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“The New Mutants“ in der featured-Filmkritik: Der verschollen geglaubte X-Men-Horror-Film
Über zwei Jahre nach dem geplanten Kinostart dürfen die Nachwuchs-Mutanten doch noch über die Leinwand fetzen. Warum das verspätete „X-Men“-Spin-off uns Lust auf mehr macht und trotzdem über seine Ambitionen stolpert, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu „The New Mutants“.
An anderer Stelle haben wir bereits ausgiebig über das Release-Drama zu „The New Mutants“ gesprochen. Grund war unter anderem eine Warteschleife in der Postproduktion, um den Horror-Aspekt weiter herauszuarbeiten. Vielleicht verkauft sich mehr Horror dieser Tage besser, aber irgendwie hätten wir uns von Regisseur und Autor Josh Boone ‚mehr Coming-of-Age-Story’ gewünscht.
Breakfast Club: The X-Men Edition
Nachdem ein Sturm ihr Reservat verwüstet hat, wacht Danielle Moonstar (Blu Hunt) in einer medizinischen Einrichtung auf. Dort erklärt ihr Doktor Reyes (Alice Braga), dass sie eine Mutantin ist und sie solange dort bleiben würde, bis sie keine Gefahr mehr für sich und andere sei. Schnell merkt sie, dass das keine Bitte ist. Ein gigantisches Kraftfeld umschließt die Klinik und hält sie mit vier anderen jungen Mutanten gefangen; darunter die christlich erzogene und schwer misshandelte Lykanthropin Rahne Sinclair (Maisie Williams), zu der Danielle romantische Gefühle entwickelt. Als die Gruppe zunehmend von einer unbekannten Entität heimgesucht wird, entwickelt sich der Aufenthalt zu einem Überlebenskampf – in dem Mutantenkräfte nicht nur vorteilhaft sind.
New Mutants: Das Drehbuch ist ein mieser Verräter
2014 startete Josh Boons Coming-of-Age-Dramanze „Der Schicksal ist ein mieser Verräter“ im Kino. Kurz danach pitchte er eine Filmtrilogie auf Basis der Marvel-Comicreihe „New Mutants“. Düster sollte sie werden und anders als die bisherigen „X-Men“-Blockbuster. Hat er das geschafft? Hat er! Die „X-Men“ werden namentlich erwähnt und im Film gezeigtes Archivmaterial eines anderen „X-Men“-Films verrät auch endlich, in welcher Timeline der „X-Men“-Filme „The New Mutants“ angesiedelt ist. Ansonsten beschäftigt man sich hier aber nur am Rande mit „Mutanten“. Das ist ein netter Ansatz. Er funktioniert aber nur teilweise. Spätestens ab Mitte des Films fragen wir uns zum Beispiel, warum die mächtige Mutantin und Zauberin llyana Rasputin (Anya Taylor-Joy) nicht einfach aus der Klinik flieht. Vollkommen unvermittelt öffnen sich plötzlich Dimensionsportale, erscheinen Gestalten und buchstäblich niemand weiß, ob und wieso das alles jetzt bedrohlich ist.
New Mutants: Alles, was wir wollten
Mutantenfähigkeiten sind in „The New Mutants“ verbunden mit Schuldgedanken, Misshandlungen und Kindheitstraumata. Die erzkatholische Rahne wurde für ihre werwolfartigen Fähigkeiten von einem Pfarrer brutal verprügelt. Gleichzeitig spürt das Mädchen nun auch noch gleichgeschlechtliche Liebe aufblühen. Dieser religiöse Konflikt wäre unter anderen Umständen womöglich Charakterdrama mit Oscar-Potential. Bei „The New Mutants“ verebbt das Ganze in einer Seitengeschichte, weil dann doch plötzlich irgendwo die Kuh fliegen muss. Die Figurenkonstellation nach „Breakfast Club“-Manier ist zwar interessant, bekommt aber zu wenig Zeit für persönliche Charakterbetrachtungen, um wirklich mitzureißen. Es fehlen die „Bonding Moments“, also Szenarien, die die Gruppe auch emotional zusammenschweißen. Permanente Bedrohung durch Geisterbären zählen übrigens nicht!
Geisterjagd im Horrorspital: Gruselkunst und Kunstgrusel
„The New Mutants“ hat mit einer heruntergekommenen Klinik, der zwielichtigen Ärztin Doktor Reyes und dem Motiv eines heimsuchenden Geisterbären alle Zutaten für einen anständigen Horrorfilm. Aber Donnerwetter, einige CGI-Effekte sind dermaßen unüberlegt zusammengeschustert, dass es einem die eine oder andere Szene vergrätzt. Brennende CGI-Menschen sind nach wie vor nicht gruselig – waren sie schon nicht bei „Evil Dead“ (2013) und auch nicht bei „Es – Kapitel 2“. Das gilt übrigens auch für schwarze CGI-Wolken, egal wie groß und in welcher Form. Und selbst die spitzesten Zähne eines Slender-Man-Imitats scheinen nicht bedrohlich, wenn die ganze Gestalt wie aus einer Videospielsequenz in den Film kopiert wirkt. Die Diskrepanz wird besonders deutlich, wenn ein alptraumhafter Gruselpfaffe mit Brandeisen-Effekt-Make-Up auftaucht. Plötzlich wird die Gefahr auch für den Zuschauer greifbarer. Greifbarer als alle leuchtenden Augen und CGI-Gewitter zusammen.
The New Mutants: Ein schöner Nachklapp
„The New Mutants“ ist ein schöner Genre-Mix aus Superhelden und Horror, den zwar „Brightburn“ seinerzeit konsequenter brachte, der aber vor allem kurzweilige Unterhaltung bietet. Mit seiner deutlichen Verortung im X-Men-Filmuniversum macht es umso trauriger, dass dieser Film erst so spät erschienen ist. Er deutet an, welchen Weg die Reihe auch hätte nehmen können und macht solche Debakel wie „X-Men: Dark Phoenix“ fast schon vergessen. Für sich genommen ist „The New Mutants“ sicherlich kein Meisterwerk, aber doch einer der stärksten Vertreter, den die X-Men auf der Leinwand bis dato haben.
Ein featured-Filmtipp für Fans von andersgedachten Superheldenthemen.
The New Mutants | |
Originaltitel: | The New Mutants |
Genre: | Superhelden / Horror |
Bundesstart: | 10.09.2020 (Kino) |
Laufzeit: | 93 Minuten |
FSK: | Ab 16 Jahren |
Regie: | Josh Boon |
Drehbuch: | Josh Boon, Knate Lee |
Basiert auf: | Marvels „New Mutants“-Comicreihe |
Welches junge Superhelden-Team sollte als nächstes den Sprung auf die Leinwand wagen? Wir freuen uns auf Deine Lesetipps.