TV & Entertainment
Film-Review: „Mary Poppins’ Rückkehr“ – Der Zuckerschock für die Augen
Das eigenwillige Kindermädchen Mary Poppins sollte fast jedem ein Begriff sein. Der Musicalfilm von 1964 hat mittlerweile Kultstatus und ist Bestandteil der amerikanischen Popkultur. So konnten wir uns die Kino-Neuauflage natürlich nicht entgehen lassen. Hier folgt nun die featured-Filmkritik zu Mary Poppins’ Rückkehr.
Das Sequel erscheint 54 Jahre nach dem Original und ist damit offiziell die späteste Fortsetzung der Filmgeschichte. Obwohl Mary Poppins’ Rückkehr genau genommen ein Remake ist, das sich als Fortsetzung verkleidet hat.
Kommt eine Nanny geflogen…
Zur Zeit der großen Depression der dreißiger Jahre sind Jane (Emily Mortimer) und Michael Banks (Ben Whishaw) bereits erwachsen und glauben nicht mehr daran, dass ihre Abenteuer mit dem magischen Kindermädchen wirklich passiert sind. Nach dem Ableben von Michaels Ehefrau zieht er seine drei Kinder allein groß und steht kurz davor, das Familienhaus im Kirschbaumweg zu verlieren.
Aber, oh Wunder, am Tiefpunkt der Banks-Familie kommt erneut Mary Poppins (Emily Blunt) vom Himmel geflogen und hat neben neuen Songs und Trickfilm-Magie auch noch ganz viel Hoffnung im Gepäck.
Jammern auf (musikalisch) hohem Niveau
Und die Moral von der Geschicht‘? Wenn Du ein verwöhnter Mittelständler bist und kurz davorstehst, Dein gigantisches Haus im Schickimicki-Stadtviertel samt Haushälterin zu verlieren, stehen die Chancen gut, dass sich das Problem ein, zwei halluzinogene Erfahrungen später in Luft auflöst.
Ja, man muss die Realitätsflucht schon mögen, die Disney einem auch in der Fortsetzung vor die Nase setzt. Zweifelsfrei liefert Emily Blunt ab und Ben Whishaw verleiht seinem Michael tatsächlich so etwas wie Persönlichkeit. Im Prinzip kann man jetzt keiner Darstellerin und keinem Darsteller nachsagen, er würde nicht mit vollem Körpereinsatz performen und gesanglich überzeugen. Deshalb überlassen wir es auch gerne den zahlreichen Muscial-Experten da draußen, die musikalischen Qualitäten der Beteiligten einzuschätzen. Ohrwürmer bietet Mary Poppins’ Rückkehr zweifelsfrei genug.
Nun unterscheidet sich ein Musical insofern von den meisten Konzerten, als dass die Musikstücke von einer Dramaturgie zusammengehalten werden. Aber wie hoch kann die Fallhöhe sein, wenn eine Figur wie Mary Poppins schier gottgleiche Magie mitbringt? Genau: es gibt keine. Und eine Dramaturgie ohne Fallhöhe – nun ja, das muss man eben mögen.
Mit Schirm, Charme und … fertig
Autorin Pamela Lynwood Travers, die Schöpferin des magischen Kindermädchens Mary Poppins, mochte die Verfilmung ihrer Romane nicht. Ihr war die Darreichung als Musical zusammen mit seinen klebrig süßen Dialogen und Farben zuwider. Die komplizierte Beziehung zwischen Buchautorin und Filmproduktion wird in dem biografischen Film Saving Mr. Banks (Filmkritik auf Kopf & Kino) aufgearbeitet. In der Buchvorlage ist das Kindermädchen wesentlich schnippischer und weniger anheimelnd, regelrecht keck. Wenigstens in diesem Punkt würde P. L. Travers die aktuelle Iteration ihrer Figur vermutlich zusagen. Denn Emily Blunt lässt in ihrer Interpretation der Figur – auch wenn faktisch die Nachfolge von Julie Andrews – an einigen Stellen durchscheinen, welch ruppigen Charme die Nanny wohl in den Büchern hat. Das allerdings immer nur kurz, bevor dann wieder jemand aus irgendwelchen Gründen anfängt zu singen.
Für Musical-Fans ein Highlight – alle anderen seien gewarnt
Mary Poppins’ Rückkehr ist zweifelsfrei ein kunterbunter Spaß für Kinder. Egal, ob das Kind nun sechs, 16 oder 46 Jahre alt ist. Bei anderen Kritikern schon längst unter den Top Ten des Jahres 2018 kommen wir hingegen zu dem Fazit, dass eine gewisse Zuneigung zum Genre Musical vorhanden sein sollte, da bei unreflektiertem Konsum dieser lebensfernen Buntmalerei die Gefahr besteht, in zuckerschockbedingte Apathie zu verfallen.
Mary Poppins’ Rückkehr
OT: Mary Poppins Returns
Genre: Musical / Fantasy
Bundesstart: 20.12.2018
Laufzeit: 130 Minuten
FSK: Ab 0 Jahren
Regie: Rob Marshall
Drehbuch: David Magee
Mary Poppins darf gerne weiterfliegen. Welches Musical hat dringend eine Fortsetzung verdient? Wir freuen uns auf Deine Ideen in den Kommentaren.
Titelbild: Copyright Disney
Bonus: Musicals und wo man sie findet
Das Musical und Musicalfilme sind ureigenste Darbietungsformen der USA. Musicalfilme wie Der Zauberer von Oz / Das zauberhafte Land (1939) oder eben Mary Poppins (1964) sind stark in der amerikanischen Popkultur und im American Way of Life verankert. Und obgleich sich Musicalfilme wie Mamma Mia! (2018) und The Greatest Showman (2017) auch hierzulande großer Beliebtheit erfreuen, würden Dir die meisten Filmproduzenten einen Vogel zeigen, schlügest Du ihnen vor, einen deutschsprachigen Musicalfilm zu drehen, der vielleicht auch noch in der Bundesrepublik spielt. Das letzte nennenswerte Projekt in dieser Richtung war Heimweh nach St. Pauli (1963) mit Schlagerikone Freddy Quinn. Folgend ein kleiner Tipp für alle, die auf der Suche nach einem Musical für Erwachsene sind: Anna und die Apokalypse ist der erste und bis dato einzige Weihnachts-Zombie-Musicalfilm und… ach schau selbst: