Digital Life
Eltern-Ratgeber digital: Liebling, unser Kind will ein Smartphone – und jetzt?
Telefonieren, fotografieren, Musik hören – moderne Handys sind multimediale Alleskönner. Auf dem Schulhof spielen viele Kids nicht mehr Fußball, sondern tippen auf ihren Smartphones herum, chatten via Messenger, tauschen Fotos und Videos aus. Ist das ein Problem? Oder keine große Sache? Ab welchem Alter sind Handys sinnvoll? Darüber habe ich mit dem Medienpädagogen Prof. Dr. Johannes Fromme gesprochen.
Nahezu alle Eltern bekommen es früher oder später zu hören: „Krieg‘ ich ein Handy? In der Schule haben alle eins.“ Herr Prof. Fromme, wie können Eltern auf diese Frage reagieren?
Sie sollten die Frage als Anlass für einen Austausch zum Thema Handy aufgreifen. Wenn Kinder ein Handy wollen, sollten Eltern über die Gründe und den tatsächlichen Bedarf mit ihnen reden. Auf welche Regeln können wir uns einigen? Diese Dinge sollten geklärt werden, bevor das Handy gekauft ist. Je nach Alter der Kinder kann der Handywunsch dann erfüllt werden, früher oder später. Es kann heute nicht mehr darum gehen, Medienumgang oder Medienbesitz grundsätzlich zu vermeiden, sondern darum, diesen frühzeitig zu begleiten, damit Kinder die Risiken einschätzen und dadurch einen selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit den Geräten und Plattformen lernen. Die Idee, man könnte Kinder medienfern aufwachsen lassen, gehört ins Reich der Fantasie.
Viele Eltern fühlen sich sicherer, wenn ihre Kinder über Handy immer erreichbar sind. Wie stehen Sie dazu? Ab welchem Alter ist ein Handy für Kinder tatsächlich sinnvoll?
Wir haben oft einen Elterntyp, der in Richtung „Überbehütung“ tendiert. Dafür gibt es auch den Begriff der „Helikoptereltern“. Ich denke, Kinder müssen nicht permanent erreichbar oder unter elterlicher Aufsicht und Kontrolle sein. Umgekehrt ist es aber sinnvoll, dass Kinder ihre Eltern erreichen können, wenn sie sie brauchen. Wir wissen aus Statistiken, dass das Durchschnittsalter, bei dem die Handynutzung sprunghaft ansteigt, bei 10 Jahren liegt. Das deckt sich etwa mit dem Alter, in dem die Kinder in die Sekundarstufe oder das Gymnasium wechseln. Dann werden häufig auch die Wege zur Schule weiter und von Seiten der Kinder besteht eben das Bedürfnis der Erreichbarkeit.
Gibt es also ein „passendes“ Alter für Kinder, in dem man ihnen ein Handy kaufen kann oder sogar sollte?
Nein, das gibt es nicht. Kinder machen individuelle Erfahrungen und entwickeln sich sehr unterschiedlich. Ich würde es von dem Reifegrad und der Selbstständigkeit des Kindes abhängig machen, 10 Jahre kann passen, eventuell aber auch 9 oder 12 Jahre. Das kennen wir auch bei anderen Medien. Ein 12-Jähriger kann durchaus von einem Film, der ab 12 freigegeben ist, überfordert sein und Alpträume kriegen. Altersempfehlungen helfen also nur bedingt weiter. Die gesetzlichen Altersfreigaben von Medieninhalten beruhen übrigens nur auf Jugendschutzaspekten und taugen nicht als kognitive Orientierung. Also wenn ein Spiel eine Altersfreigabe ab 0 hat, heißt das nicht, dass ein Vorschulkind automatisch auch begreift, worum es da geht.
Was könnte problematisch daran sein, einem Zehnjährigen ein Smartphone zu geben?
Es kommt immer auch auf die Verträge und die [technischen] Möglichkeiten an. Wenn Inhalte uneingeschränkt zugänglich sind, hat man schnell Jugendschutzprobleme, zumal auch die Kontrolle beim mobilen Internet viel schwieriger ist als bei stationären Geräten. Hier entstehen auch für Eltern neue Herausforderungen. Ein weiteres Risiko: Es kann immer sein, dass Kinder über bestimmte Apps Kontakt zu jemandem bekommen, der ihnen nicht wohl gesonnen ist. Das ist ein klassisches Problem des sozialen Lernens: Wem kann ich vertrauen und wem nicht? Allerdings muss man auch sagen, dass dieses Risiko gern überschätzt wird, denn wenn Kinder Opfer von Straftaten werden, dann kommen die Täter überwiegend aus dem Familienumfeld.
Ein dritter Risikobereich sind die Kosten: Da sind wir wieder bei der Vertragssache. Gerade bei Jüngeren ist daher eine Prepaid-Lösung besser. Ein vierter Risikopunkt sind der Schutz von Privatsphäre und persönlichen Daten. Diese Risiken betreffen aber alle nicht nur Zehnjährige, sondern letztlich alle Handynutzer, speziell die Minderjährigen.
Hat es auch pädagogische Vorteile, Kindern so früh wie möglich ein Smartphone zu kaufen?
Ich bin nicht der Meinung, man sollte Kindern „so früh wie möglich” ein Smartphone kaufen. Aber wenn der Handywunsch nachdrücklich ist, dann ist es umgekehrt auch nicht sinnvoll, es so lange wie möglich zu verzögern. Dinge, die man lange vorenthält oder verbietet, bekommen leicht einen Sonderstatus und werden „überwichtig. Wenn man frühzeitig den Zugang zu Smartphones ermöglicht, ist auch die Chance gegeben, dass ein alltäglicher, selbstverständlicher und angemessener Umgang damit entsteht. Zu einem angemessenen Umgang gehört, dass man auch die Gegenwart der realen Kommunikation weiterhin wertschätzt und die medialen Kontakte nicht priorisiert. Der angemessene Umgang entsteht aber nicht „von selbst”, sondern die entsprechenden Lernprozesse bedürfen einer Begleitung durch Eltern und andere Bezugspersonen.
Würden Sie differenzieren zwischen „normalen“ Handys, mit denen man tatsächlich „nur“ telefonieren kann, und Smartphones, mit denen medial nahezu alles möglich ist?
Diese Unterscheidung macht immer weniger Sinn, weil Smartphones das „normale“ Handy bereits weitgehend ersetzt haben. Man hat eben nicht mehr nur ein mobiles Telefon, sondern einen Mikrocomputer, mit dem man alles machen kann. Das erweitert natürlich die Kommunikationsmöglichkeiten wie auch die erwähnten Nutzungsrisiken.
Was halten Sie denn von Smartphone-Apps wie Facebook-Messenger oder WhatsApp? Haben Sie dazu eine Altersempfehlung?
Facebook erlaubt eine Benutzung ab 13 Jahren (WhatsApp erst ab 16). Von daher ist man da rechtlich sowieso gebunden. Geschäftsfähig sind Kinder auch erst mit 12 in einem bestimmten Rahmen. Es gibt also bereits feste Regeln und braucht an dieser Stelle keine weiteren Empfehlungen.
Zur Person: Prof. Dr. Johannes Fromme ist Vorstandmitglied der Sektion Medienpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) und Professor für „Erziehungswissenschaftliche Medienforschung und Medienbildung unter Berücksichtigung der Erwachsenen- und Weiterbildung“ an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Ausführlicher widmet er sich dem Thema Handys im Alltag von Kindern und Jugendlichen in dem Buch „Kinder – Eltern – Medien. Medienpädagogische Anregungen für den Erziehungsalltag“.