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Der Fall Jens Söring: Die wahre Geschichte hinter der True-Crime-Doku
33 Jahre lang sitzt ein Deutscher in den USA im Gefängnis, weil er 1985 gemeinsam mit seiner Freundin Elizabeth Haysom ihre Eltern ermordet haben soll. Davon handelt die Doku-Serie „Der Fall Jens Söring – Tödliche Leidenschaft” bei Netflix. Wir erzählen Jens Sörings wahre Geschichte und warum der Fall heute noch relevant ist.
Die wahre Geschichte: Wer ist Jens Söring?
Jens Söring kommt 1966 als Sohn eines deutschen Diplomaten in Bangkok in Thailand zur Welt. Als er elf Jahre alt war, zieht die Familie in die USA. Mit 18 beginnt er ein Studium der Psychologie an der Universität von Virginia, wo er die zwei Jahre ältere Kanadierin Elizabeth Haysom kennenlernt. Beide haben ein Stipendium für Hochbegabte, sind ansonsten aber sehr unterschiedlich. Trotzdem werden Jens und Liz ein Paar.
Am 30. April 1986 werden beide nach einer abenteuerlichen Flucht durch Europa in London verhaftet – vier Tage nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Wegen Scheckbetrugs werden sie zu einem Jahr Haft verurteilt.
Das ist aber nicht die ganze Geschichte, denn keiner der beiden kommt danach Denn danach auf freien Fuß. Stattdessen bleiben Jens Söring und Liz Haysom bis 2019 in Haft. Grund dafür ist der Mord an den Eltern der Kanadierin 1985. Söring und Haysom beschuldigten sich gegenseitig, die Tat begangen zu haben.
Entlassen werden die beiden nach 33 Jahren im Knast übrigens nicht, weil sie begnadigt worden sind oder es Zweifel an ihrer Schuld gegeben hätte. Beide kommen auf Bewährung frei, weil sie zur Tatzeit sehr jung waren. Jens Söring ist bei seiner Freilassung 53 Jahre alt, er hat also mehr als die Hälfte seines Lebens im Gefängnis verbracht.
Über seine Zeit im Gefängnis und das Leben danach hat Söring unter anderem ein Buch geschrieben: „Rückkehr ins Leben”.
Jens Sörings wahre Geschichte: Der Mord und die Flucht
Am 30. März 1985 werden die Eltern von Elizabeth Haysom in ihrem Haus in Virginia mit unzähligen Messerstichen ermordet. Eine Nachbarin findet die Toten erst mehrere Tage später. Sowohl Nancy als auch Derek Haysom sind beinahe enthauptet worden.
Gruseliges Detail der Geschichte: Sie haben offenbar mit der oder den Mörder:innen gemeinsam am Tisch gesessen und gegessen, bevor sich die Tat ereignet. Die Polizei findet die Tatwaffe nicht, es gibt auch keine Fingerabdrücke oder Zeug:innen.
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Bei der anschließenden Befragung finden die Ermittler:innen das Verhalten von Tochter Liz seltsam. Zudem entdecken sie am Tatort einen blutigen Sockenabdruck mit Blutgruppe 0 – diese passt zu Söring. Bei der Beerdigung hat er zudem sichtbare Verletzungen, die von einem Kampf mit den Opfern stammen könnten, vermutet die Polizei.
Mitte Oktober 1985 soll das Paar auf dem Präsidium erscheinen und Finger- sowie Fußabdrücke und Blutproben abgeben. Haysom folgt der Aufforderung, Söring aber nicht. Wenige Tage später flieht er aus den USA. Vorher räumt er sein Bankkonto leer und beseitigt sämtliche Fingerabdrücke in seiner Wohnung und seinem Auto.
Haysom verlässt das Land kurz nach ihm; das Paar reiste mehrere Monate lang durch Asien und Europa. Dabei hält es sich mit Gelegenheitsjobs und Betrügereien über Wasser.
Jens Söring: Die wahre Geschichte hinter seinem Geständnis
Jens Söring und Elizabeth Haysom werden schließlich in London von einem Ladendetektiv bei einem versuchten Scheckbetrug ertappt. Sie kommen in Untersuchungshaft. Die Polizei findet einen Briefwechsel zwischen Söring und Haysom aus den Monaten vor dem Mord und ein gemeinsames Reisetagebuch. Darin sind Anspielungen auf eine Gewalttat in Virginia und Gewaltfantasien.
Söring schreibt zum Beispiel, dass er die „Dinner-Szene durchgeplant” und „die ultimative Waffe” gegen ihre Eltern gefunden habe. Außerdem erwähnt er deren Vermögen und die Möglichkeit, einen Teil davon zu bekommen. Haysom dagegen schreibt mehrmals, wie sehr sie ihre Eltern hasse und dass sie ihnen den Tod wünsche.
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Söring gesteht den Doppelmord schließlich gegenüber verschiedenen Behörden aus Großbritannien und den USA sowie einem deutschen Staatsanwalt. Sein Geständnis wiederholt er gegenüber Psychiater:innen, die Sörings Eltern bestellt haben.
Dabei nennt er viele Details zum Tatort und zu den Morden. Unter anderem kann er die genaue Position der Stühle am Esstisch und die Wunden der Opfer beschreiben. Er erklärt, wie er den Haysoms die Kehle durchgeschnitten und sich danach im Bad das Blut abgewaschen hatte. Was er sagt, stimmte mit den Spuren am Tatort überein.
Der Fall Jens Söring: Prozess und Haftstrafe
In ihrem Prozess 1986 beschuldigt Liz Haysom Jens Söring, ihre Eltern ermordet zu haben. Sie habe ihn dazu angestiftet. Dafür wird sie zu zweimal 45 Jahren Haft verurteilt.
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Die Hauptverhandlung gegen Söring beginnt 1990. Anders als vier Jahre zuvor beteuert er nun seine Unschuld – bis heute. Seine Freundin habe die Morde begangen, er habe nur ein Geständnis abgelegt, um sie vor der Todesstrafe zu bewahren. Er kenne nur Details über die Geschehnisse am Tatort, die sie ihm erzählt habe.
Zudem habe er angenommen, wie sein Vater diplomatische Immunität zu besitzen, sagt er vor Gericht. Er sei davon ausgegangen, in Deutschland nach Jugendstrafrecht verurteilt zu werden und nur wenige Jahre absitzen zu müssen. Allerdings haben ihn die Ermittler in den Verhören mehrfach darauf hingewiesen, dass er nach Virginia ausgeliefert werde.
Unter Eid sagt Söring aus, ein Beamter habe Elizabeth bedroht und ihn massiv unter Druck gesetzt. Der Ermittler wiederum dementiert, ebenfalls unter Eid.
Jens Söring: Widersprüche vor Gericht
Im Prozess verwickelt sich Söring mehrfach in Widersprüche. Wegen der vielen Indizien und seinem Wissen zur Tatnacht wird er zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hält es für nicht plausibel, dass er Tatort und Ereignisse so genau hätte beschreiben können, ohne selbst der Täter zu sein.
In den folgenden Jahren stellt Söring mehrere Anträge auf Begnadigung und Bewährung, die aber von den entsprechenden Gerichten abgelehnt werden. Weil die DNA-Spuren in den 1980er-Jahren noch nicht im Detail ausgewertet werden können, wird das später nachgeholt.
Die Ergebnisse sind umstritten: Die Spuren weisen nicht direkt auf Söring hin. Allerdings sei das nach Aussage einiger Expert:innen kein Beweis für seine Unschuld, da die Blutproben nicht mehr komplett und teilweise kontaminiert seien.
Professor Thomas McClintock von der Liberty University in Virgina kommt 2018 jedoch zu einer anderen Einschätzung, nach der die DNA-Proben brauchbar seien. Seiner Meinung nach deute alles auf eine weitere Person am Tatort mit der Blutgruppe 0 hin. Auch Söring hat wie erwähnt die Blutgruppe 0, allerdings passt der am Tatort gefundene blutige Sockenabdruck nicht zu seiner Fußgröße.
Jens Söring heute: Wie und wo lebt er jetzt?
Nach seiner Freilassung im Dezember 2019 wird Jens Söring nach Deutschland abgeschoben, wo er bis heute lebt. Er ist frei, darf aber nicht mehr in die USA einreisen.
Auch Liz Haysom wird Ende 2019 entlassen und in ihr Geburtsland Kanada abgeschoben. Sie lebt unter falschem Namen, Jens Söring hat seinen Namen behalten. Er veröffentlicht mehrere Bücher, sechs davon bereits während seiner Haft. Es geht dabei um Themen wie Meditation und Haftbedingungen in den USA.
Söring lebt in Norddeutschland und arbeitet als Autor, Redner und Coach. Auch in Talkshows tritt er immer wieder auf.
Der Fall Jens Söring: Die wahre Geschichte bei Netflix
Netflix hat aus Jens Sörings wahrer Geschichte eine Dokuserie gemacht. „Der Fall Jens Söring - Tödliche Leidenschaft” ist eine vierteilige Dokuserie, die ab dem 1. November 2023 zu sehen ist.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Geschehnisse um den Diplomatensohn verfilmt wurde: Der Dokumentarfilm „Das Versprechen” von 2016 rekonstruiert den Fall ebenfalls.