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4-Blocks-Produzentin Anke Greifeneder im Interview: „Ich gehöre nicht zur Fraktion Hadern oder Bereuen“
Anke Greifeneder ist verantwortlich für die Eigenproduktionen von Turner in Zentral- und Osteuropa. Als Programmdirektorin hatte sie Erfolgsserien wie Game of Thrones nach Deutschland gebracht, seit 2012 sorgt sie als Produzentin selbst für Nachschub. Für Add a Friend (2012) und Weinberg (2015) wurde sie jeweils mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet. Und 2017 kam dann 4 Blocks, eine Serie über arabische Familienclans in Berlin-Neukölln, die einen Preis nach dem anderen abstaubte. Vor dem Drehstart der dritten und finalen Staffel im Frühjahr haben wir mit der Produzentin Anke Greifeneder über die Idee, den Cast und den Erfolg von 4 Blocks gesprochen.
Die Drama-Serie 4 Blocks erzählt die Geschichte der arabischen Großfamilie Hamady und ihre Verstrickung in das organisierte Verbrechen. Für die Eigenproduktion des Senders TNT Serie hat sich das Produktionsteam für die Sicht aus dem Inneren des Clans entschieden. Warum das unter anderem den großen Erfolg der Serie ausmacht, wieso nach der dritten Staffel Schluss ist und weshalb Rapper Veysel und Massiv bewusst gecastet wurden, erfährst Du im featured-Interview mit Anke Greifeneder.
Was war Deine erste Reaktion, als man Dir die Idee für 4 Blocks gepitcht hat?
Meine erste Reaktion war tatsächlich: Spannendes Thema. Denn ich habe selber einige Jahre in Berlin gelebt und kannte so ein bisschen den Hintergrund zu dem ganzen Thema. Ich fand es sehr spannend, generell über Clan-Familien eine Geschichte zu erzählen. Es gibt vier Blocks in Berlin, in die die Polizei nicht so wahnsinnig gerne allein reingeht, das ist etwas, was ich nicht erwartet hätte. So etwas hatte ich immer mit anderen Ländern oder Großstädten in Verbindung gebracht. Und deswegen war mein Interesse erstmal geweckt.
Du hast Dich damals dafür eingesetzt, 4 Blocks nicht aus der Sicht der Polizei zu erzählen, sondern aus der Perspektive der Gangster. Was hat Dich dazu bewegt?
Ich hatte das Gefühl, den Blick von außen auf die Clan-Familien gab es schon oft. Mich interessieren generell Geschichten oder Milieus, auch Kulturen, die noch nicht erzählt worden sind. Ich dachte, ja gut, wie es bei der Polizei aussieht, das wissen wir aus gefühlt hundert Serien und Tatorten. Aber wie es in den Clans aussieht und was sie bewegt, wie ihr Alltag aussieht, das ist etwas, das noch nicht erzählt wurde. Und obwohl viele sagen es sei eine Mafia-Geschichte – was es auf jeden Fall in gewisser Weise auch ist – so ist es für mich immer noch von Anfang an eine Familiengeschichte. Deswegen hat mich das Konzept interessiert: Der Zusammenhalt in der Familie, auch der Großfamilie, diese ganze Parallelwelt, die da entsteht, die Abschottung, die so einen wahnsinnigen Stellenwert hat und andere Werte. Ich wollte sehen, was dahintersteckt.
Dazu habt ihr ja auch richtig recherchiert, ihr habt die arabischen Großfamilien in Berlin kennengelernt.
Genau, das ist ganz wichtig. Wenn man eine Gruppe, eine Gemeinschaft oder ein gesellschaftliches Phänomen beschreibt, dann muss man auch wissen, was man da erzählt. Gerade bei einem real existierenden Thema muss man sehr aufpassen, dass man die Fakten wirklich sehr gut kennt. Deswegen war mein ganz großes Anliegen, dass wir da genau hinschauen. Das haben unser Regisseur Marvin Kren und unsere Autoren bis ins kleinste Detail getan. Zudem hatten wir dann auch Kida Khodr Ramadan und Sami Nasser an unserer Seite, die uns beraten und unterstützt haben. Deswegen, glaube ich, haben wir ein getreues Bild abzeichnen können.
Die Serie sticht nicht nur wegen ihres Settings hervor, sondern auch aufgrund ihrer Besetzung. Neben professionellen Schauspielern sind auch die Rapper Massiv und Veysel sowie einige Laiendarsteller mit von der Partie. Wie kam es dazu?
Das hat auch wieder mit der Authentizität zu tun. Ich sag mal so, wir hatten keine Lust Leute zu besetzen, die einfach arabisch aussehen, aber eigentlich Müller heißen und dann Araber spielen. Wir wollten stattdessen wirklich Leute aus dem Kulturkreis, die der Rolle eine Glaubwürdigkeit geben können. Die eine Sprache sprechen, die auch dazu passt. Beim Casting hat sich herausgestellt, dass sowohl Veysel als auch Massiv wirklich sehr begabt sind und dass sie ihre Rollen stemmen können. Das haben sie wirklich hervorragend gemacht.
Seid ihr auf die beiden zugegangen oder sind sie selbst zum Casting gekommen?
Wir sind auf Veysel und Massiv zugegangen. Straße und Rap, das hängt sehr zusammen. Dementsprechend hatten wir auch überlegt, wen man mit in den Cast nehmen kann und wer das Talent dafür hat.
Vor dem Start der ersten Staffel konntest Du nicht ahnen, dass das Publikum die Serie gut annehmen und sie zahlreiche Preise gewinnen würde. Mit welchen Reaktionen hast Du gerechnet?
Ganz ehrlich: Als wir 4 Blocks gedreht haben, wussten wir es überhaupt nicht. Es wäre gelogen zu sagen, wir haben immer mit diesem Erfolg gerechnet, im Gegenteil: Wir wussten einfach nicht, wie es aufgegriffen wird, weil wir oft Themen wählen, die entweder heikel oder nicht null-acht-fünfzehn sind und die auch voll nach hinten losgehen können.
Wenn die Tonalität nicht so glaubhaft wäre, wenn wir auch die Charaktere nicht so gut entworfen und unsere Schauspieler das nicht so gut gespielt hätten, wenn Marvin Kren das Lebensgefühl nicht mit so einer Kraft umgesetzt hätte, dann wäre die Serie nicht so erfolgreich geworden.
Erst zur Premiere auf der Berlinale, als 4 Blocks vor einem großen, ausverkauften Kino gespielt wurde und wir die Reaktionen des Publikums gesehen haben, habe ich mir zum ersten Mal gedacht, ‚Okay, das kann was werden, das kann richtig was werden‘.
Wie hat sich dieser Erfolg auf die Arbeit an der zweiten Staffel ausgewirkt?
Die zweite Staffel haben wir schon verkündet, bevor die erste ausgestrahlt wurde. Wir haben nicht darauf gewartet, wie die Reaktionen sein werden. Wir waren mit 4 Blocks extrem happy, fanden es einfach super. Deshalb haben wir uns entschieden weiterzumachen und dementsprechend versucht, Cast und Crew zeitlich zu sichern.
Voraussetzung war, dass wir genug Material für eine gute Geschichte haben, sodass sich eine weitere Staffel wirklich lohnt. Bevor wir eine tolle erste Staffel posthum zerstören durch eine schlechte zweite, lassen wir es lieber bleiben. Ich bin selber Serienfan und ich finde nichts schlimmer als eine unnötige zweite Staffel.
Deswegen gab es schon während der Berlinale ein Meeting mit Autoren, Regie und Produktion, in dem wir überlegt haben, was uns interessiert. Damals habe ich schon gesehen, dass wir wirklich genug gute Themen haben, um weiterzumachen.
Bald starten die Dreharbeiten zur dritten und finalen Staffel. Warum macht Ihr trotz des Erfolgs jetzt schon Schluss?
Wir glauben, dass es wichtig ist, würdig abzutreten. Nichts wäre schlimmer, als wenn jemand sagt, die Staffel hätten wir uns sparen können. Wir haben einfach gemerkt, dass die Geschichte, die wir um Toni und seine Familie erzählen wollen, mit der kommenden Staffel auserzählt ist. Es ist besser eine dritte gute Staffel abzuliefern als auf ewig weiterzumachen.
Rückblickend auf Deine Arbeit an der Serie: Was hat Dir besonders gut gefallen, was würdest Du im Nachhinein anders machen?
Ich gehöre nicht zur Fraktion Hadern oder Bereuen. So eine Serie ist ein Produkt von ganz vielen Menschen und immer Teamarbeit. Dementsprechend setzt sich der eine mal bei der einen Sache durch und der andere bei einer anderen. Wenn man weiß, einem von uns ist ein besonderes Bild oder eine Szene wichtig, dann lassen wir das so. Unsere Arbeit ist ja sehr fließend und hat sehr viele Komponenten, weswegen für mich immer der Gesamteindruck und das Gesamtwerk am Ende entscheidet.
Man nimmt natürlich bestimmte Learnings mit für eine weitere Staffel, es gibt Sachen, bei denen man merkt, die haben gut funktioniert, die möchte man weitertragen. Eben solche generellen Punkte. Aber ich würde mich nicht mit Details aufhalten und sagen: ‚Die Jacke, die Toni getragen hat, die hat mir aber heute nicht gefallen‘.
Sprechen wir über das Vermächtnis von 4 Blocks. Glaubst Du, dass 4 Blocks die deutsche Serienwelt verändert hat?
Es hat für uns viel verändert, für unseren Markt, für unseren Sender und für mein Team. Aber ob es die Serienwelt verändert hat, das müssen – in aller Bescheidenheit – andere entscheiden und das wird auch die Zeit zeigen. Also ich kann nur sagen, für uns hat es was verändert und dafür bin ich auch wirklich dankbar.
Es hat für uns viel verändert, für unseren Markt, für unseren Sender und für mein Team. Aber ob es die Serienwelt verändert hat, das müssen – in aller Bescheidenheit – andere entscheiden und das wird auch die Zeit zeigen. Also ich kann nur sagen, für uns hat es was verändert und dafür bin ich auch wirklich dankbar.
Was genau hat es denn für euch verändert?
Wir haben ja kontinuierlich all unsere Serien ausgebaut und das auch nicht unerfolgreich. Mit Add a Friend und Weinberg sind wir natürlich mit weniger Budget gestartet. Aber ich muss sagen, wir waren von Anfang an wirklich sehr zufrieden mit unseren Eigenproduktionen und auch erfolgreich. Direkt mit der ersten Produktion Add a Friend haben wir den Grimme-Preis gewonnen den Bayerischen Fernsehpreis, den Mira Award und da hatten wir wirklich noch weniger Budget, mussten uns also viel einfallen lassen. Dann haben wir mit Weinberg unter anderem auch den Grimme-Preis gewonnen und dann kam 4 Blocks. Wir hatten zwar vorher schon sukzessive Aufmerksamkeit bekommen, aber was 4 Blocks erreicht hat, hat alles übertroffen, was wir bis dahin gemacht haben.
4 Blocks ist weltweit auf Amazon Prime verfügbar, lief auf Festivals von der Berlinale über Paris bis Melbourne. Sportler, Musiker und Prominente wie der britische Comedian Ricky Gervais sind Fans und machen das auf Twitter öffentlich. Daily Mail schreibt, wie cool die Serie ist. Wir haben inzwischen 15 Preise gewonnen. 4 Blocks hat einfach so eine geballte Aufmerksamkeit bekommen, und das über sämtliche Altersgruppen und Schichten hinweg, was uns wirklich überrascht hat. Man trifft Fans an Orten, an denen man es nicht erwartet. Ein Kollege aus meinem Team ist mit einer 4 Blocks-Kappe geflogen und die Stewardess fragte aufgeregt: ‚Wo gibt es die Kappe?‘ Das sind so Sachen, die man nicht erwartet. Zu sehen, dass unsere Serien die Fans wirklich berühren, ist es, was uns weiter anspornt.