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“Hexen hexen“ in der featured-Filmkritik: Nach tollem Rezept, mangelhaft zusammengebraut
Hexen existieren. Und nichts würden sie lieber tun als alle Kinder der Erde in Mäuse zu verwandeln. Dieser Prämisse folgen sowohl die Buchvorlage, deren erste Adaption und nun auch die neueste Verfilmung. Warum der aktuelle Kinofilm allerdings wenig bezaubert, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu „Hexen hexen“.
Hinter den Kulissen zeichnen Spitzenleute für Story und Regie verantwortlich: Regisseur und Drehbuchautor Robert Zemeckis hat mit Filmen wie „Zurück in die Zukunft“ oder „Forrest Gump“ echte Meilensteine abgeliefert. Dazu Guillermo del Toro als Autor, unterstützt vom „Black-ish“-Schöpfer Kenya Barris. Was soll da noch schief gehen? Oh, einiges.
Hexenzirkel: Der große Mäuse-Plan
1969: Nachdem ein kleiner Junge (Jahzir Bruno) plötzlich Vollwaise wird, nimmt ihn seine liebevolle Oma (Octavia Spencer) bei sich auf. Einige merkwürdige Ereignisse später weiht sie ihn in das große Geheimnis ein: Hexen existieren! Aus Angst davor, dass ihre Vergangenheit sie einholt, flieht sie mit ihrem Enkel in ein Hotel in Alabama.
Wie das Unglück es will, findet sich dort auch ein Hexenzirkel ein, unter Leitung der Oberhexe (Anne Hathaway). Ein bisschen zu viel Neugier später werden der Junge und der pummelige Bruno (Codie Lei-Eastick) in Mäuse verwandelt. Gemeinsam mit dem verwandelten Mäusemädchen Daisy wollen sie die Hexen überlisten.
Zauberbuch: Bezaubernde Charaktere trotz seelenloser Story
Das Drehbuch nimmt sich ordentlich Zeit für die Exposition. Und sofort wird es einem warm ums Herz, wenn sich Grandma um den Enkel kümmert, ihm knackige Ansprachen über Tiefschläge hält und Kuchen backt. Das liegt zu großen Teilen an Octavia Spencer, die gewohnt gut abliefert. Obgleich hier im Großen und Ganzen Potential verschenkt wurde: Im aktuellen Film erzählt man zwei afroamerikanische Titelfiguren in den Südstaaten, Ende der 1960er Jahre. Der Rassismus und die Diskriminierung, denen schwarze Menschen zu dieser Zeit ausgesetzt waren, werden in „Hexen hexen“ nicht thematisiert. Eine verpasste Gelegenheit, die folgende Frage aufwirft: Warum kauft man mit Kenya Barris einen Drehbuchautoren ein, dessen erfolgreichste Stoffe sich um die Probleme von Afroamerikanern drehen, wenn man diesen Aspekt im Film dann außen vor lässt?
Anne Hathaway als Oberhexe hatte sichtlich Spaß am Stoff und sorgt für viel Charme und genügend Witz, um den Film auch jungem Publikum schmackhaft zu machen. Ihr immer mal wechselnder Fantasie-Akzent geht zwar nicht als Gag durch, aber als Schmunzler. Da die Mimik und Gestik der Hexe mit Computer Generated Imagery (CGI), also digitalen Effekten, vollgestopft sind, bleibt die Annahme, dass es letztendlich egal gewesen wäre, wer diese Rolle spielt.
Das gilt auch für Stanley Tucci, der den snobistischen Hotelmanager Mister Stringer gibt. Er wirkt dabei zwar nett, allerdings auch austauschbar. Und genau genommen ist das symptomatisch für den Film selbst. Die Charaktere in „Hexen hexen“ passen zu dem Film, sind für sich genommen schlüssig, aber nur die wenigsten haben wirklich etwas zu erzählen. Und wenn sie etwas erzählen könnten, wurden sie vom Drehbuchteam geflissentlich ignoriert. So wie die Mäusedame Daisy, die ursprünglich ein Mädchen namens Mary war. Was es weiter mit ihr auf sich hat, erfährt der Zuschauer nicht.
Hexenschuss: Die wunderbare Welt der Effekte
Die Effekte in „Hexen hexen“ sind zu großen Teilen digital und, wie man leider sagen muss, keinesfalls gelungen. Die drei animierten Mäuse, die immerhin fast die Hälfte des Films tragen müssen, sehen, wenn überhaupt, nach Videospiel aus. Dicken Abzug gibt es auch für das spitz bezahnte Maul von Anne Hathaways Oberhexe. Die Design-Idee selbst ist wunderbar, wenn die Ausführung nicht so grottig wäre. Und so wie bei vielen CGI-lastigen Filmen der Gegenwart sind es unter anderem die unnötig artifiziellen Kamerafahrten, die die Unnatürlichkeit der Situation unterstreichen. Die digitale Kamera fliegt irgendwie im digitalen Raum herum, zoomt und fährt – so wie es keine echte Kamera könnte.
Und das ist schon seit Jahren ein Problem von Regisseur Zemeckis: Er kann einfach nicht mehr mit digitalen Effekten umgehen. Leistete er mit „Zurück in die Zukunft“ oder „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ diesbezüglich noch Pionierarbeit, sind seine Motion-Capture-Verbrechen „Der Polarexpress“ und „Beowulf“ unter diesem Aspekt kaum mehr anzugucken. Sein Hang zur CGI-Spielerei verpasste seinerzeit auch „Willkommen in Marwen“ schlimme Zäsuren. Schade. Vielleicht hätte Guillermo del Toro auch gleich die Regie übernehmen sollen. Denn mit Filmen wie „Pans Labyrinth“ und „The Shape of Water“ hat er gezeigt, wie gut er den Mix aus praktischen und digitalen Effekten handeln kann.
Hexen hexen: Ein verfluchter Direktkandidat fürs Nachmittagsprogramm
„Hexen hexen“ liefert über weite Strecken sympathische Figuren und bisweilen eine spannende Geschichte. Dass auf dem Weg zum Ende nur wenig Gruselfeeling aufkommt ist schade und liegt zu großen Teilen an dem verkorksten Einsatz von digitalen Effekten und nicht zuletzt an einem Drehbuch, das die wunderbare Stimmung einer gelungenen Exposition schlagartig fallenlässt, wenn man sich ab dem zweiten Akt plötzlich doch krampfhaft an der Buchvorlage festhalten will – offensichtlich, ohne zu überlegen, ob das noch notwendig ist. Sei es drum: Dem Kind wird es vermutlich trotzdem gefallen, dank des überzeichneten Spiels von Anne Hathaway und drei knuddeligen, sprechenden Mäusen.
Hexen hexen | |
Originaltitel: | The Witches |
Genre: | Fantasy |
Bundesstart: | 29.10.2020 (Kino) |
Laufzeit: | 100 Minuten |
FSK: | Ab 12 Jahren |
Regie: | Robert Zemeckis |
Drehbuch: | Robert Zemeckis, Kenya Barris, Guillermo del Toro |
Vorlage: | „Hexen hexen“ von Roald Dahl |
Welche Version von „Hexen hexen“ magst Du am liebsten – die aktuelle Adaption, den Klassiker von 1990 oder gar das Kinderbuch? Wir freuen uns auf Dein Feedback in den Kommentaren.