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Film-Review: „Aladdin“ – Dschinni, der Date-Doktor
Ein Straßenjunge erobert das Herz einer Prinzessin. Eine umgekehrte Aschenputtel-Geschichte vor exotischer Kulisse mit Disneymusik. Der Film wird sein Publikum finden. Unser Autor gehört allerdings nicht dazu. Alles über verpasste Chancen erfährst Du in der featured-Filmkritik zu Aladdin (2019).
Codename U.N.C.L.E. (2015) floppte. King Arthur: Legend of the Sword (2017) war pures Kassengift. Scheinbar hat Regisseur und Co-Drehbuchautor Guy Ritchie mit dem Aufwärmen alter Stoffe kein Glück. Auch bei Aladdin fragt man sich: Wozu eigentlich ein Remake?
Aladdin: Eine umgedrehte Aschenputtel-Geschichte
In der arabischen Hafenstadt Agrabah schlägt sich der Straßenjunge Aladdin (Mena Massoud) zusammen mit seinem pfiffigen Kapuzineräffchen Abu als Tagedieb durch. Eine glückliche Begegnung später ist er unsterblich in Prinzessin Jasmin (Naomi Scott) verliebt. Durch glückliche Umstände in den Besitz einer Wunderlampe gekommen, gewährt ihm der Lampengeist Dschinni (Will Smith) drei Wünsche und hilft auch noch dabei, das Herz von Prinzessin Jasmin zu erobern. Dschafar (Marwan Kenzari), der Großwesir des gutgläubigen Sultans, hat jedoch ganz andere Pläne. Und in denen findet ein aufmüpfiger Straßenjunge keinen Platz.
Erster Wunsch: Ein anderes Drehbuch
Nun, schon die ersten Trailer wurden laut Buzzfeed skeptisch aufgenommen. Ironischerweise war der Grund damals das Casting von Will Smith als Dschinni. Dabei stört dieser den Film am wenigsten. Generell sind die Animationen zweckdienlich. Das Äffchen ist süß, die Stadt ist ein Postkartenmotiv und der Lampengeist ist Will Smith als blauer Will Smith. Überzeugen kann vor allem Teppich, der trotz seiner Flachheit mehr Profil mitbringt als der Rest der Charakterimitate.
Der Zeichentrickfilm war in puncto Drehbuch sicherlich auch kein Oscarstück. Aber die Überzeichnung solcher Figuren wie dem sehr kindlichen Sultan oder Dschafar als grimassierender Strippenzieher, gaben dem Film eine deutliche Ausrichtung für das anvisierte junge Publikum. Im Vergleich dazu wirkt die Figurenaufstellung nun wie ein homogener Brei. Pluspunkt ist die neu eingeführte Figur Dalia, eine Kammerzofe und Vertraute der Prinzessin Jasmin. Leider wird schnell klar, dass Dalia lediglich ein weiteres komisches Element ist und dazu verdammt, die Story noch mehr auf Will Smiths Dschinni zuzuspitzen.
Zweiter Wunsch: Eine andere Besetzung
Aladdin geht mit seinem perfekt gestutzten Drei-Tage-Bart und seinem Dauergrinsen nur schwer als bedauernswerter Straßenjunge durch. Er erinnert eher an einen Berliner Start-up-Gründer Ende Zwanzig. Dabei kann man Newcomer Mena Massoud nur bedingt einen Vorwurf machen. Er hat ohne Zweifel das geliefert, was Regisseur Guy Ritchie ihm wohl eingetrichtert hat. Tragisch ist nur, dass im Laufe des Films so viele junge Charakterköpfe durchs Bild flitzen und tanzen, die allesamt einen glaubwürdigeren Titelhelden abgegeben hätten.
Naomi Scott verkauft das behauptete kämpferische Temperament der Prinzessin Jasmin in keiner Szene glaubhaft. Schade, denn in der Rolle des Pink Ranger im Power-Rangers-Reboot lieferte sie gerade in diesem Punkt gut ab. An dieser Stelle muss man nochmal auf die neue Figur der Dalia zurückkommen. Denn Schauspielerin Nasim Pedrad zeigt in jeder Szene, dass sie die Hauptrolle mit genau der Präsenz gefüllt hätte, die Scott hier leider fehlt.
Dritter Wunsch: Ein anderer Film
„Aladdin, war das nicht dieser Film mit Will Smith als Dschinni?“ So, oder so ähnlich, wird der Film vermutlich im Gedächtnis bleiben. Wenn überhaupt. Denn grundsätzlich stellt sich bei den aktuellen Disney-Live-Action-Remakes ja immer die Frage, welche neuen Aspekte sie den alten Geschichten abringen können. The Jungle Book, Maleficient und Christopher Robin schüttelten das Kindliche der Trickfilmvorlagen geschickt ab. Dass Dumbo diesbezüglich übertrieb und eine zu Zelluloid gewordene Depression war – geschenkt.
Aber was, was nur um des Lampengeists Willen ist die Berechtigung dieses quietsche bunten Popkitschinfernos? Die Neuinterpretation des Zeichentrickklassikers Aladdin ist ein zweckfreies Starvehikel für Will Smith, das durchaus heitere Momente bietet. In Summe werden diese allerdings von sinnfreiem Pathos und farblosen, fehlbesetzten Hauptfiguren überschattet.
Im Zweifelsfall solltest Du Dir lieber nochmal das Original anschauen, die zwei Zeichentrickfortsetzungen oder die Zeichentrickserie. Und für eine gute Musikperformance lohnt sich vielleicht ein Blick ins Musical.
Aladdin
Genre: Fantasy / Musical
Bundesstart: 23.05.2019
Laufzeit: 129 Minuten
FSK: Ab 6 Jahren
Regie: Guy Ritchie
Drehbuch: John August, Guy Ritchie, Vanessa Taylor
Welchen Zeichentrickfilm sollte Disney dringend als Realfilm umsetzen? Wir freuen uns auf Deine Ideen!