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Tick-Tack-Tricks: Wie geht gutes Zeitmanagement?
„So little time, so much to do“, wusste Louis Armstrong schon in den 1930er-Jahren. Seitdem sind unsere To-do-Listen nicht kürzer geworden (und die Tage leider auch nicht länger). Cordula Nussbaum, Expertin für Zeitmanagement und Zielerreichung, verrät, wie wir unsere Zeit effizient nutzen und mehr Me-Time gewinnen.
Frau Nussbaum, Sie schreiben in Ihrem Buch Lass mal alles aus!: „Wenn du mehr schaffen willst von dem, was du schaffen musst: Tu weniger.“ Ist das nicht ein Widerspruch?
Ja, das stimmt. Auch ich habe erst lernen müssen, wie viel Wahrheit darin steckt. Früher habe ich mich komplett zugetaktet, alle Anfragen angenommen, für jeden ein offenes Ohr gehabt und alles mit einer Menge Nachtschichten und Wochenendarbeit auch gestemmt. Bis mir ein Bandscheibenvorfall einen Schuss vor den Bug gab und ich gezwungen war, zu reduzieren. Noch heute bin ich stolz auf mich, dass ich das „weniger“ beibehalten habe, auch als ich körperlich wieder fit war. Und oh Wunder: Obwohl ich mehr Pausen machte als früher, obwohl ich abends und nachts nicht mehr gearbeitet habe, schaffte ich mehr als jemals zuvor. Heute weiß ich: Kein Wunder! Denn jetzt war ich ausgeschlafen, fit und konzentriert. Entsprechend hat sich mein Output erhöht. Und das ganz relaxed, ohne viel Anstrengung.
Warum sind regelmäßige Pausen überhaupt so wichtig?
Wir brauchen Auszeiten, um zu regenerieren. Das ist wie im Leistungssport: Es räumt nicht der Athlet die Goldmedaillen ab, der permanent trainiert, sondern der, dessen Kräfte sich dank Erholungsphasen optimal entwickeln konnten. Wissenschaftler konnten belegen, dass unsere Leistungsfähigkeit nach rund 70 Minuten konzentriertem Tun in den Keller geht. Wer in diesem Tief eine Pause macht – und seien es nur zwei Minuten – der bleibt langfristig konzentriert. Wer sich über diese Tiefphasen mit Koffein und Adrenalin hinweghilft, macht spätestens am Ende der Woche schlapp – und liegt dann völlig erschöpft auf der Couch.
Trotzdem glauben wir häufig am Ende des Tages, nichts geschafft zu haben…
Ja, weil wir in der Regel immer darauf schauen, was wir nicht erledigt haben, was nicht gut gelungen ist, was noch alles vor uns liegt. Wir sind Weltmeister im Blick auf den Mangel. Drehen Sie das doch mal um: Setzen Sie sich abends hin und machen Sie sich bewusst, was heute gut lief. Erkennen Sie, dass Sie fünf Ihrer für heute geplanten Aufgaben erledigt haben, plus 20, die spontan aufgepoppt sind. Nehmen Sie wahr, dass Sie heute einer Kollegin unter die Arme gegriffen haben, gesund zu Mittag gegessen und viel gelacht haben. Da haben Sie bereits eine Menge wichtiger Dinge erledigt – ohne es überhaupt gemerkt zu haben.
Manchmal vertrödeln wir aber schon unnötig Zeit…
Trödelphasen sind nicht immer schlecht. Sie können Erholung oder auch kreative Brainstorming-Phasen sein. Ansonsten empfehle ich einen „Adlerflug“: Beobachten Sie sich ein paar Tage und machen Sie Notizen, was Sie gerade tun und welche Zeitfresser daherkommen. Und dann gehen Sie den Zeitfressern an den Kragen, die zu viel wertvolle Zeit binden oder Sie am meisten nerven. Ist es zum Beispiel die Mail-Ablage in Outlook? Dann hilft vielleicht eine einfachere Ordnerstruktur oder eine Outlook-Schulung.
Können To-do-Listen helfen?
To-do-Listen erzeugen oft mehr Stress, als dass sie helfen. Weil sie schneller wachsen, als wir sie abarbeiten können. Weil aber das Aufschreiben von offenen Aufgaben unser Gehirn super entlastet, benennen Sie das Tool um in „Could-do-Sammlung“. Der Begriff „Sammlung“ betont, dass wir die Dinge zwar aufschreiben – aber erst mal nicht, um sie zu tun, sondern um unser Gehirn zu entlasten und nichts Wichtiges zu vergessen. Und „Could do“ heißt, dass in unserer Sammlung eine Menge Aufgaben landen, die wir tun könnten – aber nicht müssen. Weil sie sich von selbst erledigen oder doch nicht so wichtig sind, wie wir beim Aufschreiben dachten. Somit können wir nach und nach die Aufgaben rauspicken, die wirklich wichtig sind.
In Ihren Büchern empfehlen Sie als einfachen Zeitmanagement-Trick die Deep-Work-Methode. Wie genau funktioniert die?
Deep Work ist in den letzten Jahren mein absoluter Lieblingstipp geworden. Es bedeutet, dass wir uns – in Absprache mit Kollegen oder der Familie – immer mal wieder ausklinken und nicht erreichbar sind, um in wichtigen Aufgaben so richtig aufgehen zu können. Wer störungsfrei arbeiten kann, der ist in dieser Phase unglaublich produktiv. Er kann tief ins Thema eintauchen und Dinge endlich mal zu Ende bringen. Ein geniales Gefühl!
Nicht erreichbar sein – ist das heute nicht fast unmöglich?
Die permanente Erreichbarkeit ist mittlerweile einer der größten Stressfaktoren und Zeitdiebe in unserem Leben geworden. Egal, mit wem ich rede oder arbeite: Quer durch alle Branchen und Hierarchien sehnen sich die Menschen nach „Off-Phasen“. Studien haben gezeigt, dass wir in störungsfreien Phasen um 26 Prozent produktiver sind. Gute Argumente also, um Deep-Work-Phasen in Unternehmen einzuführen.
Und wie schaffe ich es, endlich mehr Zeit für mich einzuplanen?
Indem Sie sich Me-Times nicht nur im Kopf vornehmen. Setzen Sie sich gleich hin und tragen Sie farbig in den Kalender ein, welches Work-out Sie im Fitnesscenter machen wollen, wann Sie ins Theater oder laufen gehen wollen. Tragen Sie es direkt als Serientermin ein. Derart geblockte Zeiten erhöhen die Verbindlichkeit und helfen beim Neinsagen. Mit Fug und Recht können wir bei Anfragen antworten: „Sorry, da habe ich leider einen Termin!“ Toppen Sie dies dann, indem Sie sich einen „Tritt in den A….“-Partner suchen. Das sind Menschen, die Ihnen immer wieder einen liebevollen Tritt geben dürfen, damit Sie das, was Sie tun wollen, auch wirklich tun. „T. i. d. A.“-Partner dürfen gerne bei der Aktivität mitmachen, das erhöht unser Commitment. Also die Verabredung mit der Freundin zum Work-out, die verbindliche Anmeldung zum VHS-Kurs mit der Kollegin – werden Sie kreativ!
Warum klappt es dann doch manchmal nicht so, wie wir es uns vornehmen?
Im Kern wissen wir ganz genau, dass wir uns regelmäßig ausklinken sollten. Aber irgendetwas hindert uns immer wieder daran. In puncto Selbstmanagement sind wir Wissensriesen und Umsetzungszwerge. Der Grund dafür ist jedoch ganz simpel: Jeder von uns hat kleine innere Saboteure, die unsere großartigen Vorhaben torpedieren. Das kann der kleine Saboteur „Sei perfekt!“ sein, der uns dazu treibt, die Messlatte unserer eigenen Ansprüche immer noch ein Stückchen höher zu legen. Das kann „Streng Dich an!“ sein, der dafür sorgt, dass wir wirklich schwitzen wollen für unseren Erfolg. Oder „Sei vorsichtig!“, der uns sämtliche Eventualitäten ausschließen lassen will. Manchen Menschen macht „Sei stark!“ das Leben schwer. Sie geben keine Aufgaben ab, weil sie als belastbarer Superhero gelten wollen. „Mach schnell!“ treibt uns in ein ungesundes Lebenstempo, während „Mach es allen recht!“ dafür sorgt, dass wir die eigenen Bedürfnisse immer hintanstellen. Auf Dauer sind diese Saboteure fatal, weil sie uns in eine ungesunde Überforderung treiben können. Einmal erkannt, können wir sie uns aber auch zu Freunden machen und ihnen das Zepter abnehmen.
Und dann gibt es ja auch noch strukturierte und weniger strukturierte Menschen…
Jeder von uns hat einen natürlichen Organisationsstil. Es gibt kreative Chaoten, die viel Freiraum für Spontanes brauchen, gerne ausprobieren, die Abwechslung lieben, sehr hilfsbereit und empathisch sind. Kreativen Chaoten ist klassisches Zeitmanagement (Listen machen, Prioritäten vergeben, diszipliniert abarbeiten) meist viel zu starr. Dann gibt es die systematischen Analytiker, die mit Zeitmanagement und Tipps wie „Du brauchst ein Lebensziel! Zerlege es in Milestones und Deadlines und arbeite konsequent jeden Tag an der Umsetzung!“ supererfolgreich sind. Wichtig ist also, zu erkennen, wie wir ticken, um sich auf passende individuelle Weise zu organisieren.
Mehr von Cordula Nussbaum
- kreative-chaoten.com mit vielen Gratis-Checks (u.a. „Chaot oder Systematiker?“ mit Sofort-Tipps für Ihr individuelles Zeitmanagement und Download-Vorlagen
- Blog GlüXX-Factory.de
- Podcast „Kreatives Zeitmanagement“ (via iTunes, Spotify etc.)
- Und in ihren Büchern, wie „Lass mal alles aus!“ oder „Organisieren Sie noch oder leben Sie schon? Zeitmanagement für kreative Chaoten“