TV & Entertainment
Da 5 Bloods auf Netflix: Die Kritik zu Spike Lees Vietnamkriegsdrama
Mit „Da 5 Bloods” feiert Regie-Ikone Spike Lee nach der Serie „Nola Darling” nun auch seinen Filmeinstand bei Netflix. Sein Drama ist ein wütender Antirassismus-Appell, der Kriegstraumata und Familienkonflikte thematisiert, aber auch als abenteuerliche und blutige Schatzsuche daherkommt. Wie und ob das alles zusammenpasst, erfährst Du in unserer Kritik zum Film.
Spike Lee ist nicht gerade dafür bekannt, einen subtilen Ton zu bewahren und mit seiner Meinung hinter dem Berg zu halten. Das ist seinen Arbeiten als Regisseur schon seit jeher anzumerken. Was in seinem Durchbruchswerk „Do the Right Thing” seinen Anfang nahm – nämlich der zornige Protest gegen rassistische Strukturen in den USA – führte Lee über Jahrzehnte gnadenlos weiter und mündete nun in seinen neuesten Film „Da 5 Bloods”.
Es lässt sich bereits erahnen, was passiert, wenn jemand wie Lee einen Film für Netflix dreht und nicht den Restriktionen einer Kinoproduktion ausgesetzt ist. Mit diesen neuen Freiheiten ausgestattet, kennt der 63-jährige Oscarpreisträger erwartungsgemäß so gar kein Halten mehr und lässt mit „Da 5 Bloods” einen lauten und energetischen Genremix auf die Streaming-Zuschauerschaft los, der sicherlich für gespaltene Gemüter sorgen wird.
Was die einen vermutlich für mindestens gewöhnungsbedürftig halten, dürfte wohl bei anderen wiederum immense Faszination auslösen. Klar ist aber auf jeden Fall: „Da 5 Bloods” wird niemanden komplett kaltlassen.
„Da 5 Bloods” kannst Du übrigens auf Deinem Netflix-Account auch mit Vodafones GigaTV anschauen.
Die Handlung von Da 5 Bloods: Blut, Gold und Tränen
Die afroamerikanischen Freunde und ehemaligen Kriegskameraden Paul (Delroy Lindo), Otis (Clarke Peters), Melvin (Isiah Whitlock, Jr.) und Eddie (Norm Lewis) treffen sich nach vielen Jahren in Vietnam wieder. Einst kämpften sie hier Seite an Seite im Vietnamkrieg, wo ihr Anführer und Mentor Norm (Chadwick Boseman) sein Leben lassen musste.
Nun haben sich die vier Veteranen erneut zusammengefunden, um am damaligen Kriegsschauplatz die sterblichen Überreste ihres geliebten Freundes zu suchen und in die amerikanische Heimat zu überführen.
Doch ihre gewagte Mission hat auch noch eine andere Antriebsfeder: Vor über fünfzig Jahren entdeckte die Truppe bei einem Einsatz eine Kiste voller Goldbarren, die sie anschließend vergruben, um sie eines Tages bergen und den wertvollen Inhalt unter der schwarzen Bevölkerung verteilen zu können.
Begleitet von Pauls Sohn David (Jonathan Majors) machen sich die „Bloods” also auf den Weg in den vietnamesischen Dschungel. Die abenteuerliche Expedition wird dabei nicht nur zu einem gefahrvollen Überlebenskampf, sondern auch zu einer dunklen Reise in die Vergangenheit, die kaputte Seelen und verdrängte Geheimnisse zum Vorschein kommen lässt.
Da 5 Bloods als wütender Aufschrei: Rassismuskritik mit dem Dampfhammer
Die Absicht, einen politischen Kriegsfilm zu machen, der zugleich als Actionthriller, Charakterdrama und Buddy-Abenteuer funktionieren soll, ist durchaus ambitioniert. Dass dabei auch ziemlich viel schiefgehen kann, gehört zu den Gefahren eines solchen Regie-Unterfangens. Spike Lee scheint das jedoch ziemlich egal zu sein und schmeißt in „Da 5 Bloods” sämtliche Ideen in einen Topf, als hätte Quentin Tarantino höchstpersönlich kreativ am Set gewütet.
Im Gegensatz zu seinem berühmten Kollegen gelingt es Lee bei seinem neuesten Werk allerdings nicht, die von ihm selbst losgetretene Lawine an Einfällen rechtzeitig zu stoppen und in geordnete Bahnen zu leiten.
Zu lang und unfokussiert mutet „Da 5 Bloods” an, was wirklich schade ist, denn Spike Lee hat sehr wohl etwas zu erzählen. Das Netflix-Drama widmet sich einer selten gezeigtem Thematik des Vietnamfilms, indem es das Schicksal von schwarzen Soldaten während dieses dunklen Kapitels der US-Geschichte in den Mittelpunkt rückt.
So offenbart Lee beispielsweise, dass der prozentuale Anteil an afroamerikanischen Soldaten im Vietnamkrieg deutlich höher war als der in der gesamten US-Bevölkerung. Derartige Enthüllungen verknüpft er mit der gegenwärtig immer präsenter werdenden Rassismus-Debatte und macht dadurch umso mehr auf aktuelle gesellschaftliche Missstände aufmerksam. Einen relevanteren Film in Zeiten von Black Lives Matter kann man wohl kaum inszenieren.
Aller ehrenwerten Intentionen zum Trotz gelingt Lee dieser cineastische Appell aber nicht gerade auf die cleverste Art und Weise. Seine Botschaft ist von Beginn an klar und dürfte selbst vom ignorantesten Zuschauer verstanden werden: Viele Jahre mögen vergangen sein, die Problematik ist jedoch weiterhin dieselbe. Der Krieg war nie vorbei, herrscht er doch längst vor der eigenen Haustür.
Aber der Regisseur lässt in seinem Film nicht den geringsten Platz für eigene Gedanken und betont in nahezu jeder Szene, was er von der damaligen und aktuellen Politik Amerikas hält. Dabei spart er auch nicht mit brutalen und expliziten Bildern von realen und fiktiven Gewalttaten.
Natürlich ist diese Form der wütenden Polemik schon immer ein Markenzeichen Spike Lees gewesen, selten prügelte er sie aber so dampfhammerartig in die Köpfe seines Publikums wie hier.
Da 5 Bloods als Trash-Abenteuer: Wenn Scheitern Spaß macht
Das Drehbuch von Danny Bilson und Paul De Meo, das Lee gemeinsam mit Kevin Willmott überarbeitete, steht seinem Anliegen ebenfalls im Weg. Fast scheint es so, als wäre das Autorenteam mit dem Anspruch, trotz aller Sozialkritik einen Unterhaltungsfilm machen zu wollen, überfordert gewesen.
Besonders sauer stoßen da die unnötig klischeebehafteten Szenen auf: Die uneheliche Tochter, von der Otis erst Jahrzehnte später erfährt. Der zwielichtige Geschäftsmann Desroche (Jean Reno), der sich wenig überraschend als Antagonist entpuppt. All das paart Lee mit einer wahren Orgie an Deus ex machina-Momenten, die genauso gut aus einem trashigen B-Movie stammen könnten.
Es zeugt nicht gerade von narrativem Geschick, wenn David beim „großen Geschäft” rein zufällig auf einen Goldbarren stößt oder dieselbe Figur auf eine Landmine tritt und nur Sekunden später eine Gruppe von Landminenbeseitigungsexperten auftaucht.
Mit derartigen Sequenzen tat Lee sich und seinem Film absolut keinen Gefallen. Und doch bekommt er letztendlich irgendwie die Kurve, dass man als Zuschauer weiterhin bei der Stange bleibt. Zu groß ist dann einfach die Neugier, was in diesem exzentrischen Genrepotpourri als nächstes passiert.
Tatsächlich stellt sich in den weniger ernsthaften Momenten von „Da 5 Bloods” sogar ein wohliges „Indiana Jones”-Gefühl ein, was nicht zuletzt der heroisch-entrückten Musik von Terence Blanchard („BlacKkKlansman”) geschuldet ist.
Dieser augenzwinkernde und unverkrampfte Teil des Films funktioniert daher ironischerweise deutlich besser, weshalb man Spike Lee auch gerne verzeiht, dass mit ihm inszenatorisch hin und wieder die Pferde durchgehen.
Da 5 Bloods als spätes Sprungbrett: Alter Hase auf Oscarkurs
Nichtsdestotrotz hat Spike Lee für „Da 5 Bloods” auch sehr gute Entscheidungen getroffen. Dazu gehört in allererste Linie der Cast des Films, der sich als wahrer Geniestreich entpuppt. Gut und gerne hätte Lee auf Nummer sicher gehen und absolute Top-Stars Hollywoods in den Hauptrollen besetzen können.
Letztendlich engagierte er aber unter anderem Delroy Lindo, Clarke Peters und Isiah Whitlock Jr. als „Bloods” und setzte damit auf Erfahrung statt Bekanntheit. Deren jüngere Kollegen Chadwick Boseman und Jonathan Majors runden die perfekt abgestimmte Darstellerriege ab.
Die „The Wire”-Veteranen Peters und Whitlock Jr. als Otis und Melvin glänzen durch authentische Darbietungen von Männern, die viel Leid verarbeiten mussten und trotzdem ihren Optimismus bewahrt haben.
Es gibt nicht viele tragende Rollen für schwarze Schauspieler über 60, wenn man nicht gerade Denzel Washington oder Samuel L. Jackson heißt. Doch die beiden Darsteller nutzen ihre Chance bravourös, indem sie viel Feingefühl und Erhabenheit in ihre Figuren investieren.
Das eindeutige Highlight des Films ist jedoch zweifellos Delroy Lindo. Der unter anderem aus der Komödie „Schnappt Shorty” und der Serie „The Good Fight” bekannte Brite fristete bis dato eher eine Karriere als beliebter Nebendarsteller. In „Da 5 Bloods” bietet ihm Spike Lee hingegen eine nie dagewesene Bühne, die der 67-jährige Schauspieler dankend annimmt.
Wie eine Naturgewalt fegt Lindo durch diesen Film, als wäre er schon immer Teil des unberechenbaren Dschungels Vietnams gewesen. Seine Figur des an posttraumatischer Belastungsstörung leidenden Paul wird dabei zu einer ganz eigenen Version von Marlon Brandos Colonel Kurtz in „Apocalypse Now”, der er noch einiges an Wahnsinn und Ambivalenz hinzufügt.
Seine fiebrig-intensive Performance schrammt zwar immer haarscharf an der Grenze zum Overacting vorbei, was das ohnehin radikal anmutende Gesamtbild des Films allerdings treffend ergänzt.
Mit seiner eindringlichen Darstellung eines gebrochenen und desillusionierten Kriegsveteranen, der seine Schuldgefühle nicht mit seiner Rolle als Familienvater vereinbaren kann, dürfte Delroy Lindo jetzt schon ein ganz heißer Kandidat für die kommende Oscarverleihung sein und ihm die späte Anerkennung bringen, die ihm bisher weitestgehend nicht vergönnt war.
Da 5 Bloods als polarisierendes Werk: Spike Lee bleibt Spike Lee
Dass „Da 5 Bloods” auch in anderen Kategorien für einen Oscar nominiert wird, wie es einige Kritiker bereits propagierten, ist indes eher zu bezweifeln. Dafür ist Spike Lees Film schlicht und einfach zu unausgeglichen und nur wenig raffiniert.
Seine Fans werden den Regisseur nach seinem Vietnamkriegsdrama sicher auch weiterhin für gerade diesen direkten und wenig zurückhaltenden Erzählstil lieben. Im Gegenzug werden ihn seine Kritiker zukünftig wohl nicht weniger skeptisch betrachten.
Dennoch ist es natürlich wichtig, dass es Filmemacher wie Spike Lee gibt, die gesellschaftlich benachteiligten Menschen eine Stimme geben und das Weltgeschehen nicht unkommentiert lassen können. Passend dazu heißt es auch in „Da 5 Bloods”:
Wer einen Krieg durchgemacht hat, weiß, dass der immer weitergeht.
Meister- oder Machwerk? Verrate uns in den Kommentaren, wie Dir „Da 5 Bloods” gefallen hat!