Robots
Roboter aus dem Tierreich: Animalische Technik im Einsatz für Mensch und Natur
Sie sammeln Weltraumschrott, observieren Erntefelder oder retten Ertrinkende: Roboter haben mittlerweile bemerkenswerte Fähigkeiten. Vorbilder für viele dieser Hightech-Helfer finden sich im Tierreich. Was die Natur in Millionen Jahren Evolution erschaffen hat, inspiriert Robotik-Forscher zu faszinierenden Erfindungen.
Was haben Tintenfische, Schlangen und Falken gemeinsam? Sie wurden von der Natur mit Eigenschaften ausgestattet, die sich der Mensch in vielen Situationen nur wünschen kann – oder er adaptiert sie mit Hilfe moderner Technik. Roboter-Entwickler aus aller Welt machen sich bewährte Strategien und Fähigkeiten aus dem Tierreich zu Nutze, um Herausforderungen für Mensch und Umwelt zu bewältigen. Diese technische Imitation echter Lebewesen nennt sich Biomimicry und hat bereits einige faszinierende Roboter hervorgebracht, die im Wasser, an Land und in der Luft behilflich sein können.
Roboter-Rochen soll Menschen vor dem Ertrinken retten
In vielen deutschen Hallen- und Freibädern fehlen Rettungsschwimmer. Ein Roboter kann diesen Personalmangel zwar nicht lösen, Bademeister aber zumindest unter die Arme greifen.
Die DRK-Wasserwacht Halle hat gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut im thüringischen Ilmenau einen autonomen Rettungsroboter entwickelt, der optisch an einen Rochen erinnert. Mit seinem flachen Körper gleitet er schnell durch das Wasser und soll Menschen vor dem Ertrinken retten. Mit Hilfe von externen Kameras, die im Schwimmbad installiert sind, behält der Roboter-Rochen das Geschehen im Blick und analysiert die Bewegungen der Schwimmer. Erkennt er eine Gefahrensituation, macht er sich selbstständig auf den Weg, gleitet unter die reglose Person, drückt sie an die Wasseroberfläche und transportiert sie an den Beckenrand. Der Prototyp soll ein Gewicht von maximal 110 Kilogramm tragen können und noch in diesem Jahr getestet werden. Das Konzept sei laut der Entwickler weltweit einmalig. Bislang sind Unterwasser-Roboter nämlich vor allem für Forschungs- und Erkundungsfahrten im Einsatz.
Künstliche Evolution der Schwimm-Roboter: Vom Fisch zur Amphibie
Auch bei dem Mantadroid aus Singapur diente ein Rochen als Vorbild. Der künstliche Zwilling soll allerdings keine Menschen retten, sondern die Wasserqualität überwachen. Auf seinem flachen, breiten Körper können Forscher jede Menge Sensoren platzieren, mit denen der Tauch-Roboter zum Beispiel hydrografische Werte für Umweltbehörden messen und sammeln soll.
Eine geisterhafte Erscheinung tauchte schon vor gut fünf Jahren mit der Robo-Qualle Cyro auf. Das 175 Zentimeter große Ungetüm wurde von Studenten der Virginia Tech Universität entwickelte und kann ebenfalls völlig autonom auf Unterwasser-Patrouille gehen.
Unterstützung bekommen die beiden schwimmenden Roboter von dem Envirobot, der mit einer Vielzahl von Sensoren Gifte im Wasser aufzuspüren kann. Der gut 1,5 Meter lange Roboter-Aal bewegt sich mit kleinen Elektromotoren an künstlichen Gliedmaßen vorwärts und macht sich bei einer Schadstoffspur selbstständig auf die Suche nach der Quelle der Verschmutzung.
Neben dem Envirobot haben die Schweizer Forscher des polytechnischen Instituts EPFL schon einige andere Roboter-Tierchen „gezüchtet“. In ihrem Biorobotik-Labor schlüpfte zum Beispiel ein Roboter-Fisch, der schwimmen und kriechen kann, und der Salamander-ähnliche Pleurobot. Die nächste Evolutionsstufe ihrer künstlichen Amphibien ist der OroBot, der das Bewegungsmuster eines ausgestorbenen Wirbeltieres adaptieren soll.
Soft Robotics: Weiche Schale, Hightech-Kern
Der Oktopus fasziniert nicht nur Meeresbiologen, sondern ist mit seinem skelettfreien Körper auch die perfekte Vorlage für den noch jungen Forschungszweig Soft Robotics. Innovative „Hardware“ aus weichen, flexiblen Bauteilen wie Gummi oder Silikon machen Roboter fit für neue Einsatzmöglichkeiten.
In freier Wildbahn durften krakenähnliche Soft-Roboter wie die Poseidrone oder der achtarmige Octopus vom Biorobotics Institut in Pisa bereits zu Forschungszwecken abtauchen.
Wie die sanften Maschinen auch an Land behilflich sein können, zeigt die deutsche Firma Festo mit dem Octopus Gripper. Die Tentakelhand aus Silikon wird mittels Druckluft gesteuert und kann mit ihren Saugnäpfen unterschiedliche Gegenstände greifen und halten. Der Flex Shape Gripper ist hingegen von der Zunge eines Chamäleons inspiriert, um verschiedene Objekte formschlüssig zu umfassen. Mit seiner elastischen Silikonkappe kann der Roboter sogar mehrere Gegenstände gleichzeitig aufnehmen. Diese soften Greifer könnten künftig zum Beispiel älteren oder körperlich beeinträchtigten Menschen im Alltag zur Hand gehen.
Hüpfende Spider Robots: Spinne „Kim“ macht’s vor
Auch von Lebewesen an Land können sich Roboter-Ingenieure einiges abgucken – zum Beispiel von Spinnen. Forscher der Universität von Manchester haben ein springendes Exemplar im 3D-Scan unter die Lupe genommen, um ihre Sprungmechanik besser zu verstehen. Immerhin legt das achtbeinige Krabbeltier namens „Kim“ aus dem Stand gut die sechsfache Weite ihrer Körpergröße zurück. Die Erkenntnisse der Studie sollen genutzt werden, um springende Roboter zu entwickeln, die mit wenig Kraftaufwand größere Distanzen zwischen zwei Plattformen überwinden können. Mit dieser Fähigkeit könnten sie künftig bei Rettungseinsätzen aushelfen und in unwegsamem Gelände nach Verunglückten suchen.
Roboter-Schlange soll sich ihren Weg durch Schutt und Geröll bahnen
Auch Schlangen sind ziemlich flinke, anpassungsfähige Lebewesen und vor allem sehr geschickt darin, Hindernisse zu überwinden. Sie schlängeln sie sich über sandigen Wüstenboden, kriechen auf Bäume, über Felsen oder auch durch dichtes Gebüsch. Diese Fähigkeiten inspirierten Maschinenbauer der Johns-Hopkins-Universität im US-Bundesstaat Maryland zu einem Roboter, der sich wie eine Schlange bewegt. Dafür analysierten die Wissenschaftler, wie Königsschlangen Stufen erklimmen und verschiedene Barrieren meistern. Ihre nachgebildete Maschine sei bereits in der Lage, über Stufen mit einer Höhe von bis zu 38 Prozent ihrer Körperlänge zu klettern. Die künstliche Schlange soll zur Entwicklung neuer Roboter beitragen, die auch größere Hindernisse wie Trümmer und Geröll überwinden können, um beispielsweise nach einem Erdbeben bei Such- und Rettungsaktionen zu helfen.
Tarzan auf dem Land: Überwachungsroboter schwingt sich über die Felder
Was macht eigentlich ein Faultier den lieben langen Tag? Es futtert, schläft und… hangelt. Letzteres inspirierte ein Team vom Georgia Institute of Technology zu einem Roboter, der sich wie Tarzan an einer Leine entlang hangeln kann – nicht durch den Dschungel, sondern über Felder von Landwirten. Die zwei langen Arme transportieren ein Modul mit Steuertechnik, Sensoren und einer Kamera, die ihre Aufnahmen auf die Kontrollgeräte der Bauern funkt. So können Landwirte das Wachstum ihrer Pflanzen überwachen, ohne vor Ort zu sein. Im Gegensatz zu seinen fahrenden, laufenden oder fliegenden Kollegen soll das fleißige Roboter-Faultier deutlich energieeffizienter arbeiten.
Hightech-Hausmeister sammelt Weltraumschrott
Der tierische Roboter der kalifornischen Stanford University ist nicht nur fleißig, sondern arbeitet auch unter extremen Bedingungen. Von den Millionen Schrottteilen im Weltraum, die derzeit unsere Erde umkreisen, soll die Maschine mit besonderen Greifern größere Objekte einsammeln. Möglich macht es eine dünne Silikonfolie, deren Struktur den feinen Härchen an Gecko-Füßen ähnelt. So können die Greifer trotz Strahlung, Schwerelosigkeit und Vakuumbereichen an glatten Oberflächen anhaften. An Bord der internationalen Raumstation ISS hielt der technoide Saubermann bereits bis zu 370 Kilogramm schwere Objekte fest.
Drone Bird: Raubvogel-Drohne verscheucht echte Artgenossen
Herumfliegende Weltraumteile sind in der Luftfahrt eher selten ein Problem. Hier bergen Vögel ein größeres Risiko. An einem Flughafen in Kanada kam deshalb testweise eine besondere Vogelscheuche zum Einsatz: Drone Bird ist eine funkgesteuerte Drohne, die nicht nur aussieht wie ein echter Wanderfalke, sondern auch genauso fliegt – nämlich mit Flügelschlägen. Wenn dieser sogenannte Ornithopter abhebt, wirkt er für echte Vögel wie ein natürlicher Feind, dessen vermeintlichen Jagdbereich sie lieber meiden. Dieses „Wildlife-Management-Tool“, wie die niederländischen Entwickler ihren künstlichen Raubvogel beschreiben, flog bereits weltweit bei verschiedenen Test- und Demo-Projekten.
Quad-Morphing: Vogelroboter verwandelt sich im Flug
Von Vögeln ließen sich auch die Forscher des französischen Étienne-Jules Marey Instituts für Bewegungswissenschaften inspirieren. Ihr Flugroboter namens Quad-Morphing verändert in der Luft sein Profil, so dass er durch schmale Passagen fliegen kann. Um seine Spannweite zu halbieren, zieht er kurzerhand seine Flügel ein und „sattelt“ auf Propeller um. So könnte er in Zukunft zum Beispiel bei Erkundungs-, Such- und Rettungseinsätzen in dicht bewaldeten Regionen oder zwischen Bergschluchten tätig sein.
Das Forschungsfeld „Biomimicry“ ist übrigens keine reine Erfindung der Moderne. Schon Leonardo da Vinci kupferte für seine Flugmaschine von der Natur ab und versuchte, die Flügel von Vögeln nachzubauen. Allerdings ist die heutige Wissenschaft dank innovativer Technologien deutlich erfolgreicher darin, Vorbilder aus dem Tierreich zu imitieren.
Welche tierischen Roboter beeindrucken Dich besonders? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar.