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“Greenland“ in der featured-Filmkritik: Hurra, die Welt geht (schon wieder) unter
Alle Jahre wieder bedroht ein Himmelskörper den Planeten Erde – zumindest in der Filmindustrie. Im Action-Drama „Greenland“ will Gerard Butler seine Familie vor dem Kometen „Clark“ in Sicherheit bringen, und zwar nach Grönland. Für wen das Spektakel funktioniert, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu „Greenland“.
Das Genre „Katastrophenfilm“ arbeitet sich seit langem an der Bedrohung der Erde durch Himmelskörper ab. Mal verträumt wie in Lars von Tries „Melancholia“ (2011), mal marktschreierisch wie in Michael Bays „Armageddon“ (1998). Im direkten Vergleich dazu ist „Greenland“ weder überzeugend noch enttäuschend. Regisseur Ric Roman Waugh will mit pompösem Minimalismus punkten. Das klingt paradox und wirkt auch so.
Clark: Die Flucht nach Grönland
Architekt und Familienvater John (Gerard Butler) hat zwei Probleme: seine kaputte Ehe und den Kometen „Clark“. Während die News die Bevölkerung beruhigen, bekommt John eine seltsame Notfall-Direktnachricht aus dem Weißen Haus. Er und seine Familie sollen zu einem geheimen Stützpunkt kommen. Kurze Zeit später wird bekannt, dass ein großes Fragment des Kometen nicht ins Meer, sondern auf Florida gestürzt ist. Die USA eskortieren ausgesuchte Menschen nach Grönland. Für John und seine Familie wird es ein Kampf auf Zeit, denn egal ob mit oder ohne Einladung: Jeder will nach Grönland und jeder will überleben.
Diabetes: Ein amerikanisches Drehbuch
Man könnte den Weltuntergang auf so viele Arten erzählen. Drehbuchautor Chris Sparling hat sich aber für ein Blaupausen-Szenario entschieden: Ein markiger männlicher Hauptcharakter, ein bedrohlicher Meteor, Handfeuerwaffen im Gepäck und eine angeknackste Ehe, die es zu retten gilt. Während die Welt buchstäblich in Flammen aufgeht, soll zumindest eins gerettet werden und das ist seine Ehe. So muss sich John sogar noch vor dem Vater (Scott Glenn) seiner Noch-Ehefrau Allison (Morena Baccarin) für seine ehelichen Fehltritte rechtfertigen.
„Greenland“ soll ein Familiendrama sein, was es schlichtweg nicht ist. Man sollte meinen, dass es im Angesicht des Weltuntergangs doch völlig egal ist, ob John und Allison noch Gefühle füreinander haben oder nicht. Sie haben ein gemeinsames Kind und die Möglichkeit, das Armageddon mit staatlicher Erlaubnis zu überleben. Das würde aber nicht genug Familiendrama in die Story bringen. Was dieses Drama hergibt, erfährt man direkt zu Anfang des Films. Der gemeinsame Sohn Nathan (Roger Dale Floyd) leidet an Diabetes. Da riecht man den Hauptkonflikt schon zehn Meilen gegen den Wind: Die Jagd nach dem Insulin wird den Film bestimmen. Denn beim Einchecken in Richtung Grönland heißt es: „Keine chronischen Krankheiten.“ Das könnte man als Kritik am amerikanischen Gesundheitssystem verstehen. Auf den ersten Blick, sieht es aber einfach nach einem billigen MacGuffin, ein Trick, der die Handlung am Laufen halten soll, aus.
Red Sky: Ein amerikanisches Armageddon
Katastrophen- und Weltuntergangsfilme sind natürlich perfekte Gelegenheiten für Effektspektakel. Das war schon bei „Deep Impact“, „Armageddon“ und natürlich auch bei Roland Emmerichs Gefrierbrand-Film „2012“ so. Auffällig dabei ist, dass die Protagonisten die „Plot Armor“ tragen. Das heißt, ihnen passiert nichts, weil sie die Hauptfiguren sind. „Greenland“ traut sich diesbezüglich auch keine Experimente. Feuerbälle schlagen irgendwo ein, gigantische Explosionen zerreißen alles und jeden, während den Protagonisten nur ein starker Wind ins Gesicht weht.
Wenn in „Greenland“ der Himmel rot erstrahlt, ist es dieser immergleiche CGI-Wirbel, den man aus jedem dritten Superheldenfilm dieser Tage kennt. Generell ist der Film relativ zart für einen Katastrophenfilm. Die Erde geht unter und fast alle Personen kommen körperlich recht unversehrt davon. Das wirkt leider sehr unrealistisch.
Gerard Butler: Der beste Fahrer der Welt
Gerard Butler will seine Familie zum Reiseziel bringen, komme was wolle! Er ist ja auch nicht irgendwer. Er ist der markige Schotte mit Muskeln, Bart und Nahkampf-Erfahrung. Dass er das in „Greenland“ nun ausgerechnet nicht sein soll, sondern so tut, als wäre er nur der Architekt von nebenan – mit richtigen Emotionen und so weiter – nun, das ist herausfordernd. Gerard Butler ist eben nicht unbedingt das, was man einen Charakterdarsteller nennt.
Er ist mit Action-Filmen im Gedächtnis geblieben, zuletzt mit dem durchwachsenen „Angel Has Fallen“. Und wie schon dort, soll er uns hier verkaufen, dass er Schwächen hat. Das ist eine nette Idee, aber über seinem Kopf schwebt schlichtweg das Image des Actionhelden. So ist er zum Beispiel an einer Stelle des Films richtig zerrüttet, weil er gezwungen ist, sich zu ergeben oder er einem bösen Mann eine üble Kopfnuss geben muss. – Das kauft ihm nur leider niemand ab.
Greenland: Ein klares „Weißnich“
Nun hätte Butler, der den Streifen mitproduziert hat, versuchen können, den Film Over-the-Top auszulegen. Dann hätte es vielleicht ein mittelmäßiger Emmerich werden können. Stattdessen hat man versucht, die Apokalypse anhand eines Familiendramas zu erzählen, indem der an Diabetes leidende Sohn ironischerweise selbst wie eine Insulinpumpe für die Story wirkt. Wenn gerade nicht klar ist, wie man mit dem ganzen Krach und Gerenne umgehen soll, gerät die Suche nach Insulin in den Vordergrund. So wird Platz für eine Geschichte gemacht, die unvermittelt daherkommt.
Letztendlich hat der Film eine schöne Aussage und positioniert sich klar für Menschlichkeit und Zusammenhalt. Das tut er allerdings mit mittelmäßigen Effekten, Drehbuch-Kost vom Fließband und Schauspiel-Stangenware. Reicht Dir das für einen Kinobesuch? Dann immer los. Ansonsten empfehlen wir Dir, darauf zu warten, dass „Greenland“ als Video-on-Demand läuft.
Greenland | |
Originaltitel: | Greenland |
Genre: | Katastrophenfilm |
Bundesstart: | 22.10.2020 (Kino) |
Laufzeit: | 119 Minuten |
FSK: | Ab 12 Jahren |
Regie: | Ric Roman Waugh |
Drehbuch: | Chris Sparling |
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