Gadgets & Wearables
Die Kunst des freihändigen Reisens
Wie kann Technologie das Reisen vereinfachen? Was heute schon möglich ist und was die Zukunft für Reisende bereithält.
Vor allem für Menschen, die es regelmäßig tun müssen, ist das Reisen oft ein unbequemer Umstand und erfordert in puncto Komfort eindeutig Verbesserung. Allein der Bedarf der Vorausplanung macht die Reise nicht selten lästig, aber auch durch Aufgaben wie Packen, Einchecken und vor allem das schwere Tragen wird die Erfahrung unbequem und unpraktisch. Wie schön wäre es, wenn man ohne diese lästigen Dinge verreisen, ja, das Ganze vielleicht sogar komplett freihändig meistern könnte?
Schon heute sorgt der technologische Fortschritt für mehr Beweglichkeit beim Tragen schwerer Koffer: Wer eine Smartwatch oder ein anderes Wearable besitzt, kann sich das gleichzeitige Hantieren mit Telefon oder Kalender für bestimmte Prozesse sparen. Der sprachliche Befehl Richtung Handgelenk genügt und schon ist der Termin eingetragen, der Wecker gestellt oder der Anruf entgegengenommen.
Dabei hilft Augmented Reality
Neben der intelligenten Uhr kommt vor allem das Phänomen Augmented Reality den Bedürfnissen von Reisenden entgegen. Fragen zu einem bestimmten Thema werden dank Google Glass oder Sonys Smart Eye Glass per Spracheingabe von der Assistenten-Software beantwortet, der Tagesplan ist sofort einsehbar und der Weg zum Ziel schnell berechnet – und all das buchstäblich vor dem eigenen Auge. Genauso genügt der Sprachbefehl für die Aufnahme eines Fotos, das im Anschluss mit den eigenen Kontakten auf den sozialen Netzwerken geteilt werden kann.
Doch manchmal lässt sich das Leben nur analog meistern. Wer die Zahnbürste, die Krawatte oder den Behälter für die Kontaktlinsen nicht eingepackt hat, ist bei der Ankunft am Zielort erst einmal aufgeschmissen. Eine mögliche Lösung hierfür stellt die 3D-Print-Technologie dar. In kürzester Zeit kann das erforderliche Objekt neu hergestellt oder nach Vorlage des gewünschten Original-Gegenstandes eins-zu-eins repliziert werden.
Beam me up, Scotty!
Der Beamer „Scotty” des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam kann genau das und macht diesen Prozess sogar äußerst konsequent. Denn das Teleportier-Gerät erschafft nicht nur das Objekt am Zielort auf Grundlage höchst-technologischen 3D-Printings, es zerstört auch den originalen, als Vorlage dienenden Gegenstand. Dem Ingenieur-Projekt geht es nämlich nicht darum, Objekte zu multiplizieren, sondern sie wahrhaft von einem Ort zum nächsten zu beamen.
„Scotty“ besteht aus zwei 3D-Druckern: einem Sende- und einem Empfangsgerät.
Zuerst wird das Objekt im Sendegerät mit einer Fräse seziert, damit es auch in seinen einzelnen Bestandteilen originalgetreu nachgebildet werden kann. Dazu wird jede Schicht von einer internen Kamera aufgenommen. Schritt für Schritt und Schicht um Schicht wird nun der Gegenstand im Zielgerät wieder aufgebaut. Der Prozess dauert im aktuellen Prototyp insgesamt 60 Minuten für ein verhältnismäßig kleines Objekt.
„Immer mehr von unserer Welt wird digital sein – auch und besonders, weil man die digitale Welt bei Bedarf jederzeit materiell machen und 3D drucken kann”, sagt Professor Baudisch, Fachgebietsleiter des Bereiches Human Computer Interaction am Hasso-Plattner-Institut. Dem Institut ist es wichtig, Dinge tatsächlich zu teleportieren, denn nur so können zukünftige Lizensierungsprobleme ausgeschlossen werden. Genau deshalb muss der originale Gegenstand restlos verschwinden. Dieser Prozess geschieht zudem verschlüsselt.
Ganz besonders wichtig aber ist es den Ingenieuren, der Tatsache entgegenzukommen, dass Gegenstände auch einen emotionalen Wert für Menschen haben. Laut Professor Baudisch “wird es immer ein bis zwei Objekte geben, die eine persönliche Bedeutung haben’. Hier wird der Schritt zur Digitalisierung sich nicht richtig anfühlen und wir werden die Objekte weiterhin in analoger Form behalten wollen.” Ideen wie „Scotty“ könnten helfen, insbesondere Gegenstände mit emotionalem Wert an den Reiseort zu beamen, wenn man sie vergessen hat oder sie als Gepäck unhandlich wären.
Drucker vs. Koffer
Auch Designer und Künstler Janne Kytannen hat den 3D-Druck als revolutionäre Lösung für das Reisen entdeckt. Denn seine Kreationen lassen sich auf Abruf herstellen. Er hat für Kleidung und Alltagsgüter Schablonen erstellt, die sich überall und nach tagesaktuellem Bedarf herunterladen lassen. Im Anschluss können die Kreationen aus einer Zusammensetzung von Plastik-Fasern 3D-gedruckt werden. Egal, welches Wetter einen am Zielort erwartet, diese Lösung ermöglicht es, sich mit einem Outfit von Kopf bis Fuß spontan auf die Gegebenheiten einzustellen. Ferner macht seine Idee das gesamte Konzept Gepäck obsolet. In seiner Ausstellung Lost Luggage (2014) stellte Kyttanen vor, welche Möglichkeiten 3D-Druck für Reisende eröffnet:
Man stelle sich nur vor, die 3D-Print-Technologie würde von der gesamten Tourismusindustrie eingeführt und Hotelgästen zur Verfügung gestellt. Wenn jeder touristische Betrieb die Möglichkeit bereithielte, Gegenstände über einen Beamer wie Scotty zu transportieren, wäre eine nahezu gepäckfreie Reise die logische Folge. Kofferlos und mit gesteigertem Komfort ginge es dann durch die Welt.
Doch kommen wir zurück in die Gegenwart, in der Dienstleistungen bereits heute versprechen, Reisenden den Flug oder die Fahrt zu erleichtern. Der Service ‚Packnada’ aus Singapur beispielsweise offeriert eine Art Lieferdienst, der mit Kleidung und Pflegeutensilien bestücktes Gepäck an einem Ort abholt. Der Koffer erwartet den Besitzer dann pünktlich am gewünschten Zielort – mit frisch gewaschenem Inhalt. Das Angebot des jungen Unternehmens verspricht komplette Agilität ohne Gepäck und Check-Ins und richtet sich insbesondere an Vielflieger und -fahrer. Die Dienstleistung ist für 100 Dollar pro Trip zu haben.
Zukunftsmusik
Die Evolution des Reisekomforts scheint noch ziemlich am Anfang zu stehen – die meisten bisherigen technologischen Errungenschaften nehmen das Reisen an sich nicht in den Fokus. Doch bedenkt man, wie viele Menschen sich regelmäßig in Flugzeugen oder Bahnen aufhalten, sollte diesem Bereich größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Die Möglichkeiten der Zukunft sind, besonders in Anbetracht einer verstärkten Nutzung von 3D-Print, vielfältig. Denn der könnte das Reisen – aufgrund der einhergehenden Gepäcklosigkeit und der fehlenden Notwendigkeit, alles genau zu planen – spontaner und insbesondere komfortabler gestalten. So könnten neue Technologien eine gesamte Branche verändern.
Foto: © Hasso-Plattner-Instituts & ©Janne Kyttanen