Digital Life
Kunst im digitalen Wandel: Wie Instagram und Co. die Kunst verändern
Dank diverser Instagram-Filter kannst Du zwar jedem Schnappschuss einen kreativen Anstrich verpassen, zum Künstler macht Dich das aber noch nicht. Was macht Kunst in Zeiten von Social Media aus? Wir haben uns in den digitalen Galerien von Instagram und Co. umgesehen, um herauszufinden, wie soziale Netzwerke die Kunstszene verändern.
Was gibt’s bei Deiner Freundin zum Mittag? Wo verbringt der Arbeitskollege seinen wohlverdienten Urlaub? Instagram liefert Antworten auf Fragen, die Du Dir ohne das Foto-Netzwerk wahrscheinlich nie gestellt hättest. Zwischen privaten Einblicken aus dem Leben anderer Leute, Food-Blogs und Promi-Selfies entdeckst Du auf der Bilder-Plattform aber auch großartige Beiträge von Künstlern, die Deinen Instagram-Feed kulturell bereichern.
Kultur für jedermann: Soziale Netzwerke demokratisieren die Kunst
Ob knallige Popart-Motive von der Graffiti-Queen Andrea von Bujdoss, provokante Pastelle der Berlinerin Anne Bengardan oder filigrane Holzskulpturen, die Dennis McNett mit dem Skalpell und Schnitzeisen formt: Auf Instagram finden sowohl Profi-Künstler und namhafte Fotografen als auch talentierte Newcomer ihre Follower. Das hat nicht nur für Künstler klare Vorteile, sondern auch für Dich. Um in der Kunstszene up to date zu bleiben, musst Du keine Fachmagazine wälzen oder regelmäßig Galerien aufsuchen. Stattdessen versorgen Dich Insta-Blogs wie Blouin Artinfo, Artsy oder Avant Arte in wohldosierten Häppchen mit News, Expertenkommentaren und Insights aus der Kunstwelt. Zwischen Fotografien, Malereien und Street-Art entdeckst Du aber auch Werke von Künstlern, die Du auf einem Foto-Netzwerk nicht unbedingt erwarten würdest.
Ob Literatur oder Film: Auf Instagram zeigt sich klassische Kunst neu
Nicht erst, seitdem Du auf Instagram Videos und Stories veröffentlichen kannst, ist die bildzentrierte App auch für Filmemacher, Autoren und Performance-Künstler interessant. Die Fotografin Rachel Hulin veröffentlichte 2015 mit einer digitalen Foto-Collage Leseproben ihres Romans Hey Harry, Hey Matilda. Mit dem Thriller Shield Five startete 2016 der erste Kurzfilm auf Instagram, dessen fortlaufende Handlung täglich um ein weiteres 15-Sekunden-Video ergänzt wurde. Auf klassischem Weg hätte die siebenminütige Indie-Produktion vermutlich deutlich weniger Zuschauer gefunden.
Fest steht: Mit Instagram-Bildern wollen die Künstler möglichst viele Follower erreichen und auf sich aufmerksam machen. Heißt das für die Kunst: Auffallen um jeden Preis?
Ist das Kunst oder nur Spektakel?
Was macht den Erfolg von Kunst in Zeiten von Social Media aus? Ein Like? Oder ein Aufreger? Viele Artisten nutzen die Reichweite von Instagram mittlerweile auch für politische oder gesellschaftskritische Botschaften. Wie Protestkunst auf Instagram aussieht, konntest Du im Juli letzten Jahres beobachten. Kurz vor dem G20-Gipfel schlurften 1.000 graue Gestalten in Zeitlupe durch die Hamburger Altstadt, rissen sich plötzlich die verstaubten Kleider vom Leib und fielen sich in die Arme. Die Kunstaktion sollte einen Protest gegen die Gleichgültigkeit der Gesellschaft ausdrücken. Und natürlich landeten viele Bilder der 1000 Gestalten auf Instagram, Facebook und Co. – auch dafür wurde die Gruppenperformance schließlich inszeniert.
Politische Haltung zeigt auch der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei, der mit Installationen, Filmen und Fotos unter anderem das Flüchtlingselend vor Augen führt und gegen Unterdrückung kämpft. Auf Instagram erreichen die bildstarken Werke des Menschenrechtlers weltweit tausende Follower.
Unumstritten ist Protestkunst in den sozialen Netzwerken trotzdem nicht. Je provokanter die Aktion oder das Bild, desto schneller verbreiten sich die Botschaften viral im Netz. Dieser Trend könnte Künstler dazu veranlassen, die Skandal-Schablone als Vorlage für mehr Likes zu nutzen. Doch die sozialen Plattformen aus dem Silicon Valley legen der Kunst auch eigene Regularien auf.
Wie frei ist die Kunst im Netz?
Eine gewisse Prüderie ist in den AGB amerikanischer Online-Dienste wie Facebook und Instagram quasi vorgeschrieben. Zu viel nackte Haut, weibliche Brustwarzen oder intime Körperbehaarung werden von den Netzwerkbetreibern nicht gerne gesehen. Selbst Star-Fotografen wie Ryan McGinley müssen sich gut überlegen, wie sie ihre Modells ablichten, ohne als anstößig bewertet und gelöscht zu werden.
Gibt Instagram damit vor, was Ästhetik und Kunst ist? Gemaßregelt fühlen sich zumindest einige junge Netzkünstlerinnen, die mit ihren Arbeiten Fragen zur Weiblichkeit, Sexualität und Schönheit aufgreifen wollten. Im Leipziger Museum der bildenden Künste fanden ihre Werke Anfang des Jahres eine Plattform in der realen Welt. Die Ausstellung Virtual Normality zeigte, was für die virtuelle Kunstwelt zu obszön, grotesk oder einfach zu natürlich war.
Wohlfühl-Kunst für das Gemeinwohl
Einige gelöschte Instagram-Bilder haben es sogar in einen eigenen (analogen) Bildband geschafft. In ihrem Buch Pics or It Didn’t Happen sammeln die Künstlerinnen Arvida Byström und Molly Soda Fotos von unrasierten Beinen, künstlerischem Akt oder auch simplen Porträts, die von der App als „gefährlich“ eingestuft wurden.
Dass auf den sozialen Netzwerken nicht jeder alles ausstellen kann, mag in einigen Fällen auch seine Berechtigung haben. Immerhin sind Arbeiten im Netz für jeden offen und unterliegen – abgesehen von den Altersbeschränkungen der Dienste – keinen Zugangskontrollen. Welche Kunst mit dem Gemeinwohl der breiten Masse kompatibel ist und welche nicht, wird künftig wohl noch etliche Diskussionen anstoßen.
Abschließend kann man wohl sagen, dass die sozialen Netzwerke die Kunst nicht neu erfinden, sie aber näher an das Publikum heranbringen, Künstler zu experimentellen Formen und einem neuen Umgang mit ihrer Kunst inspirieren. So gesehen bereichern Instagram und Co. die Kunstwelt um viele neue Facetten – und vor allem um Reichweite.
Was denkst Du? Hat Instagram die Kunst verändert? Oder nur Deine Wahrnehmung von der Kunstwelt? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!