Gaming
E-Sports-Frauenpower: So zocken sich Ladies in die Profi-Liga
Die E-Sports-Community wächst. Hobby-Gamer träumen von großen Sponsorenverträgen, E-Sports-Turniere füllen ganze Stadien und Profi-Spieler kassieren millionenschwere Preisgelder – Gamerinnen allerdings kommt oft nicht dieselbe Anerkennung zuteil wie ihren männlichen Kollegen. Ändern könnten das internationale Initiativen und weibliche Vorbilder, die bereits erfolgreich sind.
Der teambasierte Ego-Shooter Overwatch gilt nicht nur als einer der erfolgreichsten Multiplayer weltweit, sondern hat im Vergleich zu anderen Shootern auch die höchste Frauenquote. Das Kuriose: In der internationalen Profi-Liga des Videospiels findet sich nur eine einzige Frau. Die Südkoreanerin Se-yeon „Geguri“ Kim spielt seit der vergangenen Saison bei den Shanghai Dragons neben mehr als 200 männlichen Kollegen in der Overwatch League. Woran liegt’s?
Du spielst wie ein Mädchen – sehr gut!
Explizite Männerteams gibt es im E-Sport nicht. Dass neben ihnen kaum Frauen mitspielen, hat jedoch konkrete Gründe. „Wenige Mädchen sehen den E-Sport als realistischen Weg für sich, da es nicht ihrer Rolle zugeschrieben wird. Das Identifikationspotenzial fehlt“, so Jana Möglich, die Gleichstellungsbeauftragte beim Verein eports Nord. So hält sich das Vorurteil, E-Sports und Gaming wären Männersache. Diese Erfahrung musste auch Marlies „Maestra“ Brunnhofer machen, die seit Anfang des Jahres als einzige Spielerin in der zweithöchsten deutschsprachigen Liga von League of Legends mitmischt. „Viele Leute haben eben Computerspielen als männlich im Kopf oder trauen den Mädchen gar nicht zu, sich für Computerspiele zu interessieren“, so die 23-jährige Österreicherin. Doch diese Wahrnehmung täuscht. Der Branchenverband Game stellte bereits im Jahr 2016 bei einer Studie fest, dass fast die Hälfte aller Gamer in Deutschland (47 Prozent) weiblich ist. Frauen zocken also genauso gerne und oft auch sehr erfolgreich.
Frauen-Teams als Sprungbrett in die Profi-League
Bevor Maestra ins Mixed-Team einstieg, spielte sie vier Jahre lang in einem reinen Frauen-Team. Diesen Weg gehen viele junge Gamerinnen. Denn so können sie sich in einem vorurteilsfreien Umfeld an den E-Sport herantasten, Ligastrukturen kennenlernen und Selbstvertrauen gewinnen. Bei internationalen Profi-Turnieren wie der Intel Extreme Masters World Championship (IEM) oder Events wie dem Girl Gamer E-Sports Festival beweisen die Mädels, dass sie ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen – bislang aber vor allem in eigenen Damen-Wettkämpfen. Allerdings sind die Preisgelder bei diesen Turnieren niedriger* und die Sponsoren weniger großzügig.
*für mehr Informationen auch hier
Gleiche Chancen für alle: E-Sport kennt kein Geschlecht
Dass Frauen bei Wettkämpfen unter sich bleiben und weitaus weniger Anerkennung finden, ist gerade im E-Sport paradox. Denn während sich im klassischen Sport das Argument hält, Frauen und Männer müssten wegen ihrer körperlichen Unterschiede in verschiedenen Ligen spielen, hebelt das Gaming diese Logik aus. Weder bei den Reaktionszeiten noch in der Feinmotorik sind Frauen körperlich benachteiligt. Da sie unter den gleichen Bedingungen antreten, wären gleichberechtigte Mixed-Turniere kein Problem und das Potenzial weiblicher Nachwuchstalente für die Branche groß. So sieht es der Sportwissenschaftler Dr. Ingo Froböse, mit dem wir über die Zukunft des E-Sports gesprochen haben.
Initiativen für mehr Gender Diversity im E-Sport
Tendenziell zeichnet sich in der Branche ein wachsendes Bewusstsein für das Thema Diversität ab. So möchte zum Beispiel der Branchenverband game mit der Initiative „Hier spielt Vielfalt“ ein Zeichen gegen Diskriminierung in der Gaming-Szene setzen. Der E-Sports Bund Deutschland (ESBD) fordert schon seit längerem einen Kulturwandel, der Frauen und Männern die gleichen Aufstiegschancen einräumt, und startete im April 2019 die Arbeitsgruppe Gender Diversity, die sich für mehr Gleichberechtigung einsetzt.
Ein ähnliches Ziel verfolgt die neu gegründete E-Sports Player Foundation aus Nordrhein-Westfalen, die junge Talente unabhängig von ihrem Geschlecht fördern möchte. „Wir werden auch zu Beginn ganz explizit nach Frauen, Mädels, Ausschau halten, die das Potenzial haben“, so Jörg Adami, Geschäftsführer der Stiftung. „Unsere Vision ist es, so schnell wie möglich zu einer paritätischen Förderung zu kommen.“
Internationales Engagement für Female Empowerment im E-Sport
Währenddessen bemühen sich Organisationen wie Women of E-Sports oder das österreichische Projekt League of Girls um Maßnahmen für die gezielte Frauenförderung im E-Sports. Auch die ESL und der Tech-Konzern Intel möchten mit der Organisation Any Key dazu beitragen, dass Mädels sowohl bei der Spieleentwicklung als auch in Wettkämpfen präsenter sind.
Hinter den E-Sports-Kulissen nehmen weibliche Akteure bereits häufig hohe Positionen ein. Die Koreanerin „LilSusie” Kim beispielsweise gilt als eine der erfolgreichsten Team-Managerinnen und hat sich als Dolmetscherin, Kommentatorin und Moderatorin in der Branche einen Namen gemacht. Auch die ESL-Mitarbeiterin Lauren „Pansy“ Scott wird als Casterin und Kommentatorin der Counter-Strike-Szene regelmäßig für die größten Turniere der Welt gebucht. Die belgische Moderatorin Eefje „Sjokz“ Depoortere hostet seit Jahren die europäische League of Legends Championship Series und wurde als „Personality of the Year“ mit dem E-Sports Industry Awards 2017 ausgezeichnet.
Erfolgreiche Letsplayerinnen als weibliche Vorbilder
Doch auch am PC gibt es talentierte Newcomerinnen, die nicht nur bei internationalen Wettkämpfen, sondern zum Beispiel beim Streaming-Dienst Twitch auf sich aufmerksam machen. Zum International Women‘s Day 2020 hat die Gaming-Plattform ermittelt, welche Letsplayerinnen im deutschsprachigen Raum besonders viele Fans auf ihre Kanäle ziehen. Auf dem ersten Platz landete AnniTheDuck mit rund 362.000 Followern, gefolgt von Pandorya, die es auf knapp 172.900 Follower bringt.
Von den Reichweiten männlicher Gaming-Stars wie Gronkh (rund 1,1 Millionen Follower) sind die Streamerinnen zwar noch etwas entfernt. Viel wichtiger ist aber: Sie sind für junge Spielerinnen sichtbare Vorbilder und zeigen, dass Gaming nicht nur Männersache ist. So ermutigen sie weibliche Nachwuchstalente, sich im E-Sport auszuprobieren und durchzusetzen.
Frauen im E-Sport: Diese Ladies spielen auf Profi-Niveau
Auch Maestra weiß um ihre Rolle als Vorbild und engagiert sich an österreichischen Schulen dafür, E-Sport sowohl Mädchen als auch Jungen näher zu bringen. Auf Spitzenniveau spielen aber viele weitere Gamerinnen. Die Schwedin Julia „Juliano“ Kiran ist als Counter-Strike-Profi eine feste Größe, gewann 2017 die Frauen-Turniere der Copenhagen Games sowie der Intel Challenge in Kattowitz und räumte zuletzt den ersten Platz beim DreamHack Showdown Valencia ab. Stephanie „Missharvey“ Harvey war nicht nur Game-Designerin bei Ubisoft Montreal, sondern ist seit über zehn Jahren professionell bei Counter Strike aktiv und spielte zuletzt beim Damen-Team CLG Red regelmäßig bei internationalen Turnieren. Über einen historischen Triumph freute sich im Februar 2018 die Kanadierin Sasha „Scarlett“ Hostyn, die bei den IEM in Pyeongchang (Südkorea) als erste Frau ein Major StarCraft II Turnier gewann.
Es tut sich etwas in der E-Sports-Szene. Die Damen zeigen bei jeder Gelegenheit, dass sie ihren männlichen Mitstreitern in nichts nachstehen. „Du spielst wie ein Mädchen“ ist in diesem Kontext längst als Kompliment zu verstehen.
Was denkst Du, welche Initiativen Frauen im E-Sport weiterbringen und ihnen beim Aufstieg in die Profi-Liga helfen? Wir freuen uns auf Deine Ideen und Meinung!