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„Keine Angst vor künstlicher Intelligenz“: KI-Expertin Manuela Lenzen über die Möglichkeiten der Technologie
Alle reden von künstlicher Intelligenz (KI), gern in Form von Horrorszenarien. Manuela Lenzen, KI-Expertin und Autorin des Buches „Künstliche Intelligenz. Was sie kann und was uns erwartet“, verrät, wie Du die Chancen der Technologie nutzen kannst.
KI-Expertin Manuela LenzenDie Wissenschaftsjournalistin Manuela Lenzen ist Doktorin der Philosophie und interessiert sich für Themen im Grenzbereich von Philosophie und Naturwissenschaften. Dazu gehört für sie seit Jahrzehnten das Feld der künstlichen Intelligenz. Ihr Buch (Verlag C.H. Beck, 16,95 Euro) wird als idealer Einstieg ins Thema gelobt.
Siri, Alexa, Cortana – die sprachgestützten Assistenten kommen harmlos daher und sind für viele der erste Zugang zu KI. Bekommen wir so ein zutreffendes Bild?
Ja und nein. Die Assistenten machen neugierig und sind witzig und vermitteln ein Gefühl, was KI schon kann – und was nicht. Oft sind sie ja auch überfragt. Allerdings werden sie auch leicht falsch wahrgenommen. Viele waren ja entsetzt, als sie hörten, dass tatsächlich irgendwo Menschen ihre Dialoge mit der Maschine anhören.
Zu Recht entsetzt?
Diese Systeme brauchen Feedback von Menschen, um besser zu werden. Das ist vielen nicht klar, viele denken, die lernen einfach irgendwie von selbst. Es ist ein Problem, wenn ein falscher Eindruck erweckt wird, was diese Systeme leisten können. Viel bedeutender ist aber die Menge an Daten, die auch über Sprachassistenten gesammelt werden, um uns noch effektiver mit Werbung zu konfrontieren.
Die Fortschritte in der Medizin sind am greifbarsten – Teams aus Mensch und Maschine arbeiten schon heute schneller und genauer
Was finden Sie toll an KI?
Vieles. Ich bin beeindruckt, wie gut Übersetzungssysteme schon funktionieren. Wie sie komplexe Sätze richtig in eine andere Sprache übertragen. Die Möglichkeiten sind gewaltig, wir stehen an der Schwelle, alte Menschheitsträume von künstlichen Helfern Realität werden zu lassen. KI kann helfen, Verkehrsprobleme zu lösen, Energie zu sparen, individuelle Krebstherapien möglich machen…
Was ist das Wunderbarste, das Sie bisher als KI erlebt haben?
Das Greifbarste sind vielleicht Fortschritte in der Medizin und den Wissenschaften, wenn es um die Analyse großer Datenmengen geht. Zum Beispiel gelingt die Analyse von Bildern – ob Röntgen oder CT – mit einem Team aus Mensch und Maschine schneller und genauer. Und die Radiologen gewinnen Zeit, andere Dinge zu tun.
KI ist mit großen Ängsten verbunden. Ganz zu Unrecht?
Das Thema wird hochgepusht. Ich möchte vermitteln: Bleibt auf dem Teppich, und macht euch an den Stellen Sorgen, wo es nötig ist. Die Angst zum Beispiel, dass Roboter mit künstlicher Intelligenz irgendwie die Macht übernehmen: Das geht auf alte Mythen und Science-Fiction zurück. Die machen keine eigenen Pläne. Sondern es sind Werkzeuge, die wir richtig einsetzen müssen. Dass mustererkennende Systeme für Manipulation und Überwachung genutzt werden können, ist natürlich schon bedenklich, von (teil-)autonomen Waffen ganz zu schweigen.
Wir können KI dazu benutzen, um die Gesellschaft menschlicher zu machen, nicht nur effizienter
Noch eine Angst: Gehen Arbeitsplätze verloren?
Prognosen dazu fallen sehr unterschiedlich aus, manche sagen, dass etwa 40 Prozent der Arbeitsplätze betroffen sein werden. Ich denke, sehr viele Arbeitsbereiche werden sich verändern, und es werden neue Jobs entstehen. Das entwickelt sich nicht so rasant, wie viele befürchten.
Führt zu viel Angst dazu, dass wir Chancen verpassen?
Angst kann lähmen. Wir müssen ausprobieren, wie wir auf künstliche Systeme reagieren, welche gut für uns sind und welche nicht. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die klugen Maschinen nutzen können, um die Gesellschaft menschlicher zu machen, nicht nur effizienter.
Wer sich für die Entwicklung von KI interessiert: Studienkombinationen von Informatik mit Biologie, Medizin oder Ethik sind aussichtsreich
Sollten Frauen bei der Entwicklung eine größere Rolle spielen?
Unbedingt, denn natürlich spiegelt sich in der KI wider, wer sie programmiert hat. Deshalb sollten alle gesellschaftlichen Gruppen ihre Perspektiven einbringen. Frauen sind aber auf dem Vormarsch, bekommen Professorenstellen und manchmal auch führende Positionen. Ein Tipp für alle, die sich dafür interessieren: Kombinationen von Informatik mit Fächern wie Biologie, Medizin oder Ethik sind sehr aussichtsreich.
In 10 Jahren – auf was freuen Sie sich?
Ich freue mich darauf, dass künstliche Intelligenz dann in meinem Heimnetz arbeitet, ohne Datentransfers zu Großunternehmen… Ein Haushaltsroboter wäre auch gut – und eine Gesellschaft, in der alle weniger arbeiten müssen.