Digital Life
„Queen of Codes“ Grace Hopper: Wie die digitale Pionierin den Computer erzog
In einer Zeit, als Computer noch ganze Räume füllten, dachte eine Frau darüber nach, wie man leichter mit den neuartigen Maschinen kommunizieren könnte. Die Mathematikerin Grace Hopper war nicht nur eine hochqualifizierte Marineoffizierin, sondern schrieb als erste moderne Informatikerin Computergeschichte. Wie es der digitalen Pionierin gelang, den Computer zu erziehen, erzählen wir Dir im Porträt der „Queen of Codes”.
Wer an der Harvard University studiert, kommt im Foyer des Science Centers kaum an dem Mark I vorbei: ein tonnenschweres Ungetüm aus den Anfängen des Computerzeitalters. In den 1940er Jahren war diese digitale Rechenmaschine eines der modernsten Werkzeuge der U.S. Navy. Doch wer mit ihr arbeiten wollte, brauchte einen langen Atem: Für jede Aufgabe musste die monströse Maschine über Lochstreifen neu programmiert werden. „Der Computer muss erzogen werden“ wurde später eine Frau zitiert, die den Mark I bändigte: Marine-Leutnant Grace Hopper schrieb die erste nutzerfreundliche Programmiersprache.
Eine kleine Frau mit großen Ambitionen
Aber der Reihe nach: 1906 in New York als Grace Brewster Murray geboren, studierte Hopper in den 1930er Jahren Mathematik und Physik an der Yale University, beendete ihr Studium mit Auszeichnung und promovierte 1934 in Mathematik. Dass ihr das Unterrichten auf Dauer zu eintönig wurde, zeigte sich 1941 nach Kriegseintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg: Grace meldete sich freiwillig zum Militärdienst. Da sie aber zu klein und mit 34 Jahren auch schon zu alt war, wurde sie abgelehnt. Zwei Jahre vor Kriegsende schaffte sie es schließlich als Reserve-Offizierin zur U.S. Navy und landete im Forschungszentrum der Harvard University. Hier begann nicht nur eine erstaunliche Marine-Laufbahn, sondern auch eine beeindruckende IT-Karriere.
„If in doubt – do it!“
In Harvard traf Grace auf Howard Aiken, den damaligen Direktor des Computer-Laboratoriums und Erfinder des Relais-Rechners Mark I (auch als Automatic Sequence Controlled Calculator, kurz ASCC bekannt). Die Maschine berechnete unter anderem Flugbahnen, konnte drei Additionen pro Sekunde verarbeiten und wurde – wie damals üblich – in Binärcodes programmiert, also einer Zahlenfolge aus Einsen und Nullen. Grace sah in der komplizierten Kommunikation mit dem Gerät ein Hindernis, das es zu lösen galt. Um Mensch und Maschine einander näher zu bringen, dachte sie über eine Art digitalen Dolmetscher nach, der menschliche Worte in Maschinencodes übersetzt. In der Fachwelt wurde sie für diese Idee belächelt: „Computer verstehen kein Englisch“, hieß es. Doch Grace folgte ihrem viel zitierten Motto „If in doubt – do it!“ und bewies ihnen das Gegenteil.
Digitale Pionierarbeit für die Verständigung zwischen Mensch und Maschine
In einer Präsentation mit dem Titel The Education of a Computer stellte Grace 1952 den ersten Compiler vor, eine Art „Übersetzungsprogramm“, das einen Quelltext in englischer Programmiersprache in eine für den Computer verständliche Maschinensprache konvertierte. Mit dem Compiler A-0 galt der störrische Mark I schon bald als der leicht programmierbarste Computer der Welt. Hoppers Compiler machte die Programme zudem unabhängig von dem Rechner, auf dem sie laufen sollten – ein entscheidender Schritt auf dem Weg ins menschenfreundliche Computerzeitalter und der Anstoß für eine Generation ganz neuer Programmiersprachen.
Vom ersten Compiler zu modernen Programmiersprachen
Hoppers Idee zu mehr Bedienungsfreundlichkeit war mit dem Gedanken verknüpft, dass Computer nicht nur für technische und militärische Berechnungen genutzt werden könnten, sondern auch für kommerzielle, kaufmännische und statistische Zwecke. So arbeitete die visionäre Tüftlerin weiter daran, den Computer zu „erziehen“. Für den ersten kommerziellen Computer UNIVAC I, an dessen Entwicklung sie ebenfalls mitwirkte, entwickelte sie 1955 die Computersprache FLOW-MATIC (Compiler B-0). Diese verstand nicht nur gut 30 Befehle aus englischen Worten wie „Compare“, „Replace“ und „Price“, sondern sogar erste Anweisungen auf Französisch und Deutsch. Weltweite Bekanntheit und den Ruf als erste moderne Informatikerin brachte ihr Ende der 1950er Jahre die Programmiersprache COBOL ein: Diese Common Business Oriented Language ist bis heute in der betriebswirtschaftlichen Datenverarbeitung im Einsatz.
Zwischen Binärcodes, Bits und (echten) Bugs: Alltag einer digitalen Pionierin
Schon bevor „Grandma Cobol“ international bekannt wurde, schrieb die digitale Pionierin Computergeschichte. Unter Hoppers Leitung werkelten die Harvard-Forscher bis 1947 am Aufbau des Nachfolgerechners Mark II. Dabei sorgte „Amazing Grace“ – wie sie von ihren Kollegen genannt wurde – eher unbeabsichtigt dafür, dass der Begriff „Bug“ (Käfer) für Softwarefehler bis heute im Jargon der Informatik verankert ist. Zwar tauchte der Begriff bereits im 19. Jahrhundert zur Fehler-Beschreibung in mechanischen und elektrischen Teilen auf, doch Grace hatte den ersten echten Computer-Bug entdeckt: Sie zog eine tote Motte aus dem Mark II, die dort eine Störung verursacht hatte, klebte das Insekt ins Logbuch und vermerkte: „First actual case of bug being found“ (Das erste Mal, dass tatsächlich ein Bug gefunden wurde“).
„Admiral of the cyber seas”: In den Tiefen der Codes statt auf hoher See
Ihr technisches Talent blieb auch beim Militär nicht unbemerkt. Im stolzen Alter von 61 Jahren wurde Grace von der U.S. Navy wieder in den aktiven Dienst versetzt, um diverse Computerprobleme zu lösen. Aus geplanten sechs Monaten wurden 20 Jahre, in denen Hopper zur Flotillenadmiralin aufstieg, ohne je auf einem Kriegsschiff gedient zu haben. Erst mit knapp 80 Jahren entließ die Navy ihre älteste amtierende Offizierin in den Ruhestand. Kurz bevor Hopper 1992 starb, erhielt sie als erste Frau die National Medal of Technology and Innovation der USA.
Zu den insgesamt rund 90 Auszeichnungen, die Grace im Laufe ihres Lebens einheimste, zählen über 40 Ehrendoktorwürden. 24 Jahre nach dem Tod der Grand Lady der Informatik erteilte ihr Barack Obama die jüngste Ehre mit der Presidential Medal of Freedom.
Zum Erbe der Queen of Codes gehören auch pointierte Weisheiten wie „It’s always easier to ask forgiveness than it is to get permission“ – Es ist immer einfacher, um Entschuldigung zu bitten, als eine Genehmigung zu bekommen. Wohl auch dieser unerschrockenen Haltung ist es zu verdanken, dass Grace Hopper in „klassischen“ Männerdomänen wie Technik und Militär Großes leisten konnte – übrigens ebenso wie die ihre Kollegin Ada Lovelace, die schon 100 Jahre vor Erfindung des Computers die Weichen für das digitale Zeitalter stellte.
Hast Du auch ein weibliches Vorbild aus der Computergeschichte? Schreib uns, wer Deine digitale Heldin ist!