Digital Life
Von Braille-Tablets bis Kamerabrillen: Smarte Technologien für Blinde und Sehbehinderte
Zeitschriften lesen, online shoppen, Touchscreens bedienen: all das können blinde Menschen heute fast ebenso gut wie sehende. Assistenzsysteme auf dem Mobilgerät, spezielle Wearables und Gadgets machen es möglich. So können smarte Technologien Menschen mit einer Sehbehinderung mehr Selbstständigkeit im analogen und digitalen Alltag schenken.
Viele Hürden, mit denen blinde und sehbehinderte Menschen einst konfrontiert waren, lassen sich heute deutlich einfacher bewältigen: Sprachassistenten auf dem Smartphone und im intelligenten Zuhause schaffen nicht nur digitale Barrierefreiheit, sondern nehmen Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen alltägliche Aufgaben ab. Siri, Alexa und Google Assistant steuern auf Zuruf vernetzte Geräte, verfassen Kalendereinträge und halten über das Weltgeschehen auf dem Laufenden. Und auch andere Funktionen tastenloser Touchscreen-Geräte können Menschen mit vermindertem Sehvermögen bereits ohne Einschränkungen nutzen. Mehr dazu liest Du heute in unserer Reihe #Connecting4Good.
Screenreader-Apps: Smartphone bedienen, ohne das Display zu sehen
Im Gegensatz zu klassischen Sprachausgabe-Systemen übersetzen Screenreader nicht nur den sichtbaren Bildschirmtext, sondern liefern Beschreibungen von allem, was auf dem Display passiert – ob Batteriestatus, Name eines Anrufers oder der App, die Du gerade antippst. Orientierung auf dem iPhone bietet Apple mit seiner iOS-App Voice Over, die Bildschirmlese-Funktion, Eingabehilfen per Sprache und Braille-Zeile sowie akustisches Feedback bei der Bedienung bündelt. Googles Pendant Talk Back ermöglicht hingegen in Kombination mit zusätzlichen Apps wie Braille Back und der Android Accessibility Suite die barrierefreie Smartphone-Nutzung. Via Bluetooth können blinde Anwender auch externe Eingabegeräte wie Braille-Tastaturen koppeln, um Nachrichten mit dem 6- oder 8-Punkte-System tippen und lesen können.
Blitab: Das erste Touchscreen-Tablet für Blinde
Neben dem App-Angebot für Blinde wächst auch der Markt für Geräte, die speziell für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen entwickelt sind. Mit Blitab hat das gleichnamige Start-up das erste Tablet für Blinde und sehbehinderte Menschen vorgestellt. Das Tablet liest auf Wunsch nicht nur Dokumente vor, sondern konvertiert digitale Inhalte einer ganzen Seite in Echtzeit in Braille-Codes und taktile Grafiken. Für diese haptische Darstellung integriert das Tablet einen zweiten Bildschirm, mit dem Anwender nahezu alle klassischen Funktionen nutzen können: im Internet surfen, arbeiten, spielen und mit Freunden chatten.
Auch die Smartwatch Dot ersetzt das digitale Display durch eine analoge Fläche mit beweglichen Punkten, die Informationen vom Smartphone in Brailleschrift anzeigen. Über die dazugehörige iOS- und Android-App können blinde und sehbehinderte Menschen nicht nur Handy-Nachrichten lesen und beantworten, sondern auch Anrufe entgegennehmen oder das Wearable als Fitness-Tracker nutzen.
Brai Book: Handlicher E-Reader übersetzt in Blindenschrift
Auf ähnliche Weise arbeitet das Brai Book, ein E-Reader in Blindenschrift. Das handflächengroße Gerät wandelt digitale Inhalte in PDF, ePub sowie TXT-Format ins Braille-Alphabet um und stellt diese über acht integrierte Braille-Punkte haptisch dar. Parallel können sich Nutzer die Texte auch über Kopfhörer vorlesen lassen. Mehr als 6.000 Dokumente und Bücher sollen sich in der Bibliothek von Brai Book speichern und aufrufen lassen. Bislang ist das Gadget allerdings nur für spanisch- und englischsprachige Leser nützlich.
Esight: Futuristische Brille schenkt neue Sehkraft
Andere smarte Technologien schaffen nicht nur barrierefreien Zugang zu digitalen Informationen, sondern auch zur analogen Welt. Die elektronische Brille Esight erweitert das Sehvermögen mit einer eingebauten HD-Kamera und zwei Bildschirmen an der Innenseite, die dem Träger die Welt in klaren Konturen vor Augen führen. Dank eines integrierten 24-fach-Zooms können Menschen mit einer Sehschwäche auch entfernte Schriftzüge lesen, Objekte erkennen und diese sogar fotografieren. Via HDMI-Anschluss, Bluetooth oder Wi-Fi lässt sich der tragbare Supercomputer auch mit dem PC oder Tablet verbinden. Über eine dazugehörige Fernbedienung können Nutzer unter anderem den Kontrast und die Vergrößerung der Echtzeit-Aufnahmen einstellen.
Orcam Myeyes: Blindenbrille macht die sichtbare Welt hörbar
Mit Orcam Myeye erschließt sich die sichtbare Welt für blinde und sehbehinderte Menschen hingegen akustisch. Die gestengesteuerte Brille beschreibt bei Bedarf alles, was die Kamera im Blickfeld erfasst – ganz diskret über einen Knochenleitkopfhörer, der die Computerstimme direkt auf den Schädelknochen überträgt. Das Wearable liest nicht nur Straßenschilder, Speisekarten, Zeitschriften und Fahrpläne vor, sondern erkennt dank Gesichtserkennung auch fotografierte und gespeicherte Personen. Mittels Barcode-Abgleich kann Orcam außerdem Produkte im Supermarktregal benennen. Zugriff auf die umfangreiche Datenbank ermöglicht ein tragbarer Mini-Computer, den Du bequem in der Hosentasche verstauen kannst.
Horus Headset: Persönlicher Assistent für Blinde
Ähnlich funktioniert das Headset von Horus Technology, das wie ein Sportkopfhörer mit oder ohne Brille getragen werden kann. Mit einer integrierten Kamera und einem etwa Smartphone-großen Prozessor liest das Wearable Texte vor, erkennt Personen und teilt dem Träger mit, welche Gegenstände er vor sich hat. Für mehrere Tasten an dem Headset und der externen Geräteeinheit kannst Du verschiedene Funktionen festlegen und beispielsweise die Lautstärke anpassen. Die Mailänder Entwickler feilen noch an den Feinheiten, Interessenten können das Horus-Headset aber bereits vorstellen.
Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bei der Spracherkennung und Bildverarbeitung werden die smarten Assistenten immer besser. Auch für Menschen mit anderen Handicaps hält die Tech-Welt bereits viele praktische Hilfsmittel bereit, die mehr Selbstständigkeit und Lebensqualität ermöglichen.
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Kennst Du ein Projekt, eine App, ein Gadget oder eine technische Innovation, die wir im Rahmen dieser Reihe unbedingt vorstellen sollten? Dann hinterlasse uns Deinen Kommentar. Vielleicht handelt unsere nächste #Connecting4Good-Story ja davon?
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