kleineren Mängel einwandfrei. Vor allem Engelke liefert als trauernde Witwe eine überzeugende Vorstellung ab.
Größte Pluspunkte von „Das letzte Wort“ sind der pietätvolle Umgang mit dem zugrundeliegenden Thema und der gelungene Spagat zwischen Comedy und Tragödie. Die heikle Thematik gewinnt dadurch an Leichtigkeit und regt zum Nachdenken an. Aron Lehmann und Pola Beck ist mit „Das letzte Wort“ ein großer Serien-Wurf gelungen.
Gute Laune gefällig? Diese Filme und Serien machen glücklich.
Wie hat Dir „Das letzte Wort“ gefallen? Verrate es uns in den Kommentaren!