Digital Life
Phubbing - Sprich ruhig weiter. Ich hör dir zu.
#nichsogeil. Phubbing ist für einige selbstverständlich, für andere DIE soziale Unsitte des 21. Jahrhunderts. Dein Gegenüber schaut während des Gesprächs auf sein Smartphone, wischt, tippt und scheint viel faszinierter vom Screen zu sein - als von Dir. Aber ist man ein Moralapostel, wenn man Phubbing störend findet? Wer hat Recht und wer hat Unrecht? Das sagen wir Dir hier.
Du befindest Dich in einem Gespräch mit einem Freund. Wie lief die Uni? Wie ist das neue Game? Frauen sind komisch. Ihr führt also eine Konversation. Inmitten dieses angeregten Gespräches zückt Dein Gegenüber sein Smartphone. Du hältst kurz inne. Plötzlich kommt DER Satz und er brennt in den Ohren: „Sprich ruhig weiter. Ich hör Dir zu.“
Wie selbstverständlich fotografiert er dabei seinen Kaffee, teilt ihn auf Instagram und Twitter – #coffeetime – und lässt seine Facebook-Freunde daran teilhaben, dass er gerade mit Dir einen Kaffee trinkt. „:D – aufgeregt. Endlich wieder schnacken mit meinem Besten“. Ein klarer Fall von Phubbing. Das kann einem die Feiertagslaune verhageln.
Es begann mit einem Hoax…
Phubbing ist ein Kofferwort, zusammengesetzt aus den Worten phone und snubbing – also jemanden abweisen. Es beschreibt kurz und treffsicher die Unsitte, den Gesprächspartner ganz oder teilweise zu ignorieren – zu Gunsten des eigenen Smartphones.
2013 ging die Initiative „Stop Phubbing“ um den Globus. Der australische Student Alex Heigh, als angeblicher Student der Initiative, machte von sich reden. Zeitungen, Online-Medien, Radiosender: Alle berichteten über Phubbing, interviewten den Studenten und setzten sich vermehrt mit der modernen Kommunikation auseinander. Phubbing war in aller Munde. Und dabei war die ganze Aktion nicht weniger als ein geschickter Marketing-Schachzug.
Die australische Werbeagentur McCann bekam 2012 den Auftrag, eine Kampagne für das Macquarie Dictionary, das australische Wörterbuch, zu entwerfen. Im Zuge dessen ‚bauten’ Sprachwissenschaftler und Werbestrategen an der University of Sydney das Wort Phubbing zusammen.
Der kurze Film „A Word is Born“ fasst die Kampagne nochmal zusammen. Ein Blick lohnt sich.
#stopphubbing
Auf der Website stopphubbing.com bietet eine Handvoll augenzwinkernder Möglichkeiten, jemanden auf seinen sozialen Makel aufmerksam zu machen. Du füllst einen Lückentext aus – Name, Aktivitäten, Locations - und et voila: Der gemeine Phubber bekommt eine Email. Er wird gebeten sich beim nächsten Treffen wenigstens fünf Minuten Zeit zu nehmen, ohne Smartphone. Öffentliche Locations bedienen sich einfach der downloadbaren Poster a la „Attention Phubbers: No Tweeting. No Facebook. No Instagram. No Foursquare. No Sexting. - Respect the food, the music and the company you’re in.“ Auf Hochzeitskarten findet man subtiles a la „You belong here. Your Phone doesn’t.“
Richtig zur Sache geht’s an der Wall of Shame. Vielleicht ist das etwas drastisch. Fotos von vermeintlichen Phubbern werden hochgeladen und die Phubber damit öffentlich gebrandmarkt. Vorsicht: Daran kann eine Freundschaft vermutlich genau so schnell zerbrechen wie am Phubbing selbst.
Im Endeffekt ersetzt vermutlich nichts das direkte Gespräch. Geht auf den Freund, die Freundin zu und sprich sie darauf an. Das mag etwas #oldschool sein, aber vermutlich immernoch der beste Weg.
Smartphone-Knigge
Wann darf ich was und wann sollte ich mit dem Status-Update noch warten? Unser kleiner Smartphone-Knigge hilft weiter.
Ich erwarte eine wichtige Nachricht
Ihr wartet auf eine wichtige Mail oder SMS vom Chef oder Kollegen? Gib Deinem Gegenüber einen kurzen Hinweis. Dieser wundert sich nicht, wenn Du aufs Smartphone schaust. Die Situation wird entspannter. Außerdem kann es gleich ein ganz neues Gespräch ankurbeln.
Ein wichtiger Anruf: Ist es unhöflich diesen anzunehmen?
Jemand ist krank? Der Babysitter ruft an? Der Chef aus dem neuen Büro? Niemand wird es euch verübeln wenn Du das Gespräch entgegennimmst. Entschuldige Dich kurz, geh vielleicht raus und sag Deiner Begleitung, dass Du gleich wieder da bist. Wenn Du einen wichtigen Anruf erwartest, kannst Du am Anfang einfach eine kurze Info geben. Der / die andere wird Verständnis haben und sich darüber freuen, dass Du es nicht für eine Selbstverständlichkeit gehalten hast.
Smartphone in der Vorlesung?
Sicherlich gibt es Dozenten denen das egal ist. Die meisten jedoch finden es einfach nur unhöflich, wenn die Masse während der Vorlesung twittert, sich von niedlichen Katzenvideos bespaßen lässt oder auf Facebook bekannt gibt, dass sie gerade in eben dieser Vorlesung sitzen und twittern.
Kommunikationspausen in Meetings
Die Projektgruppe trifft sich. Das Treffen ist wichtig. Alle sind konzentriert, aber so ganz ohne Smartphone wollen die meisten Leute eben doch nicht durch den Nachmittag kommen. Plan Kommunikationspausen ein. Und wenn die neuen Tweets und Insta-Pics abgearbeitet sind, findet sich in der Pause sicherlich noch die eine oder andere Kommunikationsmöglichkeit.
NO GO!
Du sitzt im Bus, der Bahn und das Smartphone klingelt: Alle Beteiligten um Dich herum wollen nur bedingt wissen, warum die Beziehung nicht mehr funktioniert, was es zum Abendbrot gibt oder warum Dein Gesprächspartner „diese Tussi unbedingt anzeigen“ muss. Privatgespräche gehören in einen privaten Raum.
Kopfhörer sind zu unbequem und Dein Gesprächspartner muss diesen neuen Song einfach hören? Ja, aber bitte nicht im vollen Restaurant. Die freundlichen Damen und Herren um Dich herum mögen Helene Fischer vielleicht doch nicht so sehr wie Du.
Die Party muss dokumentiert werden. Das Ausblasen der Geburtstagskerzen geht natürlich mit einem Selfie einher. Nachfolgende Generationen werden Dir danken, aber die aktuelle findet es schade, dass Du auf der super Party kaum richtig mitgefeiert hast, weil Du ständig am Smartphone gehangen und alles und jeden fotografiert hast. Mach ein Foto weniger, lass das Phone in der Tasche und redet doch lieber mit der attraktiven Gastgeberin oder dem attraktiven Gastgeber, die oder der Dich schon seit zwei Stunden anlächelt.
Bild „Stop phubbing” by stopphubbing.com