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Sharp Objects bei Sky: Die packendsten Gillian Flynn-Verfilmungen
Das Thriller-Drama Sharp Objects von HBO ist harter Serien-Tobak mit einer strauchelnden Protagonistin, die mit selbstzerstörerischen Tendenzen zu kämpfen hat. Der Stoff stammt ursprünglich aus der Feder von Erfolgsautorin Gillian Flynn. Wir erklären, warum ihr Sharp Objects sehen müsst und stellen euch drei weitere spannende Gillian Flynn-Verfilmungen vor, die ihr euch nicht entgehen lassen solltet!
„Es geht um eine sehr düstere Figur, einen wirklich düsteren Stoff. Amy will diese Figur nicht noch einmal wiederbeleben und das kann ich verstehen. Sie verlangt einer Schauspielerin extrem viel ab”, erklärte HBO-Programmchef Casey Bloys unlängst im Gespräch mit dem amerikanischen Entertainment-Magazin Deadline zur neuen Thriller-Serie Sharp Objects. Eine zweite Staffel mit Golden Globe-Gewinnerin Amy Adams sei daher sicher ausgeschlossen.
Eine beinahe schon erfrischende Überraschung in Zeiten, in denen Serien mit größerer Zuschauerbindung über ihr Potenzial hinaus auf der Entertainment-Streckbank unnötig in die Länge gezogen werden. So kommt im Gegensatz dazu die Serien-Adaption des Bestseller-Romans Cry Baby von Gillian Flynn dort, wo auch seine literarische Vorlage auserzählt ist, zu einem Ende.
Dass die hochtalentierte Schauspielerin Amy Adams (Arrival, American Hustle) aus Hollywoods A-Riege sich nicht ein zweites Mal in die Haut ihrer Hauptfigur begeben will, versteht, wer sich das Serien-Juwel zu Gemüte führt: Flynns Camille Preaker kommt in kaum einer Folge ohne Kippen, Klaren und Klingen aus.
Auf der HBO Television Critics Association Press Tour gab die Schauspielerin zu, während und nach dem Dreh von Sharp Objects unter starker Schlaflosigkeit und Angstzuständen gelitten zu haben. „Ich habe schließlich realisiert, dass beides nicht zu mir, sondern zu dieser zehrenden Rolle gehörte”, so die Schauspielerin. Kein Zweifel, dass Adams für genau diese Rolle eine Golden Globe-Nominierung erwarten dürfte.
Sharp Objects: Camille, die zerrissene Seele
Journalistin Camille Preaker (Amy Adams), Redakteurin des lokalen St. Louis Chronicle, schaudert es, als Chefredakteur und väterlicher Freund Frank Curry (Miguel Sandoval) ihr ein ganz besonderes Reportagen-Projekt aufdrückt: Im verschlafenen Südstaaten-Kaff Wind Gap wurde ein Mädchen erwürgt, ein weiteres gilt als vermisst. Curry wittert eine Story, „mit vielen Fakten und möglichst bunt”. Preaker, die dafür in ihre verhasste Heimatstadt zurückkehren muss, sträubt sich zuerst, stimmt aber schließlich zu; verspricht bissig, ihm einen „verdammten Regenbogen” zu schreiben.
Insgeheim geht ihr der vom Leben gebeutelte Alkoholikerinnen-Hintern allerdings mächtig auf Grundeis … Noch schnell einen kräftigen Schluck Hochprozentigen am Steuer, dazu eine frische Kippe und die passende musikalische Untermalung in Fom von Led Zeppelins I just can’t quit you, baby - und auf geht’s ins Epizentrum des Southern Gothic. Dort wartet auf Camille bereits die Triebfeder aller düsteren Abgründe ihrer geschundenen Seele:
Im Salon einer bonbonfarbenen Südstaatenvilla, gekleidet in ein rosafarbenes Negligée, „Haus-Pumps” und mit einem Amaretto Sour in der Hand - Southern Belle-Mutti Adora (Patricia Clarkson). Die bemüht sich umgehend, das schwierige Verhältnis zur Tochter so einfühlsam wie für sie nur möglich zu verbessern: „Diese kalte Natur hast du von deinem Vater. Darum habe ich dich auch nie geliebt. Ich glaube, daher kommt es. Ich hoffe, das erleichtert dich ein wenig” - da fällt nicht nur Camille, sondern auch dem Zuschauer glatt ein Stein aufs Herz.
Schnell erklärt sich bei so viel Südstaaten-Herzlichkeit auch, warum die Protagonistin sich regelmäßig mit scharfen Gegenständen selbst verletzt und warum ihre Haut über und über mit eingeritzten Worten wie wrong, fucked oder broken übersät ist. Und auch die Ermittlungen um den Mädchenmörder scheinen mit Camilles traumatischer Kindheitsgeschichte in Verbindung zu stehen …
Gillian Flynn: Studien über weiblichen Schmerz, weibliche Beziehungen und Rollenbilder
Die trügerische Kleinstadtidylle aus seinem Serien-Hit Big Little Lies übertrug Regisseur Jean-Marc Vallée (Wild, Dallas Buyers Club) gekonnt auf sein neustes Serien-Projekt. Sharp Objects besticht durch ein vielschichtiges Sound- sowie detailliertes Set-Design und einen kunstvollen Schnitt. Alles dient dazu, in beinahe jeder Szene das Innere der Protagonistin in vielen Details und Anspielungen nach außen zu kehren, die häufig erst auf den zweiten Blick wahrgenommen werden.
So tauchen bezeichnende Wörter nicht nur auf Camilles geschundener Haut, sondern für Sekundenbruchteile auch in ihrer direkten Umgebung auf. Eine Auflösung der meisten dieser Wörter, die die Gedanken der Protagonistin widerspiegeln, lieferte übrigens die Entertainment-Plattform Vulture.
Auch wenn das Drehbuch sich beizeiten zu sehr in die Länge zieht, entpuppt es sich bereits nach der ersten Folge als starke Studie weiblichen Seelenschmerzes. Ganz im Sinne von Romanautorin Gillian Flynn, die sich auf problematische Frauenfiguren, -beziehungen, weibliche Rollenbilder und doppelmoralische gesellschaftliche Erwartungen regelrecht spezialisiert hat. Ihr Geschichten erzählen von dem Schaden, den Frauen sich gegenseitig zufügen - ob als Mutter und Tochter, als Freundinnen oder Schwestern.
Im Interview mit der BBC erklärte die Erfolgsautorin, warum ihre Protagonistinnen stets aus der düstersten Ecke der Rollenkiste kommen:
Ich will über düstere, strauchelnde und weibliche Hauptfiguren schreiben. Diese Art von männlichen Figuren finden sich schon seit Jahrhunderten in unserer Literatur. Sie haben sich zu einem Archetyp entwickelt (…) Es ist wichtig, dass man auf der Buchseite oder dem Bildschirm nun auch mehr menschliche und reelle Frauen sieht und weniger generische Pappaufsteller. Die Literatur repräsentiert das noch nicht ausgiebig genug.
Die 47-Jährige US-Amerikanerin hat während der letzten zehn Jahre ganze Arbeit geleistet, um diese Lücke zu schließen - und das mit außerordentlichem Erfolg. Die studierte Journalistin gehörte dank Millionen verkaufter Bücher laut Forbes-Magazin 2014 zu den bestverdienenden Autoren der Welt.
Star-Regisseure wie David Fincher (Fight Club, Verblendung) und Steve McQueen (12 Years a Slave) reißen sich darum, Filmprojekte mit den Stoffen oder dem Drehbuch-Input von Flynn umsetzen zu können. Oscar-Gewinnerinnen wie Charlize Theron oder Viola Davis stehen Schlange, um für die neuste strauchelnde Hauptfigur der Erfolgsautorin vorsprechen zu können.
Wir stellen euch drei weitere Gillian Flynn-Verfilmungen und deren düstere Protagonistinnen vor, die ihr nicht verpassen dürft.
Gone Girl (2014): Amy, das perfekte Opfer
Journalistin Amy Elliott-Dunne (Rosamund Pike) scheint ein beneidenswertes Leben zu führen: Sie hat einen interessanten Job, liebt ihr Leben in New York und ist umwerfend attraktiv. Außerdem hat sie ihren Berufskollegen und Traummann Nick (Ben Affleck) geheiratet und ihre Autoren-Eltern vergöttern sie so sehr, dass sie sich von ihr zu einer Kinderbuch-Reihe namens Amazing Amy inspirieren ließen.
Doch dann muss das Paar einige Schicksalsschläge verkraften, die die schöne Fassade gehörig ins Wanken bringt. Und plötzlich verschwindet Amy spurlos. Es gibt Hinweise auf einen Mord und Amys Tagebücher unterstützen diese Theorie. Ermittler und Öffentlichkeit sind sich schnell einig: Unsympath Nick hat seine Frau umgebracht! Oder steckt vielleicht doch noch mehr dahinter?
Das spannende Psychogramm einer zutiefst gestörten Ehe wurde zum Erfolgs-Thriller und Durchbruchsroman von Gillian Flynn. Die stark besetzte Verfilmung von David Fincher (Fight Club) verliert zwar viele der zwischenzeiligen Charakterisierungen und Bedeutungsebenen des Buches, wurde von Kritikern aber dennoch sehr positiv aufgenommen. Die Verfilmung Finchers einer umstrittenen Szene fiel deutlich blutiger aus als im Roman - Gillian Flynn nahm es gelassen.
Gone Girl fährt ganz im Sinne der Romanvorlage mit einem Twist auf, der mit dem im SciFi-Drama Arrival mithalten kann, das wir bereits für euch entschlüsselten. Ein spannender Film-Abend für Thriller-Fans, ein Muss für jeden Gillian Flynn-Leser!
Dark Places (2015): Libby, die verbitterte Eigenbrötlerin
Thirtysomething Libby Day (Charlize Theron) lebt schon seit 25 Jahren ein Leben, das eigentlich keines ist: Kein Job, keine Freunde, keine Interessen. Die kleptomanische Egoistin ist der Inbegriff von Antriebs- und Freudlosigkeit. Kein Wunder: Als kleines Mädchen überlebte sie ein grausiges Familiendrama, bei dem ein brutaler Killer ihre Mutter erschoss und ihre beiden Schwestern erstach. Der verurteilte Mörder: ihr eigener Bruder Ben.
Doch plötzlich werden immer mehr Stimmen laut, die nun doch an der Schuld von Libbys Bruder zweifeln. Ein makaberer Geheimbund tritt an die verbitterte Frau heran, der sich mit ungelösten Mordfällen beschäftigt. Libby beginnt, sich mit der Vergangenheit ihres verpfuschten Lebens auseinanderzusetzen und stößt dabei auf Hinweise, die auf völlig neue Tatsachen und ein großes Familiengeheimnis schließen lassen.
Gillian Flynn stellte sich mit der Hauptfigur ihres Romans Dark Places zugegebenermaßen selbst ein Bein. Libby Days Leben kommt in der Buchvorlage so trist und trostlos daher, dass sie ihren Reiz schnell verliert.
Die Verfilmung mit Oscar-Gewinnerin Charlize Theron (Monster, Atomic Blonde) punktet allerdings durch die starke Hauptdarstellerin, die es dennoch vermag, alles aus der schwachen Buch-Figur herauszuholen. Weitere Darsteller-Highlights sind Christina Hendricks (Mad Men) und Chloë Grace Moretz (If I stay).
Widows - Tödliche Witwen (2018): Veronica, die skrupellose Alphafrau
Wer von Gillian Flynn nicht genug bekommen kann, der darf sich im Herbst 2018 auf ein weiteres Filmprojekt der 47-Jährigen freuen: Für Widows - Tödliche Witwen schrieb die US-Amerikanerin mit Hang zum Morbiden das düstere Drehbuch. Dabei handelt es sich um einen Thriller von Regisseur und Oscar-Gewinner Steve McQueen (12 Years a Slave), der nicht auf einer Gillian Flynn-Buchvorlage beruht, sondern auf einer Miniserie aus den Achtzigerjahren.
Ehrensache, dass sich auch hier alles um ungewöhnliche Frauen handelt: Veronica (Viola Davis), Alice (Elizabeth Debicki), Linda (Michelle Rodriguez) und Belle (Cynthia Erivo) könnten unterschiedlicher nicht sein und haben kaum etwas gemeinsam - außer der kollektiven Schuld, die ihre toten und einst kriminellen Ehemänner durch ihre Machenschaften den Damen hinterlassen haben - und die will nun beglichen werden. Die vier Witwen schließen sich zusammen, stellen sich ihrem Schicksal und gehen dabei über Grenzen und Leichen …
Auch hier stürzte sich abermals ein großer weiblicher Filmstar auf die Hauptrolle des Flynn-Drehbuchs: Viola Davis, bekannt durch die deren Staffelfinale wir bereits den Prozess machten, wird Hauptfigur Veronica im Kino-Remake verkörpern. Davis darf sich immerhin bereits mit Oscar-, Emmy- und Golden Globe-Auszeichnungen schmücken. Kein Zweifel, dass sie zum Glanzstück dieses neuen Flynn-Projekts avancieren wird.