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Bild von Robert Pattinson in einer Doppelrolle in Mickey 17
Gerichtsbild als Produktionsstandbild aus Juror #2
© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Warner Bros
Auf dem Gruppenbild zum Dschungelcamp 2025 sind alle Kandidatinnen und Kandidaten zu sehen, umgeben von dichtem tropischem Blattwerk.

Juror #2: Das Ende des Clint-Eastwood-Films erklärt

Das Ende von „Juror #2“ erk­lärt: Das Jus­tiz­dra­ma von Clint East­wood (Kinos­tart 16. Jan­u­ar 2025) stellt viele unan­genehme Fra­gen zu Schuld, Moral und Gerechtigkeit. Aber zumin­d­est auf einige davon gibt es befriedi­gende Antworten.

Darum geht’s in Juror #2 

Clint East­wood hat mit seinem möglicher­weise let­zten Film ein Jus­tiz­dra­ma abgeliefert, das nach­den­klich stimmt. Es geht um die großen Fra­gen nach Moral, Schuld, Ver­ant­wor­tung und Gerechtigkeit.  

Es geht um einen jun­gen Mann, der sein Leben kom­plett im Griff zu haben scheint – und wie aus heit­erem Him­mel in einen Strudel aus Ereignis­sen gerät, in denen er hil­f­los unterzuge­hen dro­ht. Autor Justin Kemp (Nicholas Hoult) wird als Geschworen­er in einen Mord­prozess berufen.  

Der Angeklagte James Sythe (Gabriel Bas­so) soll seine Fre­undin Kendall (Francesca East­wood) umge­bracht und ihre Leiche neben ein­er Land­straße entsorgt haben. Die Beweiskette scheint ein­deutig zu sein, Staat­san­wältin Faith Kille­brew (Toni Col­lette) glaubt, den Fall fix abhak­en zu kön­nen.  

Das glaubt zunächst auch Justin, der den ungeliebten Jury-Job so schnell wie möglich wieder loswer­den will. Doch dann kom­men ihm Zweifel: Er hat Grund zu der Annahme, selb­st für den Tod der jun­gen Frau ver­ant­wortlich zu sein. East­woods Film wirft noch weit­ere Zweifel auf, beson­ders wenn wir das Ende von Juror #2 genauer betrachten.

Wie versucht Justin, aus dem Dilemma herauszukommen? 

Justins Zweifel an der Schuld des Angeklagten wach­sen, je länger der Prozess dauert. Denn er war am sel­ben Abend in der Bar, in der sich James und Kendall strit­ten. Und auf dem Weg nach Hause fuhr er möglicher­weise nicht, wie gedacht, ein Reh an, son­dern Kendall.  

Damit steckt Justin in einem moralis­chen Dilem­ma: Würde er der Anklage fol­gen und als Geschworen­er für eine Verurteilung von James stim­men, würde er helfen, einen möglicher­weise Unschuldigen lebenslänglich ins Gefäng­nis zu schick­en, trotz berechtigter Zweifel.  

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Er würde somit selb­st Schuld auf sich laden. Dem kön­nte Justin nur ent­ge­hen, wenn er sich offen­bart und dem Gericht seine eigene mögliche Täter­schaft geste­ht, wenn er also seine Fahrerflucht zugeben würde.  

Damit würde Justin zwar möglicher­weise Gerechtigkeit her­stellen und ein Fehlurteil abwen­den, aber er würde einen sehr hohen Preis zahlen, sich näm­lich eine saftige Gefäng­nis­strafe und ein zer­störtes Fam­i­lien­leben ein­han­deln.  

Auch angesichts sein­er hochschwan­geren Fre­undin ein der­ar­tiges Maß an Ver­ant­wor­tung zu übernehmen, über­fordert Justin allerd­ings. Daher wählt er im weit­eren Prozessver­lauf einen Mit­tel­weg – nur lei­der bringt der ja bekan­ntlich keine Lösung von Dauer.  

Seine Strate­gie ist, Zweifel an der Schuld des Angeklagten in der Jury zu säen. Denn wenn die Jury am Ende keine ein­stim­mige Entschei­dung trifft, würde der Prozess ohne Urteil enden, James kön­nte den Saal als freier Mann verlassen. 

Welche Rolle spielt der Geschworene Harold? 

Diese Strate­gie geht nicht auf. Justin erwägt sog­ar, ein Geständ­nis abzule­gen, sich selb­st zu belas­ten und damit den Prozess platzen zu lassen. Keine gute Idee, find­et sein Spon­sor bei den Anony­men Alko­ho­lik­ern und Anwalt.  

Justin müsse damit rech­nen, für den Mord zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen zu wer­den. Denn Justins früheres Ver­fahren wegen Trunk­en­heit am Steuer und ins­beson­dere der Unfall nach dem Barbe­such, den er im möglicher­weise alko­holisierten Zus­tand verur­sacht hat­te, wür­den ihn schuldig ausse­hen lassen.  

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Dann begin­nt auch noch der Geschworene Harold (J.K. Sim­mons), ein ehe­ma­liger Detec­tive, mit eige­nen, allerd­ings nicht erlaubten Ermit­tlun­gen. Er find­et anhand von Kendalls Ver­let­zun­gen her­aus, dass sie von einem Auto stam­men müssen.  

Harold ermit­telt sog­ar Justins Auto als möglich­es Tat­fahrzeug. Justin fürchtet, dass der Profi seine Ver­wick­lung in den Fall aufdeck­en kön­nte. Also sorgt er dafür, dass Harold aus der Jury aus­geschlossen wird. Dann kommt jedoch auch Staat­san­wältin Kille­brew der Ver­dacht, den falschen Mann angeklagt zu haben.  

Justin ändert daraufhin endgültig seine Strate­gie. Um sich selb­st zu schützen, beschließt er, die Jury nicht weit­er mit Zweifel an der Schuld des Angeklagten zu behel­li­gen. James wird daraufhin des Mordes an Kendall schuldig gesprochen und zu ein­er lebenslan­gen Haft­strafe verurteilt. 

Welche Ziele verfolgt Staatsanwältin Killebrew? 

Faith Kille­brew – ihr Vor­name bedeutet Glaube und Ver­trauen – ist eine Frau mit ern­sthaften Absicht­en. Die hat sie zunächst in Bezug auf ihre Kar­riere. Kille­brew kan­di­diert für den Posten der Bezirksstaat­san­wältin und hat sich den Kampf gegen häus­liche Gewalt auf die Fah­nen geschrieben. 

Den Prozess gegen James Sythe sieht sie als Tick­et für einen Sprung auf der Kar­ri­ereleit­er. Eine rasche Verurteilung würde ihr also in die Karten spie­len. Aber Kille­brew han­delt nicht gewis­sen­los (wie Justin), son­dern mit Gespür. Schließlich kom­men ihr Zweifel an der Schuld des Angeklagten. 

Sie nutzt Harolds Recherchen, ermit­telt auf eigene Faust weit­er. Und richtig: Sie kommt, zunächst ohne es zu wis­sen, Justin auf die Spur. Sie stellt sein­er Fre­undin Alli­son ein paar Fra­gen zu dem mut­maßlichen Tat­fahrzeug beziehungsweise Unfal­lau­to, denn der Wagen ist auf ihren Namen zuge­lassen.  

Erst später sieht sie die Verbindung von Alli­son über das Auto zu Justin. So muss sie taten­los mitanse­hen, wie James schuldig gesprochen wird. Die aus Sicht der Jus­tizver­wal­tung erfol­gre­iche Anklage ver­hil­ft Kille­brew zwar zum Posten der Bezirksstaat­san­wältin.  

Aber glück­lich ist die Juristin nicht mit ihrer Sit­u­a­tion. Denn sie fürchtet, dass der Falsche im Gefäng­nis gelandet ist. Sie hat stattdessen Justin im Visi­er. 

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Wer hat Kendall umgebracht? 

Der Film liefert keine ein­deuti­gen Hin­weise darauf, wer Kendall umge­bracht hat. War es Justin, der glaubte, ein Reh ange­fahren zu haben, und Unfall­flucht beg­ing? Oder war es doch James, der sich öffentlich mit Kendall stritt, ihr mit seinem Auto nach­fuhr und sie tötete?  

Der stärk­ste Beweis gegen James ist die Aus­sage eines älteren Mannes, der ihn offen­bar gese­hen hat­te, als er etwa zum Tatzeit­punkt sein Auto auf der Brücke anhielt und in den Graben hin­un­ter­schaute. Gegenüber Kille­brew gibt der Zeuge später jedoch zu, einen unbekan­nten Mann gese­hen zu haben, der aus einem Auto stieg.  

Nur auf Druck der Polizei habe er den Mann als James Sythe iden­ti­fiziert. Dies und die Tat­sache, dass zahlre­iche Gäste James und Kendall in der Bar stre­it­en gese­hen hat­ten sowie seine Vorstrafen macht­en James zum per­fek­ten Verdächti­gen.  

Eine Rück­blende zeigt, wie Justin in den Fall ver­wick­elt sein kön­nte. Justin fuhr kurze Zeit, nach­dem Alli­son die Bar ver­ließ, von dort los. Zuvor hat­te sich James in sein Auto geset­zt und war Alli­son gefol­gt. Aber kurz darauf stellte er anscheinend die Ver­fol­gung der Frau ein, wen­dete und fuhr zurück zur Bar.  

Justin jedoch fuhr weit­er in Rich­tung Brücke, dem späteren Leichen­fun­dort. Er war emo­tion­al aufgewühlt nach der Fehlge­burt, die Alli­son erlit­ten hat­te. Dann wurde er zusät­zlich durch eine SMS von Alli­son abge­lenkt. Schließlich stieß Justin auf der Straße gegen etwas, das er für ein Tier hielt, aber auch Kendall gewe­sen sein kön­nte.  

Möglich ist aber auch, dass James seine Fre­undin unter­wegs irgend­wo traf, sie tötete und ihre Leiche dann in den Graben warf, um es wie einen Unfall ausse­hen zu lassen. Ob der zu diesem Zeit­punkt ange­blich trock­ene Alko­ho­lik­er Justin an jen­em Abend tat­säch­lich Alko­hol getrunk­en hat­te, bleibt unklar. Justin stritt das ab, aber er hat­te in der Bar einen Drink bestellt.

Aber damit ist das Ende von Juror #2 noch lange nicht erk­lärt. Und zudem endet der Film mit einem Cliffhang­er. 

Was bedeutet der Cliffhanger, mit dem der Film endet? 

Der Angeklagte ist verurteilt, der Prozess abgeschlossen. Justin kehrt in sein früheres Leben zurück, und Alli­son bringt das gemein­same Kind der bei­den auf die Welt. Er wid­met sich seinem kusche­li­gen Fam­i­lien­leben und scheint seine Schuldge­füh­le erfol­gre­ich ver­drängt zu haben.  

Doch eines Tages ste­ht Faith Kille­brew vor Justins Tür. Die Staat­san­wältin hat recher­chiert und ist offen­bar zu dem Ergeb­nis gekom­men, dass der Prozess mit einem Fehlurteil endete. Sie möchte diesen Fehler offen­sichtlich wiedergut­machen.  

Die let­zte Szene des Films ver­rät nicht, was aus ihrem Besuch bei Justin fol­gt. Kon­fron­tiert sie Justin mit ihrem Wis­sen? Wird sie ihn ankla­gen und auf einen Freis­pruch für James hinar­beit­en? Wir wis­sen es nicht.  

Aber eines ste­ht fest: Justin wird for­t­an keine ruhige Minute mehr haben. Denn er weiß, dass Kille­brew seine Spur aufgenom­men hat. Das ist möglicher­weise schon Strafe genug. Die Angst, dass seine Ver­wick­lung ans Licht kommt und seine Exis­tenz zer­stört, dürfte ihn bis ans Ende seines Lebens verfolgen.

An die Schuld, für die Verurteilung eines möglicher­weise unschuldigen Men­schen mitver­ant­wortlich zu sein, und an die Schuld, wahrschein­lich einen Men­schen getötet zu haben. 

Das Ende von Juror #2 erklärt: Das steckt hinter der Story 

Der Film macht die Zuschauer:innen zu Geschwore­nen. Er erweit­ert den Gerichtssaal um das Kinop­ub­likum, das ähn­lich wie Justin vor einem Dilem­ma ste­ht. Denn Juror #2 schafft keine Ein­deutigkeit. East­woods Film beant­wortet schließlich nicht die Frage, wer für Kendalls Tod ver­ant­wortlich ist.  

Das Urteil darüber muss das Pub­likum sprechen, jede Zuschauerin, jed­er Zuschauer für sich. Und mehr noch: Der Film fordert dazu auf, über die Gren­zen der Gerechtigkeit nachzu­denken. Kann es ein gerecht­es Urteil geben, wo die Beweis­lage dünn ist, die Indizien wider­sprüch­lich sind?  

In diesem Zusam­men­hang stellt das Dra­ma auch die Frage nach der Gerechtigkeit des US-Jus­tizsys­tems. Hätte James das Urteil abwen­den kön­nen, hätte er einen besseren (und teur­eren) Anwalt gehabt, der Nach­forschun­gen angestellt hätte, um seinen Man­dan­ten zu ent­las­ten?  

Dieser Anwalt hätte die Fra­gen stellen kön­nen, die der Geschworene Harold und später Faith Kille­brew gestellt haben. Und er hätte eben­falls her­aus­find­en kön­nen, dass an dem ver­häng­nisvollen Abend min­destens ein weit­er­er Verdächtiger auf der Straße unter­wegs war.  

Und damit stellt Juror #2 auch die Frage nach der richti­gen Arbeitsweise der Ermit­tlungs­be­hör­den. Justin war ein “dankbar­er” Verdächtiger: mit krim­inellem Vor­leben, einem möglichen Motiv und belastet durch einen Zeu­gen.  

Eine ser­iöse Ermit­tlung der Todesum­stände fand nicht statt, ein ander­er Verdächtiger wurde nicht in Betra­cht gezo­gen. Die Ermit­tlun­gen wur­den also äußerst schlampig geführt mit dem Ziel, möglichst schnell einen Verdächti­gen vor den Richter zu zerren.

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