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“Nobody” in der featured-Filmkritik: Better Call Hutch
Was, wenn sich der nette Familienvater von nebenan mehr oder minder versehentlich mit der russischen Mafia anlegt? Wir wissen es nicht. Der Film leider auch nicht, aber er macht trotzdem Spaß. Warum der neue Actioner aus der Feder des „John Wick“-Autoren eine unterhaltsame verpasste Chance ist, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu „Nobody“.
Auto Derek Kolstad hat mit John Wick eine moderne Action-Ikone erschaffen, inklusive gefeierter Choreografien, stylischem Assassinen-Underground und maßgeschneiderten Anzügen. In Nobody schlüpft „Better Call Saul“-Liebling Bob Odenkirk in die Hauptrolle und bringt das Potential mit, eine spannende Charakterstudie zu verkörpern – mutiert dann aber doch zum angriffslustigen Actionhelden. Seit dem 1. Juli gibt es Nobody in den Kinos zu sehen. Wir nehmen ihn für Dich unter die Lupe.
Nobody’s Darling: Hutch gegen die Mafia
Hutch Mansell (Bob Odenkirk) ist ein Stereotyp. Er arbeitet für seinen Schwiegervater, die Ehe bröselt dahin, die Tochter ist ein Papa-Kind und der Teenie-Sohn findet ihn uncool. Nachdem er bei einem nächtlichen Einbruchsversuch die Täter:innen davonziehen lässt, wird die Situation daheim noch schlimmer. Änderung ist erst in Sicht, als er in einem Akt vermeintlicher Zivilcourage eine Gang zusammenschlägt. Das pusht zwar das eigene Ego und damit einhergehend auch das Familien- und Eheleben, ruft allerdings über Umwege auch die russische Mafia auf den Plan. Doch die weiß noch nichts von Hutch Mansells düsterer Vergangenheit…
The Nobody Protocol: Nice Guys und die dunkle Vergangenheit
Dass sich so viele Filmkritiken, dieser hier inklusive, an einem Vergleich zwischen John Wick und Nobody abmühen, liegt nicht zuletzt daran, dass Kolstads Drehbuch fast schon formelhaft den ersten Wick reproduziert und damit an andere formelhafte Actioner mit ähnlicher Prämisse erinnert: Nice Guy wird mit dunkler Vergangenheit konfrontiert und legt sich mit der kriminellen Unterwelt an. Das wurde mit „John Wick“ stylischer, in „Equalizer“ atmosphärischer und bei „96 Hours“ stringenter umgesetzt. Und wer könnte diesbezüglich jemals „Tödliche Weihnachten“ (OT: The Long Kiss Goodnight) vergessen, mit Geena Davis als an Amnesie leidende Auftragskillerin.
Nobody ist mit Hauptdarsteller Bob Odenkirk dankbarer besetzt. Schon lange vor Breaking Bad und Better Call Saul hat er sich als Drehbuchautor von humorigen TV-Formaten, Comedy-Darsteller und Produzent ausprobiert. Odenkirk umweht (noch) nicht die Wolke des Actionhelden. Dementsprechend sind wir womöglich schneller beeindruckt, wenn er den russischen Mob durch Geländer tritt und Eisenstangen aus Halterungen reißt. Er wäre ideal, um tatsächlich einen Jedermann / Niemand darzustellen, latscht aber sichtlich begeistert in den Fußstapfen seiner cineastischen Artgenossen herum.
Nobody Cares: Coolness over Substance
Nobody glänzt immer wieder mit hübschen Ideen; baut etwa ironische Slow-Mo-Montagen zu Klassikern wie „I’ve Gotta Be Me“ oder lässt Odenkirks Charakter Hutch im Voice-over laut denken. Dabei bleibt aber oft der Eindruck, dass diese Ideen eher Stilblüten sind, die für eine Szene funktionieren, im Kontext des Ganzen aber deplatziert wirken.
Coole Sprüche und zynische Monologe von Hutch sind ganz köstlich – gerade wegen Odenkirks Esprit. Sie stoßen aber dann sauer auf, wenn nicht ersichtlich wird, worin der plötzliche Charakterwandel wurzelt. Anders verhält es sich mit Figuren – wir wollen nicht spoilern – die später in der Story aktiv werden. Diese müssen sich nicht entwickeln, sondern sind per Skript Vehikel für coole Shots (wortwörtlich) und freche Sprüche. Nice!
Anybody: Schlag auf Schlag
Wer sich ein Ticket für Nobody zieht, erwartet nicht Shakespeare, sondern ordentliches Handgemenge. Keine Sorge – das gibt es! Die Choreografien erinnern an überzeichnete Straßenkloppereien mit wuchtigen Schlag- und Tritt-Kombos. Das unterscheidet Nobody von der John-Wick-Reihe, die auf dieser Ebene vor allem für den Gun-Fu-Style bekannt ist, einer Mischung aus Kampfsport und Schusswaffen.
Nobody: Eine sehenswerte verpasste Chance
Nobody ist eine kurzweilige Action-Granate mit Bob Odenkirk als Kampfmaschine mit Nice-Guy-Attitüde. Dabei tut der Film kurzzeitig so, als würde er sich ernsthaft der Herausforderung stellen, Charakterdrama mit Action-Pomp zu verbinden. Nur wenige Momente später hat der geneigte Action-Fan aber Gewissheit: Nein, Glück gehabt, keine Experimente – handfeste Prügelorgien, bleihaltige Luft und Explosionen im Fahrwasser von John Wick und Co.
Ein featured-Filmtipp für Actionfans die auch John Wick 3, Atomic Blonde, Guns Akimbo oder auch The Equalizer 2 mögen.
Nobody | |
Originaltitel: | Nobody |
Genre: | Action |
Kinostart: | 01.07.2021 |
Laufzeit: | 92 Minuten |
FSK: | Ab 16 Jahren |
Regie: | Ilya Naishuller |
Drehbuch: | Derek Kolstad |
Vorlage: | Original-Drehbuch |
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