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Cyberpunk 2077 in der featured-Spielekritik – Die ersten Stunden in Night City
Seit dem 10. Dezember ist das langersehnte Spiel: „Cyberpunk 2077“ endlich erhältlich. Das komplexe Open-World-RPG ist atemberaubend in Design und Inhalt, allerdings wird der Spielspaß derzeit noch durch zahlreiche Bugs gebremst. Wie sich das Sci-Fi-Game anfühlt und spielt, erfährst Du in unserem spoilerfreien Review.
Fast zehn Jahre in der Entwicklung und Erwartungen so hoch wie ein Corpo-Tower: Cyberpunk 2077, das Großprojekt der „The Witcher III“-Macher von CD Projekt Red ist seit dem 10. Dezember für PC und Konsolen verfügbar. In dem durchgestylten Open-World-RPG übernimmst Du die Rolle von V, einem Cyberpunk, der oder die (Geschlechter sind fluide und optional), es in der Neon-Metropole Night City ganz nach oben schaffen will.
Um sich einen Namen in der so knallbunten wie unbarmherzigen Zukunfts-Metropole zu machen, übernimmt V zwielichtige Aufträge von Fixern, die eine Mischung aus Gangsterboss und Untergrund-Jobvermittler sind. Einer dieser Jobs wird dafür sorgen, dass mit Vs Psyche eine radikale Veränderung stattfindet. Mehr zur Story sei an der Stelle nicht verraten. Widmen wir uns dem Gameplay.
Vs bisheriges Leben: Straßenkind, Nomade oder Corpo?
Noch bevor der Bildschirm für die Charakter-Erstellung erscheint, wirst Du vor die erste von zahllosen Entscheidungen gestellt. Drei Biografien stehen zur Auswahl. Nomade, Straßenkind und Corpo. Ich habe mich entschieden, eine Nomadin zu spielen. Mit diesem Hintergrund ist meine Figur genauso neu in Night City wie ich, da sie vorher mit ihrem Klan nur in improvisierten Camps am Stadtrand unterwegs war.
Für Äußerlichkeiten wie Haarstyle, Tattoos und Geschlechtsmerkmale werden Dir viele Auswahlmöglichkeiten geboten. Sei allerdings gewarnt, bisher gibt es keine Möglichkeit, sein Aussehen nachträglich anzupassen. Tattoo-Studios sucht man im Spiel genauso vergeblich wie einen Friseur.
Bei den Attributwerten, die bei der Charakter-Erstellung verteilt werden, hatte ich zunächst die Sorge, ich könnte mich bei einem solch komplexen Spiel schon zum Anfang verzetteln. Will ich mich eher durch die Missionen ballern, oder mit subtileren Mitteln, wie Schleichen und Hacking vorgehen? Deshalb habe ich meine Werte recht ausgeglichen gewählt, mit einem leichten Schwerpunkt auf Reflexen – was die Fertigkeiten an Handfeuerwaffen und Klingen beeinflusst. Daneben gibt es noch Körper, Intelligenz, Tech und Cool – letzteres hat nichts mit der Wirkung auf andere zu tun, sondern vereint Fähigkeiten wie Schleichen und Resistenzen. Meine Sorge war allerdings unbegründet – egal wie Du Deine Startwerte setzt, Du levelst schnell genug auf, um schon nach wenigen Spielstunden Deinen Schwerpunkt zu ändern.
Fahrvergnügen in Cyberpunk 2077: Wie GTA auf Designerdrogen
Meine grünhaarige Cyber-Nomadin mit hypnotischen Spiralaugen findet sich nach der Charaktererstellung in einer Werkstatt irgendwo außerhalb der Stadt wieder. Nach einer kurzen Dialogsequenz mit dem Mechaniker und einem Gesetzeshüter steige ich in mein Auto und trete aufs Gas. Das Gameplay beim Fahren erinnert mich stark an „GTA V“, was für mich erstmal nichts Schlechtes ist.
Meine Fahrkünste brauchen aber noch ein wenig Übung: Etwa hundert Meter hinter meinem Startpunkt hänge ich mit den Vorderreifen in einer Parkbank. Sofort nähern sich Sirenen und schießwütige Polizisten – so gerne wollte ich GTA dann doch nicht spielen. Die Angst, mit jedem Fahrfehler eine Verfolgungsjagd anzuzetteln, bestätigt sich im Laufe des Spiels dankbarerweise nicht. Du solltest aber nicht erwarten, Dir jedes Auto oder Motorrad einfach greifen zu können – Fahrzeuge müssen sich hier verdient werden.
Ein Kritikpunkt bei den Fahrten ist, dass der Kartenausschnitt viel zu klein gewählt ist. Abbiegungen auf meiner vorgegebenen Route sehe ich oft erst, wenn ich fast schon vorbeigesaust bin. Das führt dazu, dass ich die Strecke während der Fahrt kaum genießen kann, da ich mich voll auf die Karte konzentrieren muss.
Und zu sehen gibt es reichlich in Night City – von gigantischen Konzerngebäuden, die in den irrsten Architekturstilen die Skyline prägen, bis zu verwinkelten Märkten und in Neon getränkte Rotlichtviertel. Die Detailverliebtheit dieser Open World ist unübertroffen. Allein mit dem Betrachten der Werbescreens, die einem von jeder Wand entgegenstrahlen, könnte ich ein paar Spielstunden verbringen.
Stories und Charaktere: Kalte Technologie trifft menschliche Wärme
Über die konkrete Handlung sei nichts verraten, aber bisher empfand ich sowohl die Main Story, als auch viele der Nebengeschichten originell und gelungen umgesetzt. Es ist unmöglich vorherzusagen, wohin Dich eine Mission führt: Night City wimmelt vor Noir-Geschichten, epischen Polit-Thrillern und unvorhersehbaren Stories.
Die zahlreichen Charaktere, denen Du im Laufe des Spiels begegnest, sind charismatisch, vielschichtig und selten auf den ersten Blick zu durchschauen. Die NPCs sind so gut designt, dass man oft schon anhand ihres Gesichtsausdrucks oder Mikrogesten erkennen kann, was sie sagen wollen, noch bevor sie den Mund aufmachen. So habe ich etwa gemerkt, dass einer der Fixer misstrauisch wurde, als ich ihm eine Intrige gegen ihn verschwiegen habe – ohne, dass er etwas sagen musste.
Bei den Dialogen gibt es oft Situationen, in denen Du Dich sehr schnell entscheiden musst, wie Du reagierst. Schenkst Du Deinem Gegenüber Vertrauen, oder willst Du ihn gleich abservieren? Viele dieser Entscheidungen begleiten Dich noch eine ganze Weile durch das Spiel hindurch und beeinflussen die verschiedenen Endszenarien.
Ich erwischte mich mehrfach nach dem Weglegen des Controllers dabei, wie ich darüber grübelte, ob ich mich richtig verhalten oder etwas Dummes angestellt habe – das spricht für die Stärke der Story und Charaktere. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass bei Cyberpunk nicht nur das Missionsziel im Vordergrund steht, sondern auch Romanzen Teil des Spiels sind. Wie Du Dich jemandem gegenüber verhältst, beeinflusst Deine Chancen, möglicherweise bei ihm oder ihr zu landen.
Übrigens: Wenn Du Dich auf das Game einstimmen willst, präsentiert Dir Vodafone mit „Cyberpunk 2077 – Phoenix Program“ einen Fan-Film der Extraklasse.
Kampfsystem: Brute Force oder Sneak Attack?
Für den Kampf liefert Dir Cyberpunk 2077 mehrere Vorgehensweisen. Du kannst sogar durch das Spiel kommen, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Ich, der bei Shootern ungeschickt am Controller ist und Schleichspielen nie viel abgewonnen hat, befürchtete bei der Action und den damit verbundenen RPG-Elementen überfordert zu sein. Aber mit dem Kampfsystem konnte ich mich schnell anfreunden. Ich habe den Schwierigkeitsgrad zwei von vier gewählt („normal“), was mich als Casual Gamer vor keine zu schwierigen Herausforderungen stellt.
Missionen sehen für mich meist so aus, dass ich mich zunächst soweit es geht, einzuschleichen versuche und dabei meine Hacker-Skills spielen lasse. Wenn ich in der Höhle des Löwen bin, entscheide ich mich irgendwann dazu, die Hüllen fallen und die Waffen sprechen zu lassen. Unter heftiger Befeuerung zum Zielpunkt zu rennen und dann einen schnellen Ausweg zu finden, hat bisher immer funktioniert. Bist Du FPS-Profi oder RPG-Spezialist, dürfte Dir das zu lasch sein, und Du solltest Dich für einen schweren Modus entscheiden. Dann musst Du auch bei Werten, Attribute und Waffenauswahl mehr in die Tiefe gehen.
Aber für einen grobschlächtigen Schützen wie mich hat Cyberpunk 2077 sogar eine eigene Schusswaffen-Kategorie parat: Smart Guns finden ihr Ziel praktisch von allein. Dafür verwandelt sich das Fadenkreuz in einen großzügigen Kasten. Alles darin wird getroffen – allerdings nicht so kräftig, wie wohlgezielt mit einer klassischen Knarre.
Auf solch eine Smart Gun hatte ich es zunächst abgesehen, diese fallen einem aber nicht in den Schoß. Man braucht dafür eine spezielle Cyberware, eine Körpermodifikation. Im Laufe des Spiels kannst Du nicht nur Deine Attribute hochleveln, sondern auch Deine Körperteile mit diesen Körpermodifikationen ersetzen. Der Einbau der Cyberware wird unspektakulär im Menü vorgenommen, hier hätte ich mir eine kleine Animation gewünscht, die V bei der Behandlung durch den Doktor auf dem OP-Stuhl zeigt.
Glitches und Bugs sind (leider) Teil des Cyberpunks
Glitch-Art, also die Kunst der digital verzerrten Bilder, begegnet Dir in Cyberpunk 2077 ständig. Ob auf den In-Game-Screens oder in den stilvoll verpixelten Story-Übergängen. Auch innerhalb der Main Story kannst Du Dich auf absolut überwältigende digitale Visuals freuen.
Allerdings gibt es auch Bugs und Glitches, die nicht so sehr erfreuen. Fehler sind bei einem hochkomplexen Spiel dieser Kategorie zu erwarten, aber viele erste Reviews haben zu Recht Enttäuschung geäußert über die unübersehbar vielen Fehler im Spiel. In der ersten Woche nach Veröffentlichung sind zwei Giga-Updates mit insgesamt über 60 GB erschienen, die vieles beheben. Aber auch mit Version 1.04 erlebe ich auf der PS4 noch Abstürze. Die Entwickler haben sich bereits für den Zustand des Spiels entschuldigt und Patches für die nächsten Monate angekündigt. Dennoch überwiegt bei mir auch mit den Bugs die Faszination über diese riesige offene Welt und die Vielschichtigkeit, mit der die Geschichten darin angelegt sind.
Cyberpunk 2077 | |
Plattform: | Google Stadia, Xbox One, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox Series, PC |
Release-Datum: | 10. Dezember 2020 |
Kosten: | rund 60 Euro |
Entwicklerstudio: | CD Projekt RED |
Publisher: | CD Projekt RED |
Wie sind Deine ersten Erfahrungen mit „Cyberpunk 2077“? Lass uns in den Kommentaren daran teilhaben!