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Der Killer: Das Ende des Netflix-Thrillers erklärt
Regisseur David Fincher liefert mit seinem Thriller das Porträt eines eiskalt kalkulierenden Auftragsmörders ab. Aber hinter der stilsicheren Fassade eines Genrefilms steckt noch einiges mehr. Hier findest Du das Ende von „Der Killer” erklärt.
Darum geht’s in Der Killer
Ein namenloser Profikiller (Michael Fassbender) bereitet sich auf seinen nächsten Job vor. In Paris hockt er in einem verlassenen Büro und wartet, dass sich gegenüber endlich sein Opfer blicken lässt. Aber als der Moment gekommen ist, leistet sich der Killer einen Fehlschuss. Er erwischt eine Frau, die in letzter Sekunde in die Schusslinie tritt, und nicht die Zielperson, einen Mann.
Der Killer beseitigt seine Spuren und setzt sich in die Dominikanische Republik ab, seinen Heimatort. Dort folgt der nächste Tiefschlag: Seine Freundin Magdala (Sophie Charlotte) wurde von zwei Killern überfallen, hat aber schwer verletzt überlebt. Der Anschlag war die Strafe für seinen verpatzten Auftrag. Der Killer startet infolgedessen einen Rachefeldzug.
Das Ende von Der Killer erklärt: Die Regeln
Der Killer reist um die halbe Welt, um alle Personen zu eliminieren, die hinter dem Anschlag auf seine Freundin stecken. Dabei folgt er scheinbar unverrückbaren Regeln. Wir hören sie aus dem Off: Der Killer erläutert in einem Monolog, mit seiner inneren Stimme, was das Leben eines Tötungsexperten ausmacht. Und warum er „einer der Wenigen” ist, wie es heißt.
Seine Regeln erscheinen typisch für seinen Berufsstand: Lass keine Empathie zu. Vertraue niemandem. Führe nur die Kämpfe, für die Du bezahlt wirst. Diese Regeln musst Du befolgen, wenn Du erfolgreich sein willst.
Und der Killer ist erfolgreich: Er hat eine Villa in der Karibik und acht Millionen Dollar auf dem Konto. Scheinbar unbeirrt zieht er seinen Rachefeldzug durch. Er tötet zunächst den Agenten, der den Mordauftrag an ihn vermittelt hat – und dessen Sekretärin. Aber spätestens bei der Sekretärin zeigen sich Risse im Selbstverständnis des Killers.
Die unvollendete Todesliste
Er lässt ihren Tod auf ihren letzten Wunsch hin als „natürlich” erscheinen: Er stürzt sie eine Treppe hinunter. Der Killer zeigt also, sehr bescheiden noch, eine Art Mitgefühl für sein Opfer. Danach erledigt er die beiden Attentäter.
Besonders ein Opfer scheint dem Auftragsmörder dabei zu schaffen zu machen: Die Expertin (Tilda Swinton) verwickelt ihn in ein Gespräch über den Sinn ihrer Profikiller-Tätigkeit. Sie stellt existenzielle Überlegungen an, die den sonst so coolen Killer nicht kalt lassen.
Als letzter Name auf seiner Todesliste steht der Kunde, also der Mann, der letztlich den Auftrag zu seinem Job gab und, als der fehlschlug, die Order, die Freundin des Killers zu erledigen und auch ihn selbst.
Der Kunde heißt Claybourne (Arliss Howard), ist Milliardär und es gelingt ihm, den Killer davon abzubringen, ihn ebenfalls zu töten. Es sei nichts Persönliches gewesen, erklärt Claybourne. Er sei erschrocken gewesen und lediglich dem Rat gefolgt, „lose Enden zusammenzuführen”.
Der Killer gibt sich etwas überraschend mit dieser Erklärung zufrieden und verschont Claybourne. Er warnt ihn jedoch, dass er ihn töten werde, sollte es erneut Anschläge auf seine Freundin oder ihn geben.
Der Killer kehrt daraufhin zurück in die Dominikanische Republik zu seiner wieder genesenden Freundin. Aus dem Off erklärt er schließlich, dass er nun „einer der Vielen” sei, nicht mehr „einer der Wenigen”.
Das Ende von Der Killer erklärt: Warum verschont er den Kunden?
Auf diese Frage gibt es mehr als eine Antwort. Bleiben wir zunächst im Milieu der Branche: Claybourne könnte einen anderen Attentäter anheuern, um den Killer zu beseitigen. Dass er den Kunden am Leben lässt, birgt also ein erhebliches Risiko.
Dennoch könnte dieser Schritt beruflich von Nutzen sein. Denn warum sollte er einen potenziellen Kunden töten? Rache ist zwar ein starkes Motiv, aber in seinem Berufsstand keine gute Strategie, weiter erfolgreich zu arbeiten. Wenn der Killer nicht davor zurückschreckt, einen gut zahlenden Kunden zu töten, insbesondere einen, dem er eine fehlerhafte Arbeit abgeliefert hat, besteht kaum eine Chance, in Zukunft weitere Jobs zu bekommen.
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Er würde also seinen Ruf riskieren – und seine Einnahmequelle. Eine andere Erklärung dafür, dass der Killer den Kunden nicht umbringt, ist allerdings sehr viel einleuchtender. Der Killer hat einfach keine Lust mehr auf seinen Job.
Er will sich zur Ruhe setzen und aus der Branche aussteigen, dafür das Leben an der Seite seiner Freundin genießen. Im Laufe der Handlung bröckelt sein Berufsethos mehr und mehr. Schon der Fehlschuss beim verpatzten Paris-Job zeigt: Der Mann ist nicht mehr so fokussiert, wie er vorgibt zu sein.
Seine Regeln sind nur noch Hülle, er scheint zu spüren, dass er sie nicht mehr befolgen kann und auch nicht mehr befolgen will. Und er entdeckt Gefühle: Seine heftige Reaktion, als er die verletzte Magdala findet, spricht Bände.
Er zögert bei der Beseitigung der Sekretärin. Er lässt die Expertin erst ihren Nachtisch verspeisen, bevor er sie umbringt. Und er verschont den Kunden, dem er die ganze Zeit auf der Spur war.
Mit seinem Rachefeldzug räumt er zwar hinter sich auf, aber zugleich macht er eine Art Bildungsreise: Er macht eine Verwandlung durch und kommt am Ende bei sich selbst an. Der Killer erkennt, dass es eine Chance auf ein normales Leben gibt, mit der Frau, die er liebt. Er ist nicht mehr einer der wenigen Auserwählten. Er ist einer von vielen Menschen, die ganz normale Dinge tun.
Sind wir nicht (fast) alle ein bisschen wie der Killer?
Der Killer ist ein Typ, wie wir ihn aus unserem täglichen Leben kennen könnten. Natürlich kennen wir niemanden, der berufsmäßig Menschen umbringt; dafür aber Leute, die sich so verhalten wie der Killer. Leute, die rücksichtslos ihren Weg gehen, stur ein Ziel verfolgen und dabei nicht nach links oder rechts schauen.
Da ist die Politikerin, die vom Rednerpult aus menschenverachtende Parolen schwingt – weil ihr das bei der nächsten Umfrage ein, zwei Prozentpunkte mehr Zustimmung einbringt. Da ist der Radfahrer, der bei Rot über die Kreuzung rauscht und auf dem Fußweg Passant:innen anrempelt – weil er so 90 Sekunden früher zu Hause ist.
Oder die Filialleiterin, die ihren Mitarbeiter:innen keine Mittagspause gönnt, um den Umsatz zu steigern – weil sie (und nur sie) am Ende des Jahres eine fette Prämie einsacken will. All diese Typen werden wahrscheinlich irgendwann einen brutalen Absturz erleben, ausbrennen, unter die Räder kommen.
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Und wahrscheinlich werden sie bis dahin wenig Spaß gehabt und sich viele Feind:innen gemacht haben. Und genau an diesem Punkt befindet sich der Killer. Er zieht die Notbremse, um Menschlichkeit und sein Leben zurückzugewinnen.
Nun haben wir also das Ende von Der Killer erklärt: Der Thriller ist weniger ein Film über eine menschliche Tötungsmaschine, sondern eine Metapher über die Nöte und Zwänge des modernen Menschen in einer auf Effizienz getrimmten Gesellschaft.