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Leave the World Behind: Das Ende des Netflix-Thrillers erklärt
In der Bestsellerverfilmung spielt Julia Roberts eine Karrierefrau, die während eines Urlaubs mit ihrer Familie von einer Katastrophe überrascht wird. Großes Kino, das allerdings viele Fragen offenlässt. Hier findest Du das Ende von „Leave the World Behind” erklärt.
Julia Roberts als Biest
Eines vorweg: Leave the World Behind ist ausgezeichnet besetzt. Ethan Hawke, Mahershala Ali, Kevin Bacon und viele andere machen den Netflix-Film zu einem erstklassigen Vergnügen. Die Krönung aber ist Julia Roberts.
Der Hollywoodstar hat sich in den letzten Jahren rar auf der Leinwand und im TV gemacht. Warum ausgerechnet gibt sie sich nun in der Produktion eines Streamingdienstes die Ehre? Weil sie hier die Chance hat (und sie nutzt), mal eine ganz andere Seite ihres Talents zu zeigen.
Julia Roberts spielt in Leave the World Behind gegen ihr Image als American Sweetheart an. In dem Thriller von Regisseur Sam Esmail („Mr. Robot”) ist sie nicht mehr die kumpelhafte oder leicht überdrehte Frau von nebenan mit großem Herzen und viel Empathie für ihre Mitmenschen. Sie spielt die New Yorker Karrierefrau Amanda Sandford, die sich um nichts als sich selbst kümmert.
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„Ich hasse Menschen”, sagt Amanda gleich zu Beginn. Sie ist das Familienoberhaupt, zweifache Mutter im Dauerstress und erfolgreiche Werbemanagerin. Amanda hat bei den Sandfords die Hosen an – und bucht kurzfristig für sich und ihre Familie einen Wochenendtrip an die Küste.
Das Verhängnis nimmt seinen Lauf
Mit Ehemann Clay (Ethan Hawke) und den halbwüchsigen Kindern Archie und Rose geht es in ein Luxus-Ferienhaus in die Hamptons. Die Idylle im abgeschiedenen Superreichen-Paradies weicht sehr bald nackter Panik. Ein Tanker kracht ungebremst an den Strand. Im Haus fällt das WLAN aus.
In der Nacht klingelt ein Mann an der Tür, der behauptet, Eigentümer des Hauses zu sein. In New York habe es einen Stromausfall gegeben, sagt George, seine Frau sei vermisst, und nun müsse er mit seiner Tochter Ruth in den Hamptons Unterschlupf suchen.
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Amanda glaubt weder, dass George der Eigentümer der teuren Immobilie ist, noch dass es keinen Strom mehr in New York gibt. Denn Amanda zeigt auch rassistische Tendenzen, so lässt sich ihr Auftreten gegenüber George Scott und seiner Tochter interpretieren. Er ist schwarz, steht in feiner Abendgarderobe vor ihr und hat offensichtlich mehr Geld als die Sandfords. Schließlich gehört ihm diese Luxus-Immobilie, die Sandfords sind nur Mieter. Unmöglich!
Amanda wird zum Biest, agiert bösartig und egozentrisch. Im Angesicht einer nahen Katastrophe stellt sie ihre Familie über die Nöte der Scotts. Die werden schließlich in den Keller verbannt, während die Sandfords eine Etage darüber residieren.
In diesem Augenblick wirkt Leave the World Behind nur wie eine Bühne für Julia Roberts: Sie entfernt sich so weit wie möglich von der Pretty Woman, als die sie alle seit Jahrzehnten lieben.
Es lohnt sich sicher, diesen Typus Mensch, den Julia Roberts verkörpert, näher unter die Lupe zu nehmen: In den USA heißt er „Karen” und bezeichnet einen Menschen, der hinter der Fassade bürgerlichen Anstands selbstgerecht, rassistisch und sexistisch auftritt.
Apokalypse! Welche Apokalypse?
Ein führungsloser Tanker, Flugzeuge, die vom Himmel fallen, Internet- und Stromausfall, verstopfte Straßen, eine bewaffnete Nachbarschaft, ein rätselhafter Knall und die Tierwelt spielt verrückt: Leave the World Behind zeigt viele der typischen Szenen und Bilder, die wir aus etlichen Film-Apokalypsen kennen.
Auf einige verzichtet er (wie auch die literarische Vorlage „Inmitten der Nacht” von Ruuman Alam): Es gibt keine dunklen Himmel, Explosionen, Aufmärsche von Militär und Ordnungskräften. Mit welcher Art von Apokalypse haben wir es in diesem Film also zu tun? Das bleibt unklar.
Der Film liefert auch am Ende keine Erklärung für die Katastrophe, die über New York, die Hamptons, offensichtlich über die ganze Welt hereinbricht. Angeblich gab es eine Cyberattacke auf die digitale Infrastruktur, sagt irgendwann ein Nachrichtensprecher im TV.
Aber woher? Wer steckt dahinter? Die Bedrohung bleibt abstrakt. Denn Leave the World Behind ist im Kern eine Versuchsanordnung und kein typischer Katastrophenfilm wie etwa „The Day After Tomorrow”. Es geht nicht um die Katastrophe selbst, sondern um das, was sie bei uns Menschen auslöst.
Kein Empfang, keine Menschlichkeit
Schon der Ausfall von WLAN, Mobilfunknetz und TV-Empfang scheint Amanda, ihren Mann und die beiden Kinder an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Wenn die gewohnte Darstellung der Welt da draußen, so wie wir sie aus den Medien kennen, plötzlich nicht mehr sichtbar ist, ist dann die Welt selbst nicht mehr existent?
Die Sandfords leben in einer Blase des Luxus und der Abgeschiedenheit, nehmen von ihrer realen Umwelt also so gut wie nichts wahr. Bricht aber der Strom an Informationen über diese Welt unvermittelt ab, setzt Panik ein. Ohne TV-Bilder, Onlinemedien, Smartphone-Benachrichtigungen fällt das kleine Reich der Sandfords in sich zusammen.
Ethan Hawke als Clay Sandford muss in einer entlarvenden Szene mit der von Kevin Bacon gespielten Figur selbst zugeben, dass er in dieser Situation nutzlos ist; ein nutzloser Mann ohne GPS und Smartphone.
Die Sandfords sind Repräsentant:innen einer privilegierten, westlichen Klasse: weiß, wohlhabend, verwöhnt. Diese Klasse scheint aber im Innersten nichts mehr zusammenzuhalten ohne das Mobilfunknetz.
Das Ende von Leave the World Behind erklärt: Wenn Friends die letzten Freunde sind
Was bleibt, ist die Flucht. Tochter Rose ist verzweifelt, weil sie ihre Lieblingsserie „Friends” nicht mehr zu Ende sehen kann. Sie hat alle Folgen durchgesuchtet, nur die letzte Episode fehlt noch.
In einem verlassenen Haus, das auch als idealer Schutzbunker dient, findet sie eine DVD-Box mit allen Friends-Episoden und einen DVD-Player. Statt sich um den offenbar drohenden Untergang der realen Welt zu sorgen, schiebt sie die DVD in den Player und sieht die letzten Szenen der Serie.
Kommen Ross und Rachel endlich zusammen? Rose flüchtet sich in eine heile Welt, die nie so heil war, wie sie die Serie glauben macht. Es ist auch eine Zeitreise zurück in die 90er-Jahre, eine Zeit, in der die 13-jährige Rose noch gar nicht geboren war.
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Es ist die Welt einer Gruppe junger Menschen einer westlichen Metropole, die keine größeren Sorgen hat als den nächsten Kneipenbummel, ihre Liebesbeziehungen, ihr gemütliches Apartment. Die imaginären Friends auf dem Bildschirm sind Rose wichtiger als ihre Mitmenschen. Sind Ross und Rachel glücklich, ist es auch Rose.
Es gibt also eine Art Happy End in diesem Film, aber das ist nur geklaut. Es stammt aus einer alten TV-Serie und hat nichts mit den Sandfords oder dem Zustand der Welt zu tun.