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Der Geburtstag (2020) in der featured-Filmkritik: Monoton in Monochrom
Jazzmusik und Nebel auf der einen Seite, auf der anderen Seite aufgesetzte Theaterkomik. Regisseur und Autor Carlos A. Morelli versucht sich an einem Tango, zwischen Film Noir und Charakterdrama. Warum das interessant, aber schwierig ist, erfährst Du in der featured-Filmkritik zu „Der Geburtstag“.
„Der Geburtstag“ erzählt die alltägliche Geschichte von einem Vater, der mit seiner Vaterrolle fremdelt. In der spontanen Fürsorge für ein anderes Kind entdeckt er die Vatergefühle für sein eigenes wieder. Regisseur Carlos Morelli inszeniert das Drama mit Mitteln des Film Noir. Kann das funktionieren?
Nach der Party: Eine Reise durch die Nacht
Matthias (Mark Waschke) ist kein guter Vater. Der Job geht vor. Er hält seinen Sohn Lukas (Kasimir Brause) mit Versprechungen hin, die er scheinbar nie erfüllt. Seine Ex-Frau Anna (Anne Ratte-Polle) hat von ihm deshalb schon lange die Schnauze gestrichen voll.
Lukas‘ anstehende Geburtstagsfeier beginnt folgerichtig damit, dass Matthias ihn zu spät von der Schule abholt. Das im Anschluss folgende Unwetter, bei dem Anna und Matthias hektisch die Geburtstagsdekoration im Garten abbauen und sich dabei streiten, untermalt nur den Gesamtzustand der Familie.
So richtig brisant wird es allerdings erst nach der Party: Ein Kind, Julius (Finley Berger), wird nicht abgeholt und seine Eltern sind nicht zu erreichen. Als Matthias nun mit dem Jungen durch die Nacht streift, um ihn nach Hause zu bringen, schlüpft er mehr und mehr in genau die Vaterrolle, die er seinem leiblichen Sohn schuldig ist.
Darf Schwarzweiß-Ästhetik ein Selbstzweck bleiben?
Im Idealfall bringen jeder Dialog und jede Einstellung die Geschichte eines Films voran. Nun hat sich Drehbuchautor und Regisseur Carlos Morelli für eine Ästhetik des Alten entschieden; schwarzweiße Bilder und Jazzmusik.
Ein Schwarzweißer Look im modernen Spielfilm lässt sich durchaus rechtfertigen. „The Artist“ (2011) beispielsweise, nutzt seine Stummfilmästhetik metaphorisch, um einen Abgesang auf den Stummfilm zu erzählen. Im Horrorfilm „The Eyes of My Mother“ (2016) spiegelt die Monochromie die seelische Dunkelheit der Protagonistin wider. In der „Edgar Wallace“-Parodie „Der Wixxer“ (2004) herrscht nur innerhalb des Schlosses Blackwhite Castle tristes Grau, weil man dort an der Vergangenheit klammert.
„Der Geburtstag“ hingegen lässt jedwede Ironie diesbezüglich vermissen. Plötzlich sitzt das Duo in einem Lokal, das an ikonische US-Diner erinnert, die man aus Filmen kennt; unfreundliche Bedienung inklusive. Aber wofür? Für den Look. Der Story bringt es nichts. Außer vielleicht die Frage, wo in Halle dieses Diner wohl steht und wie lange es denn überhaupt geöffnet hat.
Und dieser Umstand ist schade. Denn nur weil die Ästhetik aufgesetzt und artifiziell wirkt, heißt das nicht, dass man sie nicht anschauen könnte. Im Gegenteil: Die Bilder von Friede Clausz sind hübsch fotografiert und können einen bisweilen verträumt an der Leinwand halten.
Ein Drehbuch, so farblos wie der Film selbst
Reduzieren wir die Geschichte auf die Konstellation, muss man fairerweise attestieren, dass die meisten Filme von Til Schweiger eine ähnliche Prämisse haben. Bei den kleinen Wortgefechten, zwischen Matthias und Anna, möchte man kurz die theatereske Stimmung eines Woody-Allen-Films erahnen, bleibt aber ernüchtert zurück, wenn die Pointe fehlt. Obwohl, diesbezüglich ist es ja dann doch schon Woody Allen.
Und obgleich Schauspielerinnen wie Anne Ratte-Polle – Du kennst sie vielleicht aus der Sci-Fi-Serie „Dark“ – offensichtlich stark spielen können, drängt Morellis Regie sie scheinbar in ein Vakuum aus Kunstpausen und langen Blicken. Wir schieben es ebenso auf die Regie, dass Hauptdarsteller Mark Waschke (ebenfalls „Dark“) so wirkt, als hätte er beim Schauspiel unzählige Varianten anbieten müssen – und zwar gleichzeitig, oder anders: als hätte Morelli nicht so recht gewusst, was er haben wollte. Pure Unterstellung, denn sicherlich hatte der Regisseur nur die besten Absichten.
Der Geburtstag: Ein schwarzweißes Drama mit Potential?
„Der Geburtstag“ entstand in Ko-Produktion mit ZDFs „Kleinem Fernsehspiel“ und musste demnach, glücklicherweise, nicht für den Mainstream konzipiert werden. Er ist ein Kunstfilm durch und durch, der ein alltägliches Problem überbordend inszeniert und dabei auf Stilmittel des Film Noir und alter Mystery-Schinken zurückgreift. Zusammen mit dem tollen Soundtrack von Florian Sievers entsteht dabei ein freigeistiger Ansatz des Erzählens. Wie dem auch sei. Bei Dialogen und Geschichte entsteht der Eindruck, Autor und Regisseur Morelli hätte sich zu sehr darin gefallen einen „coolen Schwarzweißfilm“ zu drehen, anstatt den Figuren auch ein Profil zu geben.
Wer einen Blick fürs Ungewöhnliche hat und das nächste Mal beim Thema „Kunstfilm“ mitreden will, darf bitte auf jeden Fall einen Blick riskieren.
Der Geburtstag
Genre: Drama / Film Noir
Bundesstart: 25. Juni 2020 (Kino / Heimkino)
Laufzeit: 79 Minuten
FSK: Ab 6 Jahren
Regie: Carlos A. Morelli
Drehbuch: Carlos A. Morelli
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