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Coming Out Day: Queer-Aktivistin Leonie Löwenherz und Queer-Musiker MKSM im Interview über ihre Erfahrungen
Der Moment, in dem sich jemand öffnet und frei über die eigene sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität spricht, kann sehr herausfordernd sein. Die Erfahrungen bei so einem Coming-out reichen von positiven und unterstützenden bis hin zu negativen und diskriminierenden Reaktionen. Der diesjährige Coming Out Day will Bewusstsein und Verständnis für die Herausforderungen von LGBTQIA+ Personen schaffen. Deshalb haben wir mit der queeren Journalistin Leonie Löwenherz und dem Sänger MKSM gesprochen. In unserem Interview reden die beiden Aktivist:innen über ihre Coming-out-Erfahrung und geben Outing-Ratschläge.
Der Coming Out Day hat zum Ziel, LGBTQIA+ Personen zu ermutigen, ihre Geschichten zu teilen und eine offene, respektvolle Umgebung für alle zu schaffen. Genau diesen Raum wollen wir auf featured.de gemeinsam mit den queeren Influencer:innen Leonie Löwenherz und Maksim alias MKSM schaffen.
Beide stehen offen zu ihrer Queerness und setzen sich aktiv für eine respektvolle Umgebung ein: Leonie Löwenherz spricht als LGBTQIA+ Aktivistin, Journalistin und Content Creatorin auf den Plattformen TikTok und Instagram über Feminismus und Politik. Als Sänger und Songwriter packt MKSM seine Erfahrungen in Songtexte und steht als Aktivist offen für die queere Szene ein – dieses Jahr ist er der meistgebuchte CSD-Act Deutschlands. 2024 hat er sich für den ESC beworben und will auf der Bühne für queere Sichtbarkeit sorgen.
Wie war ihr Weg zum Outing, wie hat das Umfeld reagiert und welche Schwierigkeiten gibt es beim Coming-out? Im Interview werfen Leonie und Maksim einen Blick zurück auf einen emotionalen Prozess.
Bei wem hast Du Dich zuerst geoutet?
Leonie: Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Als ich 14 war, habe ich das erste Mädchen geküsst. Zu der Zeit wusste niemand von meiner Queerness. In der Schule war es einfach irgendwann raus, da gab es kein bewusstes Coming-out. Und bevor ich es meinen Eltern gesagt habe, sind nochmal eineinhalb Jahre vergangen. Das war dann leider auch keine positive Coming-out-Erfahrung, sondern wurde einfach als „Phase“ abgetan.
MKSM: Ich habe mich bei meiner besten Freundin als erstes geoutet – ich hatte Liebeskummer und musste mit jemandem reden. Und ich wusste, dass mein Coming-out nichts an unserer Freundschaft verändern wird. Und so war es auch: Sie hat mir zugehört, war für mich da und hat mich in der Zeit toll unterstützt.
Wie hast Du das Coming-out empfunden?
Leonie: Ich habe ja nun mehrere Coming-out-Erfahrungen hinter mir. Als ich als Teenager mein Coming-out als Bisexuell hatte, war meine größte Sorge das Gerede der Mitschüler:innen. Für mich selbst war immer klar, dass ich nicht-männliche Personen anziehend finde. Dann, mit Ende 20, ging dieser ganze Prozess aber von vorne los, als ich gemerkt habe, dass das zu Männern keine Anziehung, sondern etwas Anderes war. Ich wusste da aber schon, dass mein Umfeld mich mit jedem Label akzeptieren würde und hatte viel mehr mit dem Bekenntnis vor mir selbst zu kämpfen.
MKSM: Gerade aufgrund meiner Herkunft hat mein inneres Coming-out etwas gedauert. Ich bin in Russland geboren und in der Ukraine aufgewachsen, bevor ich dann mit zehn Jahren nach Deutschland kam. Als ich mich dann das erste Mal verliebt hab, ging alles doch viel schneller als gedacht. Ich bewundere den 18-jährigen Maksim für seinen Mut.
Welche Herausforderungen gab es bei Deinem Outing?
Leonie: Ich bin in einer rechtskonservativen Familie in einer Kleinstadt aufgewachsen. Da wurde zwar nie explizit gesagt, dass Queerness etwas Negatives ist, aber sie hat eben nur in Klischees stattgefunden. Als ich mich dann geoutet habe, war ich mit genau diesen Vorurteilen konfrontiert: „alles eine Phase“ und „die will nur Aufmerksamkeit“. Ab da habe ich meine Sexualität vor meiner Familie verheimlicht und mich „nochmal“ geoutet als ich 23 war.
MKSM: Gerade im Vergleich zu anderen Spätaussiedler:innen lief das Outing bei mir sehr gut: Meine Eltern haben ein wenig gebraucht, um mein Coming-out zu verarbeiten – vor dem Gespräch hatten sie sich noch nie mit LGBTIQ* auseinandergesetzt. Gerade mein Vater hat sich mit Hilfe von Büchern und Filmen mit queeren Themen beschäftigt. Und dieses Jahr waren sie sogar zum ersten Mal auf einem CSD und haben sich sogar wohlgefühlt – das hat mich sehr stolz gemacht. In meinem engen Freundeskreis hatte ich keine Probleme. Meine Wahlfamilie hat bedingungslos zu mir gehalten!
Hast Du einen Tipp oder einen Ratschlag für diejenigen, die ihr Outing noch vor sich haben?
Leonie: Dein Coming-out vor anderen ist weder der Anfang noch das Ende Deiner Geschichte und es ist viel weniger wichtig als Du denkst. Wichtig ist, dass Du weißt, wer Du bist. Außerdem schuldest Du niemandem ein Coming-out. Das ist etwas, was Du anderen mitteilst, wenn Du so weit bist.
MKSM: Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst! Vertrau Dich Personen an, bei denen Du Dich wirklich wohl fühlst. Wenn Du nach Support suchst, dann gibt es in fast jeder Stadt einen queeren Treff. Nimm ein paar Freund:innen mit und geh zu Deinem ersten CSD – vernetze Dich mit queeren Menschen. Auch Filme und Musik können Dich dabei supporten.
Dieses Jahr habe ich meine größte Pride-Tour gespielt und ich liebe es, mich nach meinen Auftritten mit queeren Jugendlichen zu unterhalten. Manchmal darf ich dann auch ein Teil ihrer Coming-out-Reise sein, was mich als Künstler und auch als Mensch sehr stolz macht.
Vielen lieben Dank für das Interview ihr zwei und viel Erfolg bei der ESC-Bewerbung, MKSM.
Welche Erfahrungen hast Du mit Coming-outs gemacht? Schreib es uns in die Kommentare.